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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Marly den 12 Julli 1710.
Hertzallerliebe Louisse, monsieur von Weissenbach ist vor 3
tagen ahnkommen undt hatt mir, ehe ich von Versaille weg bin,
die schachtel überliefert mitt denen 4 bouteilger von dem gutten
beaume universel, wie auch viel schachteln mitt Nürnberger pflaster
undt Ewern lieben brieff vom 26 May. Ich meinte, ich hette ihn
in ein portletter
[1] gethan mitt dem von ma tante, wie ich gewondt,
zu thun, wen ich ein schreiben geleßen; ich muß es aber zu
Versaille auff meiner taffel gelaßen haben, den ich finde ihn nirgendts,
dancke Eüch gar sehr vor alles. Der beaume hatt gleich ein miracle
gethan. Eine von meinen cammerweiber hatt continuirliche
haubtschmertzen, auch so, daß sie offt außsicht wie der todt. Ahn deren
habe ich gleich versucht, ist ihr über die maßen woll bekommen.
Ich finde den geruch recht ahngenehm davon. Biß ich aber Ewer
schreiben widergefunden, kan ich weytter nicht auff Ewern lieben
brieff andtwortten, aber woll auff daß vom 29 Juni, so ich den tag
bekommen, wie wir herkommen, mitt eim schreiben von der fürstin
von Homburg. Der habe ich auch schon geantwort. Hette sie ahn
einen Frantzoßen zu fordern, würde ich mich gern dazu employirt
haben, aber gegen dem gutten graff von Hannau, den ich, so zu
sagen, schir bey mir hir erzogen worden, undt ich habe auch seinen
heüraht gemacht, kan also ohnmöglich gegen ihm bey dem könig
solcitiren. Alles, waß ich zu ihren dinsten thun kan, ist, neüstre
zu bleiben undt mich gantz nicht in die sach mischen. Ich bitte
Eüch, informirt Eüch, ob sie mein schreiben entpfangen hatt! Habe
unmöglich der weill gehabt, es mitt eigener handt zu andtwortten
wegen der unerhörten menge leütte, so wegen unßers heürahts wider
kommen sein, glück zu wünschen, undt erschrecklich viel brieffe.
Dießes wehrt, den heütte habe ich noch ein halb dutzendt
entpfangen. Ihr habt mich mitt dem ahnfang von Ewerem brieff recht
offendirt. Meint Ihr den, liebe Louisse, daß Ihr mir mitt Ewern
lieben schreiben belästigt sein könt? Daß verdriest mich recht;
den ich hette gern, daß Ihr glauben mögt, daß mir Ewere liebe
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brieff allezeit ahngenehm sein, wie es dan in der that war ist.
Douay ist lengst über. Mich deücht, daß je mehr [man] den
frieden wünscht, je mehr bleibt er zurück. Auffs wenigst wünsche ich,
daß Ihr in Ewerm frieden zu Wetzlar mögt volzogen haben, hoffe,
es mitt dem ersten brieff zu erfahren, den Ihr mir nach Ewerer
wetzelarische reiße schreiben werdet. Von hir kan ich Eüch nicht
viel neües sagen. Wir seindt hir seyder mittwog undt haben schon
2mahl den hirsch [gejagt], die jagten seindt aber nicht schön
geweßen. Gestern hette die fraw von Rotzenhaussen, so ich noch alß
Lenor heyße, schir [das leben verloren]. Sie kan nicht hir schlaffen,
weillen man zu eng logirt; sie kompt aber alle tag zwischen 11
undt zwolffen morgendts her, ist zu mittag undt zu nacht hir undt
fehrt den wider nach Versaille, so nicht weit von hir ist, den man
fahrt in 3 viertelstundt her. Gestern, wie sie herunder fahren wolt,
gingen die pferdt mitt ihr durch; der kutscher wolte die pferde
threhen, umb sie einzuhalten, aber die pferde stießen gegen ein holtz
mitt solcher macht, daß der kutscher vom sitz zwischen den pferden
fiel, die fortrenten. Daß raht ging dem kutscher über dem kopff,
undt wer ein kleiner gehertzter bub nicht den pferden in den zügel
gefallen, hette Lenor ohne zweyffel den halß gebrochen, aber, gott
sey danck, sie hatt nur die angst undt schrecken davon gehabt
undt ist frisch undt gesundt davon kommen undt ist da bey mir.
Adieu, liebe Louisse! Ich behalte Eüch all mein leben von
hertzen lieb.