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Brief vom 21. September 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


492.


[202]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Versaille den 21 September 1710.
Hertzallerliebe Louisse, man helt mir etlich mahl ma tante gnädige schreiben 2 undt 3 tag auff, jedoch so gehen die brieffe, so kommen, noch geschwinder, alß die meine nach Hanover; den ich bekomme sie nur den 10ten tag undt sehe durch waß Ihr mir schreibt, daß Ihr, lieb Louisse, die meine erst in 12 tagen überkompt, weillen Ihr mein brieff, liebe Louisse, von 31 Augusti erst den 12 September entpfangen habt, undt wie Ihr segt,[1] so habe ich den Ewerigen vom 12 heütte morgen entpfangen, also nur 10 tag alt worden. Ich flatire mich, daß Eüch meine brieffe nicht unahngenehm sein; drumb wen ich zeit habe undt es mir möglich ist, schreibe ich Eüch, liebe Louisse, ob ich gleich kein brieff von Eüch habe. Alle damen dörffen nicht mitt auff die jagt, nur die, welche die duchesse de Bourgogne nent. Mein gott, liebe Louisse, habt Ihr schon grawe haar? Daß nimbt mich wunder. Vor 50 jahren hatte ich noch keine, seindt mir erst hernach kommen, aber nun bin ich schneeweiß, aber ich gehe doch noch auff die jagt; den ich spüre, daß es mir gesundt ist, will lieber ein wenig ridicule sein undt gesunder bleiben, aber ich muß gestehen, daß in caleschen jagen langweillig ist, wen mans zu pferdt gewondt ist. Ihr seydt noch nicht in dem alter, wo man so müde von allen divertissementen ist. Waß werdt ihr den thun, wen Ihr in meinem alter sein werdet? Aber dießes alles ist, nachdem man von humor ist; den die fraw von Ratsamshaussen lacht noch mitt eben so guttem hertzen, alß wen sie nur 15 jahr alt were, ich hergegen lache gar selten. Ein gutter beüttel ist zu allen zeitten gutt, aber daß wirdt gar rahr [203] in jetzigen zeitten. Es ist mir lieb, daß ma tante Ewer beüttel verbeßert hatt. Ich weiß nicht, ob man in Teütschlandt mitt taußendt thaller fortkommen kan, hir were es ohnmöglich. Es ist eine rechte schandt, daß Churpfaltz Eüch daß Ewerige so zurück helt, undt desto mehr, daß Ihr nun gantz allein von allen raugrafflichen kindern seydt. Ihr hettet groß unrecht gehabt, wen Ihr ma tante gnaden außgeschlagen hette; den waß auß freündtschafft kompt, muß man nie abschlagen. Der könig in Preüssen ist reicher, alß der churfürst zu Braunsweig undt ma tante, also kein wunder, daß ihre leütte beßer bezahlt werden undt größere besoldungen haben. Meine hoffmeisterin hatt 8 taußendt francken, aber sie muß alle ihre bedinten undt eygene kutsch unterhalten. Zum neuen jahr bekompt sie nichts, alß bagatellen. Ich glaube leicht, daß, wen es nicht auß lieb vor ma tante were, daß Ihr lieber vor Eüch selber leben würdet, alß bey hoff sein; anderwerts wolte ichs Eüch auch nicht rahten. Ich wolte woll wetten, daß deß konigs von Spanien unglück keinen frieden bringen. Man will hir die macht nehmen undt Spanien auch undt ahn frieden denckt man nicht. Mich wundert, daß ma tante nicht müde wirdt, allezeit ahn einem ort zu spatziren. Ich endere gern meine promenaden undt werde einen schönnen gartten ehe müde, alß einen wilden waldt, oder wießen mitt weyden-bäume undt bächen. Aber es wirdt spät. Wir haben nichts neües hir undt ich habe Ewern brieff beantwortet, bleibt mir also nichts überig, alß Eüch zu versichern, daß ich Eüch, liebe Louise, all mein leben lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. September 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 202–203
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0492.html
Änderungsstand:
Tintenfass