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Brief vom 24. August 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


487.


[196]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 24 Augusti 1710.
Hertzallerliebe Louisse, dießen nachmittag habe ich Eüern lieben brieff vom 15 dießes monts zu recht entpfangen. Ihr secht woll durch meine fleißige andtwortten, wie ahngenehm Ewere [197] schreibben mir sein. Von Ewere betrübtnüßen will ich nichts mehr sagen, so woll wegen arme Amelise alß Ewere niepce, den daß erneüert nur die betrübtnuß, die doch zu nichts nicht hilfft, alß kranck zu machen, womitt weder todten noch lebendigen gedint ist. Daß alles von gott über unß verhengt ist, waß unß geschehen sol, ist woll [gewis, und ich] kan nicht begreiffen, wie man es bestreitten [mag]; den man verspürts ahn sich selbsten undt ahn andere. Man kan nichts gegen die enpfindtlichkeit lehrnen, liebe Louise! Daß muß seinen gang haben, daß bringen wir mitt auff die weldt undt hört nicht ehe auff, biß die seele vom leib scheidt. Es ist woll gethan, nach dem ewigen leben zu trachten, allein sanct Paulus lernt ja, daß es nicht ahn jemandts lauffen ligt, sondern daß die allein daß ziehl erreichen, welchen gott es vorsehen hatt. Ich forchte, den frieden nicht zu erleben undt kan nicht erdencken, wie er kommen könte, glaube, daß es gott der allmächtige allein weiß, aber kein mensch es errahten kan. Gott gebe es baldt! Daß hette ich woll errahten, daß, wie ma tante, unßer liebe churfürstin, alle[i]n zu Hernhaussen geblieben, daß sie dero enckel würde mitt sich eßen machen. Mich wundert, daß der geistliche Ittalliener geistlich erschienen, da er nach Hollandt undt Engellandt geht; den ordinarie nehmen sie andere kleyder, thun gravatten undt degen ahn. Weillen dieße Ittalliener so dicke kopff haben, könten sie eher vor Lutteraner, alß catholische, [gelten]. Seyder gestern haben wir auch zimlich kühle lufft hir; man meint doch, daß es die trauben noch nicht verderben kan. Ich weiß woll, daß ahnstatt trauben hopffen zu Hannover wacksen. Waß drinckt Ihr zu Hannover, bier oder wein? Wie ich dort war, dranck ich minder bier, aber zuletzt ein wenig puren wein, ist mir woll bekommen. Wir haben, seyder wir hir sein, nehmblich seyder mitwogen, zwey schönne hirschjagten gethan, ich in caleschen undt alle junge bursch zu pferdt. Mein gott, wie alles endert! Vor dießem, wie ich noch jung war, hette ich woll nicht erdencken konnen, daß ich ohne mühe reytten sehen konte, wen ich nicht selber mitt reytten solte; nun frag ich kein haar mehr darnach undt dencke kaum, daß ich mein leben geritten habe. Es ist gar nichts neües hir, schließe also nur mitt dem alten, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. August 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 196–197
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0487.html
Änderungsstand:
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