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Brief vom 26. Januar 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


458.


[157]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 26 Januari [1710].
Hertzliebe Louise, vergangen donnerstag konte ich ohnmoglich auff Ewer liebes schreiben vom 7 andtworten, so ich vergangenen montag entpfangen, den der englische hoff kamme her, doch ohne dem könig, den der hatt daß fieber gehabt, hatt ihn doch nun verlaßen; aber die königin undt printzes blieben zimblich lang hir, konte Eüch also nicht schreiben, habe es also biß auff heütte verschieben müßen. Ich glaube, daß der beaume, so ich Eüch geschickt, nicht derselbe ist, so Ihr braucht; den ich zweyffle, daß man den, so ich geschickt, liquide machen könte. Wen man ihn wermbt, fliest er woll, allein so baldt es wider kalt wirdt, wirdt es hart, kan also auff keine augen geschmirt [werden], es seye dan, daß man etwaß drin mischen könte, so es bey dem dün sein behalten könte; aber wie ich Eüch schon einmahl gesagt, ich glaube, daß es der beaume blanc ist, so gantz wie ein öhl ist, also leicht geschmirt kan werden. Wen es daß ist, so last mirs nur kecklich wißen! Wir haben hir gar gutten undt ich werde Eüch keinen fehlen laßen. Ma tante, unßere liebe churfürstin, hatt mir geschrieben, wie Ihr so ein schön specktackel in der statt gesehen hatt; solche sachen seindt sehr amussant. Man inventirt recht artig sachen nun, ein Carm hatt dem könig ein gemähls gemacht. Ihr wist vielleicht nicht, waß ein Carm ist; es ist ein mönch, man heist ihn le père Sebastien. Der hatt das gemahls gemacht, wo mehr alß hundert stück sich in regen, weiber wäschen undt schlagen die wäsch, mäner hauen holtz, beschlagen pferdt, zwey sägen, andere sitzen in chaissen undt grüßen, einer grüst etliche mitt der handt, [158] andere zieht er den hut ab, ein bettler zieht den hut ab undt betelt, wen die leütte vorüber sein, setzt er den hudt wider auff, damen sitzen in kutzschen, fahren über eine brück undt grüßen mitt dem kopff; auff dem schloßthor ist eine uhr, so recht woll geht, es seindt viel windtmühlen undt auch eine waßermühl; von weittem ist ein mehr, wo schiff im follem segel gehen. Waß auch noch recht artig in dießem gemahls zu sehen ist, daß ist ein raht, so auß der steingruben steine zicht; biß der stein auß der gruben, geht es schwer undt langsam her, wen aber der stein herunder, so leüfft daß raht gar geschwindt, recht wie es in der that zugeht. Es ist auch ein mängen, so mitt der angel fischt; zweymahl zicht er den angel undt zicht nichts, aber daß 3 oder 4 mahl zicht er ein fisch, nimbt in von der angel undt wirfft [ihn] wider ins waßer. Es seindt auch schwanen undt enten, so auff dem waßer schwimen. Ich glaube, daß ich die helffte vergeß von alles, so in dem gemahls ist, recht artig zu sehen. Gott gebe, daß unßere liebe churfürstin bey dießem rawen schneewetter kein husten noch schnupen nach hauß bringen mag! die seindt nun gar gemein. Ich habe auch ein wenig mein theil davon gehabt. Ich admirire, daß ma tante noch lust in verkleydten nehmen kan; da frag ich gantz undt gar nichts mehr nach, begreiffe viel mehr die lust, in seiner cammer zu sein mitt seinen gutten freünden. Daß ist deß jungen herr von Degenfelts alter gemäß, sich warm undt müht zu dantzen. Wen madame Kilmanseck keine jüngere zu gast bitt, alß signeur Ortence,[1] wirdt ihre malzeit kein scandal geben. Signeur Ortance muß nicht weit von 80 jahren sein; den ich bin ja nun morgen 57 jahr undt 8 monat alt undt er war ein gestandener man, wie ich noch ein kindt von 8 jahren war. Er war allezeit in meiner cammer, den er war verliebt von mein wäschmedgen, so die fraw von Harling auch dinte undt Felitz[2] hieß, diß ist eine alte geschicht. Man kan nicht trawerig sein über eine fraw, so man nicht kendt; den ich glaub nicht, daß die Kielmanseck bey ihrer schwigermutter geweßen ist. Wir müßen woll von bagattellen reden, staadtssachen weiß ich warlich nicht, philosophie verstehe ich nicht undt noch weniger die theologie, also muß man ja woll mitt mir reden, [159] worauff ich andtwortten kan. Die schuh, umb den rießen zu meßen, wuste ich noch woll, aber den zohl hatte ich vergeßen,[3] doch glaube ich, daß ein zohl mehr, alß ein pouce, ist; den wo mir recht ist, so ist ein zohl, wen man die faust zumacht undt den daumen in die höhe helt, un pouce aber ist nur in der that ein großer mansdaumen breyt. Ich bin froh, daß ma tante Eüch mitt ein pressent ihr affection bezeügt hatt. Daß ist nicht außzuschlagen, liebe Louisse! Sonst ist der neüjahrstag ein verdrießlicher tag hir eben so woll, alß in Teütschlandt. Ich dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor alle gutte wünsche, so Ihr mir thut, undt versichere Eüch, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Januar 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 157–159
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0458.html
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