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Brief vom 2. August 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


483.


[192]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 2 Augusti 1710.
Hertzallerliebe Louisse, vor ein par stunden seindt wir wider hir ahngekommen. Zu Marly habe ich vor zwey oder 3 tagen Ewern lieben brieff von Wetzlar vom 18 Julli entpfangen. Ein tag zuvor, ehe ich Ewer schreiben bekommen, habe ich eines auß Engellandt von mademoiselle de Malauze[1] entpfangen, welche mir Ewern verlust von Ewer niepce schreibt, weßwegen ich Eüch hirbey mein mittleyden bezeüge, beklage Eüch von hertzen; den wen man schon eine große betrübtnuß gehabt hatt undt einem so wider waß betrübtes zustöst, emeüert sich alles wider. Ich weiß, wie [es] thut, den ich habe durch experientz erfahrn, beklage also von hertzen, die ich in selbe noht sehen, insonderheit, wen ich sie lieb [193] habe wie Eüch, liebe Louisse! Es scheindt woll, daß es geht wie in dem lutherischen liedt steht: Vor dem todt kein kraut gewacksen ist, mein lieber Christ, alles auff erden sterblich ist; den sonst ist ja kein ort in der weldt, wo man beßere remedien vor die kinderblattern hatt, alß eben in Engellandt, undt all eben woll stirbt man dort wie anderwerdts. Ich weiß nicht, ob Ihr den printz d’Auvergne gekendt habt. Der ist nun auch ahn den kinderblattern gestorben, hatt sie von seiner gemahlin bekommen; die, ob zwar schwanger mitt zwey kindern, ist davon kommen undt ihr herr gestorben. Darauß erscheindt daß verhengnuß noch woll clar. Were es frieden, könte Ihr hoffen, daß Ewer neveu lenger leben würde, alß Ihr, aber mitt dem ewigen krieg ist wenig zu hoffen; den ich glaube, daß der krieg nicht auffhoren wirdt, biß man auff jede seyden niemandts mehr hatt undt alles ermordt wirdt sein. Vor alle gutte wünsche zu meines enckels heüraht dancke ich Eüch sehr, liebe Louisse! Der tittel von altesse royalle geht hir nicht weytter biß auff les petits enfants de France, alß meine kinder; meines enckels kinder werden es auch führen, den der duc de Bery passirt vor enfant de France.
Gestern hatte ich dießen brieff ahngefangen, meinte, heütte gelegenheit zu finden, ihn außzuschreiben, aber da kompt mein duc de Bery herein, muß also wider mein willen schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Euch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. August 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 192–193
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0483.html
Änderungsstand:
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