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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz; a Hannover.
Versaille den 18 Januari 1710.
Hertzallerliebe Louise, vergangen montag hab ich Ewern lieben
brieff von 31 Decembris 1709 entpfangen, habe aber ohnmöglich
donnerstag andtwortten können, habe es auff heütte verschieben
müßen. Daß ich nicht gegen Eüch endere, solte Eüch nicht
wundern, den ich bin nicht capabel, ohne ursach zu endern. Also,
liebe Louise, wen ich Eüch gleich nicht alle woche versicherte, daß
ich Eüch lieb habe, so könt Ihr doch deßen versichert bleiben,
indem Ihr woll bey Eüch selbsten wist, daß Ihr mir keine ursach zu
endern geben habt; also ist daß die sicherste versicherung, daß ich
nicht geendert bin. Es freüt mich, daß mein brieff Eüch attandrirt
hatt; den daß erweist, daß Ihr mich auch so lieb habt, liebe Louise,
alß ich Eüch. Alle Pfältzer, so ich sehe, seindt mir lieber, alß
andere nationen. Alles, waß I. G. mein herr vatter Churpfaltz s.
gedint hatt, ist mir lieber, alß meine eygene bedinten. Wie solte
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mir den seine tugendthaffte dochter, die ich von kindtheit ahn
geliebt, nicht hertzlich lieb sein? Daß spricht ja von sich selber
undt ich hoffe auch, weillen ich Eüch mein leben nichts zuwider
gethan, noch die, so Eüch lieb sein, daß Ihr mich auch allezeit lieb
behalten werdet. Es erfreüet mich recht, zu vernehmen, daß Ewere
augen wider beßer sein. Ich kan nicht begreiffen, mitt waß Ihr
den baume du Perou dün undt könt fließen machen, den es ist
hart wie ein stein.
Sontag den 19 Januari 1710.
Wie ich gestern ahn dießem ort von meinem brieff war, kamme
madame la princesse herrein undt bliebe eine zeit lang bey mir.
Wie I. L. weg gingen, muste ich in die commedie, konte also nicht
eher wider zum schreiben gelangen, alß heüte, indem wir gleich
von der commedie ahn taffel gingen. Man spilte Britanicus undt
vor possen spilt
[1] l’advocat Pattelin,
[2] beyde stück wurden woll
gespilt. Ich komme aber wider, wo ich gestern geblieben war,
nehmblich ahn baume du Perou. Daß Ihr sagt, daß Ihr es
schmieren kont, macht mich glauben, daß, waß wir hir beaume blanc de
Constanopel
[3] heißen, vielleicht in Teütschlandt beaume du Perou
geheißen wirdt, den der ist clar undt fließendt; den habe ich auch,
wen Ihr davon wolt, werde ichs Eüch schicken. Ich wünsche von
hertzen, je mehr undt mehr zu vernehmen, daß es sich mitt Ewern
augen beßert. Ihr thut gar woll, Eüch mitt schreiben zu schonnen.
Ich meinte, ein pfarersohn trüg es höher, alß liverey zu tragen
undt laquay zu sein; daß die Pfaltzer aber Eüch dinnen, ist billig.
Printzessinen seind nicht [am] glücklichsten in der weldt, also muß
man sie woll mitt leydt in die weldt sehen kommen. Solte mein
enckel, der duc de Chartre, bey leben bleiben, betten wir freylich
genung ahn ihm; allein er ist so erschrecklich schwach undt delicat,
daß ich sehr fürchte, daß er nicht wirdt bey leben bleiben. Wen
ich hir bin, führt mich der könig nie auff die jagt, nur zu Marly
undt Fontainebleau; mein miltz wirdts woll gewahr, thut mir bey
dießem heßlichen wetter recht wehe. Es ist mir bang, daß daß
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boße wetter ma tante auff der redoutte nicht woll bekompt; es ist
mir ängster darbey, alß ichs I. L. bezeügt habe, den ich weiß, daß
sie es nicht gern hatt. Gott woll sie gnadiglich bewahrn undt bey
volkommener gesundtheit erhalten! Adieu, liebe Louisse! Ich
ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch
allezeit von hertzen lieb behalte.