Seitenbanner

Brief vom 12. Juli 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


480.


[187]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 12 Julli 1710.
Hertzallerliebe Louisse, monsieur von Weissenbach ist vor 3 tagen ahnkommen undt hatt mir, ehe ich von Versaille weg bin, die schachtel überliefert mitt denen 4 bouteilger von dem gutten beaume universel, wie auch viel schachteln mitt Nürnberger pflaster undt Ewern lieben brieff vom 26 May. Ich meinte, ich hette ihn in ein portletter[1] gethan mitt dem von ma tante, wie ich gewondt, zu thun, wen ich ein schreiben geleßen; ich muß es aber zu Versaille auff meiner taffel gelaßen haben, den ich finde ihn nirgendts, dancke Eüch gar sehr vor alles. Der beaume hatt gleich ein miracle gethan. Eine von meinen cammerweiber hatt continuirliche haubtschmertzen, auch so, daß sie offt außsicht wie der todt. Ahn deren habe ich gleich versucht, ist ihr über die maßen woll bekommen. Ich finde den geruch recht ahngenehm davon. Biß ich aber Ewer schreiben widergefunden, kan ich weytter nicht auff Ewern lieben brieff andtwortten, aber woll auff daß vom 29 Juni, so ich den tag bekommen, wie wir herkommen, mitt eim schreiben von der fürstin von Homburg. Der habe ich auch schon geantwort. Hette sie ahn einen Frantzoßen zu fordern, würde ich mich gern dazu employirt haben, aber gegen dem gutten graff von Hannau, den ich, so zu sagen, schir bey mir hir erzogen worden, undt ich habe auch seinen heüraht gemacht, kan also ohnmöglich gegen ihm bey dem könig solcitiren. Alles, waß ich zu ihren dinsten thun kan, ist, neüstre zu bleiben undt mich gantz nicht in die sach mischen. Ich bitte Eüch, informirt Eüch, ob sie mein schreiben entpfangen hatt! Habe unmöglich der weill gehabt, es mitt eigener handt zu andtwortten wegen der unerhörten menge leütte, so wegen unßers heürahts wider kommen sein, glück zu wünschen, undt erschrecklich viel brieffe. Dießes wehrt, den heütte habe ich noch ein halb dutzendt entpfangen. Ihr habt mich mitt dem ahnfang von Ewerem brieff recht offendirt. Meint Ihr den, liebe Louisse, daß Ihr mir mitt Ewern lieben schreiben belästigt sein könt? Daß verdriest mich recht; den ich hette gern, daß Ihr glauben mögt, daß mir Ewere liebe [188] brieff allezeit ahngenehm sein, wie es dan in der that war ist. Douay ist lengst über. Mich deücht, daß je mehr [man] den frieden wünscht, je mehr bleibt er zurück. Auffs wenigst wünsche ich, daß Ihr in Ewerm frieden zu Wetzlar mögt volzogen haben, hoffe, es mitt dem ersten brieff zu erfahren, den Ihr mir nach Ewerer wetzelarische reiße schreiben werdet. Von hir kan ich Eüch nicht viel neües sagen. Wir seindt hir seyder mittwog undt haben schon 2mahl den hirsch [gejagt], die jagten seindt aber nicht schön geweßen. Gestern hette die fraw von Rotzenhaussen, so ich noch alß Lenor heyße, schir [das leben verloren]. Sie kan nicht hir schlaffen, weillen man zu eng logirt; sie kompt aber alle tag zwischen 11 undt zwolffen morgendts her, ist zu mittag undt zu nacht hir undt fehrt den wider nach Versaille, so nicht weit von hir ist, den man fahrt in 3 viertelstundt her. Gestern, wie sie herunder fahren wolt, gingen die pferdt mitt ihr durch; der kutscher wolte die pferde threhen, umb sie einzuhalten, aber die pferde stießen gegen ein holtz mitt solcher macht, daß der kutscher vom sitz zwischen den pferden fiel, die fortrenten. Daß raht ging dem kutscher über dem kopff, undt wer ein kleiner gehertzter bub nicht den pferden in den zügel gefallen, hette Lenor ohne zweyffel den halß gebrochen, aber, gott sey danck, sie hatt nur die angst undt schrecken davon gehabt undt ist frisch undt gesundt davon kommen undt ist da bey mir. Adieu, liebe Louisse! Ich behalte Eüch all mein leben von hertzen lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Juli 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 187–188
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0480.html
Änderungsstand:
Tintenfass