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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 10 April 1710.
Hertzliebe Louise, Ihr werdet eine post sein, ohne meine
schreiben zu entpfangen; den ich habe gemeint, daß Ihr nach
Wetzelar verreist wehret. Ich habe Eüch schon offt gesagt, liebe
Louisse, daß Ihr gar nicht zu fürchten habt, zu offt mitt Ewern
brieffen zu kommen; den sie seindt mir allezeit lieb undt
ahngenehm. Es ist mir recht leydt, daß Ewere augen wider schlim
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sein, aber Ihr gebt Eüch selber der zeit nicht, zu couriren; den
so baldt Ewere augen ein wenig beßer sein, macht Ihr sie wider
mitt viellem schreiben übel; Ihr soltet wartten, biß Ihr wider gantz
courirt ist.
[1] Daß arme printzgen, so dießen Januari
[2] gebohren,
mögte es woll nicht lang machen; den es fahlen ihm offt dicke
schleim im halß, daß man meint, daß er ersticken wirdt, daß gantz
bleich undt schwartz wirdt. Wünschen, liebe Louisse, daß es
gerecht in der weldt zugehen [möge], ist woll ein unnöhtiger wünsch;
den wen man in der weldt gelebt hatt, sicht man woll, daß es
ohnmöglich ist, den unßere wünsche endern der weldt lauff nicht,
liebe Louisse! Auch würde man nicht wißen, waß tugendt ist, wen
keine laster wehren. So lang ich in der weldt, gestehe ich, daß
ich gern daß gutte sehen möge; wen ich aber todt werde sein,
bekümere ich mich nicht, waß nach mir geschehen mag; es ist
charitabler, wie Ihr denckt, aber naturlicher, wie ich dencke.
Last Ich
[3] nicht betriegen, liebe Louisse! Den devotten ist
der rechte weg von dem handtwerck, sie stellen sich all devot ahn.
Wen Eüch nur daß glauben macht, daß der erbprintz von humor
geendert ist, so ist die sach noch nicht sicher. Die mascarade hatt
der erbprintzes die kinderblattern nicht geben, glaub auch nicht,
daß unßer herrgott nach unßern kleydern fragt, wen man sonsten
keine böße intention hatt; also glaube ich auch nicht, daß [das] gelübte
vom erbprintz unßerm herrgott ahngenehm sein wirdt. Mich
verlangt, zu erfahren, ob die zeittung von hertzog Anthon Ulrich
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war ist oder nicht. Waß mich glauben macht, daß es war ist, ist,
daß er ma tante nichts auff dießen text geantwortet hatt. Gott sey
danck, daß ma tante nun woll ist, undt erhalte I. L. viel undt
lange jahren in volkommener gesundtheit! Ist der churfürst von
Braunsweig lustig genung, umb gern zu haben, daß man ihn zu
gast bitt? Daß der frieden nicht zu hoffen, were mir woll von
hertzen leydt, aber biß die commissaire wider kommen, will ich
noch daß beste hoffen. Hiemitt ist Ewer schreiben, liebe Louisse,
beantwortet, so ich vergangen montag entpfangen vom 10 Mertz.
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Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit lieb
behalte!