[178]
A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Marly den 31 May 1710.
Hertzallerliebe Louise, vor etlichen habe ich ungefehr die
holländische zeittung geleßen undt darinen eine zeittung, welche
mir recht von hertzen leydt ist, nehmblich den todt von herr
[179]
Ferdinand von Degenfelt,
[1] undt weillen ich nicht zweyffle, daß Eüch
dießer todt auch sehr wirdt zu hertzen gangen sein, alßo sage ich
Eüch hiemitt, daß ich Eüch von hertzen beklage; den nichts ist
betrübter, alß freündt undt verwantten zu verliehren. Ich meinte
nicht, daß er so alt were, alß in den gazetten stehet; den sie sagen,
daß er 80 jahr alt geweßen seye. Ich höre nicht gern, daß die
80jahrige leütte sterben. Es ist mir alß gar zu bitter bang vor
unßere liebe churfürstin, ma tante. Es ist lenger, alß 14 tag, daß
ich kein schreiben von Eüch entpfangen. Es were mir leydt, wen
die brieffe nicht mehr gehen. Daß letzte paquet, so ich von Eüch
entpfangen, liebe Louisse, war daß mitt dem pflaster von Nürnberg,
worauff ich gleich geantwortet habe undt meine schuldige
dancksagung abgelegt. Seyder dem habe ich kein wordt von Eüch
vernohmen. Gott gebe, daß es der post schuldt sein mag undt daß
Ihr Eüch, liebe Louisse, nicht mögt übel befunden haben! Ich wage
dießes schreiben noch undt adressire es geradt nach Franckfort,
entpfange ich aber keine von den Ewerigen, oder daß ich durch
eines von Eweren schreiben vernehme, daß Ihr die meine nicht
entpfangt, werde ich hinfüro die meinen nach Hannover schicken;
so werdt Ihr sie zwar langsamer, aber doch sicher bekommen.
Von hir kan ich Eüch nicht viel neües sagen. Wir seindt hir
seyder vergangen montag abendts undt werden zukünftigen donnerstag
wider nach Versaillen wegen der pfingstfest undt der einweyung
der neüen capel, so etwaß gar schönnes ist. Alle scheiben seindt
wie große spiegel von spigelglaß, alles ist vergült darzwischen. Die
gantze capel ist gar schön gemahlt, in der mitten ist gott der vatter,
so engel in einer wolcken halten, undt rings herumb seindt chor
engel von allerhandt façon; über deß königs tribune ist ein pfingsten
gemahlt, wie die feürige zungen auff die apostel undt alle
nationen …; dießes stück ist, waß mir ahm besten gefahlt; geraht
gegenüber ist, wie unßer herr Christus auß dem grab ersteht; alle
andere tribunen seindt die 12 apostellen, zwischen den gemahls ist
eine mossaique von blau undt grün undt golt, die 4 evangelisten
[180]
seindt so gemahlt. Die balustrade ist von blinckendt bronze undt
die lehnen drauff seindt in allen tribunen von weiß undt violet
marber, große pfeyller von stein, so schneeweiß sein, separiren die
tribunen, suma alles ist magnifiq undt schön.
[2] Es ist heütte eine
hitze, daß man sich nicht zu behelffen weiß. In welchem standt ich
mich aber befinden möge, so seydt versichert, lieb Louisse, daß ich
Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!