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Brief vom 18. Januar 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


457.


[155]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz; a Hannover.

Versaille den 18 Januari 1710.
Hertzallerliebe Louise, vergangen montag hab ich Ewern lieben brieff von 31 Decembris 1709 entpfangen, habe aber ohnmöglich donnerstag andtwortten können, habe es auff heütte verschieben müßen. Daß ich nicht gegen Eüch endere, solte Eüch nicht wundern, den ich bin nicht capabel, ohne ursach zu endern. Also, liebe Louise, wen ich Eüch gleich nicht alle woche versicherte, daß ich Eüch lieb habe, so könt Ihr doch deßen versichert bleiben, indem Ihr woll bey Eüch selbsten wist, daß Ihr mir keine ursach zu endern geben habt; also ist daß die sicherste versicherung, daß ich nicht geendert bin. Es freüt mich, daß mein brieff Eüch attandrirt hatt; den daß erweist, daß Ihr mich auch so lieb habt, liebe Louise, alß ich Eüch. Alle Pfältzer, so ich sehe, seindt mir lieber, alß andere nationen. Alles, waß I. G. mein herr vatter Churpfaltz s. gedint hatt, ist mir lieber, alß meine eygene bedinten. Wie solte [156] mir den seine tugendthaffte dochter, die ich von kindtheit ahn geliebt, nicht hertzlich lieb sein? Daß spricht ja von sich selber undt ich hoffe auch, weillen ich Eüch mein leben nichts zuwider gethan, noch die, so Eüch lieb sein, daß Ihr mich auch allezeit lieb behalten werdet. Es erfreüet mich recht, zu vernehmen, daß Ewere augen wider beßer sein. Ich kan nicht begreiffen, mitt waß Ihr den baume du Perou dün undt könt fließen machen, den es ist hart wie ein stein.
Sontag den 19 Januari 1710.
Wie ich gestern ahn dießem ort von meinem brieff war, kamme madame la princesse herrein undt bliebe eine zeit lang bey mir. Wie I. L. weg gingen, muste ich in die commedie, konte also nicht eher wider zum schreiben gelangen, alß heüte, indem wir gleich von der commedie ahn taffel gingen. Man spilte Britanicus undt vor possen spilt[1] l’advocat Pattelin,[2] beyde stück wurden woll gespilt. Ich komme aber wider, wo ich gestern geblieben war, nehmblich ahn baume du Perou. Daß Ihr sagt, daß Ihr es schmieren kont, macht mich glauben, daß, waß wir hir beaume blanc de Constanopel[3] heißen, vielleicht in Teütschlandt beaume du Perou geheißen wirdt, den der ist clar undt fließendt; den habe ich auch, wen Ihr davon wolt, werde ichs Eüch schicken. Ich wünsche von hertzen, je mehr undt mehr zu vernehmen, daß es sich mitt Ewern augen beßert. Ihr thut gar woll, Eüch mitt schreiben zu schonnen. Ich meinte, ein pfarersohn trüg es höher, alß liverey zu tragen undt laquay zu sein; daß die Pfaltzer aber Eüch dinnen, ist billig. Printzessinen seind nicht [am] glücklichsten in der weldt, also muß man sie woll mitt leydt in die weldt sehen kommen. Solte mein enckel, der duc de Chartre, bey leben bleiben, betten wir freylich genung ahn ihm; allein er ist so erschrecklich schwach undt delicat, daß ich sehr fürchte, daß er nicht wirdt bey leben bleiben. Wen ich hir bin, führt mich der könig nie auff die jagt, nur zu Marly undt Fontainebleau; mein miltz wirdts woll gewahr, thut mir bey dießem heßlichen wetter recht wehe. Es ist mir bang, daß daß [157] boße wetter ma tante auff der redoutte nicht woll bekompt; es ist mir ängster darbey, alß ichs I. L. bezeügt habe, den ich weiß, daß sie es nicht gern hatt. Gott woll sie gnadiglich bewahrn undt bey volkommener gesundtheit erhalten! Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Januar 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 155–157
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0457.html
Änderungsstand:
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