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Brief vom 31. Mai 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


475.


[178]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 31 May 1710.
Hertzallerliebe Louise, vor etlichen habe ich ungefehr die holländische zeittung geleßen undt darinen eine zeittung, welche mir recht von hertzen leydt ist, nehmblich den todt von herr [179] Ferdinand von Degenfelt,[1] undt weillen ich nicht zweyffle, daß Eüch dießer todt auch sehr wirdt zu hertzen gangen sein, alßo sage ich Eüch hiemitt, daß ich Eüch von hertzen beklage; den nichts ist betrübter, alß freündt undt verwantten zu verliehren. Ich meinte nicht, daß er so alt were, alß in den gazetten stehet; den sie sagen, daß er 80 jahr alt geweßen seye. Ich höre nicht gern, daß die 80jahrige leütte sterben. Es ist mir alß gar zu bitter bang vor unßere liebe churfürstin, ma tante. Es ist lenger, alß 14 tag, daß ich kein schreiben von Eüch entpfangen. Es were mir leydt, wen die brieffe nicht mehr gehen. Daß letzte paquet, so ich von Eüch entpfangen, liebe Louisse, war daß mitt dem pflaster von Nürnberg, worauff ich gleich geantwortet habe undt meine schuldige dancksagung abgelegt. Seyder dem habe ich kein wordt von Eüch vernohmen. Gott gebe, daß es der post schuldt sein mag undt daß Ihr Eüch, liebe Louisse, nicht mögt übel befunden haben! Ich wage dießes schreiben noch undt adressire es geradt nach Franckfort, entpfange ich aber keine von den Ewerigen, oder daß ich durch eines von Eweren schreiben vernehme, daß Ihr die meine nicht entpfangt, werde ich hinfüro die meinen nach Hannover schicken; so werdt Ihr sie zwar langsamer, aber doch sicher bekommen. Von hir kan ich Eüch nicht viel neües sagen. Wir seindt hir seyder vergangen montag abendts undt werden zukünftigen donnerstag wider nach Versaillen wegen der pfingstfest undt der einweyung der neüen capel, so etwaß gar schönnes ist. Alle scheiben seindt wie große spiegel von spigelglaß, alles ist vergült darzwischen. Die gantze capel ist gar schön gemahlt, in der mitten ist gott der vatter, so engel in einer wolcken halten, undt rings herumb seindt chor engel von allerhandt façon; über deß königs tribune ist ein pfingsten gemahlt, wie die feürige zungen auff die apostel undt alle nationen …; dießes stück ist, waß mir ahm besten gefahlt; geraht gegenüber ist, wie unßer herr Christus auß dem grab ersteht; alle andere tribunen seindt die 12 apostellen, zwischen den gemahls ist eine mossaique von blau undt grün undt golt, die 4 evangelisten [180] seindt so gemahlt. Die balustrade ist von blinckendt bronze undt die lehnen drauff seindt in allen tribunen von weiß undt violet marber, große pfeyller von stein, so schneeweiß sein, separiren die tribunen, suma alles ist magnifiq undt schön.[2] Es ist heütte eine hitze, daß man sich nicht zu behelffen weiß. In welchem standt ich mich aber befinden möge, so seydt versichert, lieb Louisse, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. Mai 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 178–180
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0475.html
Änderungsstand:
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