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Brief vom 6. November 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


498.


[210]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Göeur.

Marly den 6 November 1710.
Hertzallerliebe Louisse, gestern hatt man mir 2 von Eüern [211] lieben schreiben gebracht, eines vom 28 October, noch von Herrnhaußen, bey welchem die vers undt zeittungen von der verwitibten königin in Denemarck undt die seeschlagt. Zu den versen auff ma tante devisse zu ihrem geburdtstag sage ich von hertzen amen, gefahlen mir woll. Ich bin woll Ewerer meinung, die[1] die wolffenbudelsche vers nicht so gutt sein. Hir regnets alle nacht undt den tag über ist es daß schönste wetter von der weldt, habe mein leben keinen schönnern herbst gesehen, alß dießen. Daß ist alles, waß ich auff [das] erste schreiben sagen kan, ich komme auff daß zweytte. Muß doch noch vorher sagen, das ich vorgestern woll den erschrecklichsten schrecken gehabt, so ich mein leben außgestanden. Umb es mitt wenigen wortten zu verzehlen, so müst Ihr wißen, liebe Louise, daß vergangen dinstag, wie wir alle die St Hubert celebrirten undt schon einen hirsch gefangen hatten undt den andern renten, sehe ich einen daher renen, der stürtzt mitt dem pferde. Ich meinte erst, es were ein piqueur, sahe woll, daß er sehr blessirt war; den er hatte mühe, auffzustehen. Wie man ihm auffhilfft undt ich ihn ins gesicht sehe, war es mein sohn. Denckt, wie mir zu muht war! Ich nahm ihn in mein calesch, führt ihn her; der schmertzen war aber abscheülich, konten nicht wißen, ob der arm gebrochen oder verrengt war; es hatt sich doch gefunden, daß er nur verengt. Wie es aber just die axel war, woran mein sohn schon 2mahl verwundt undt wo man ihm nerven abgeschnitten, so war der sehmertzen so erschrecklich, daß er war wie ein mensch, daß in den zügen ligt So baldt die axel wider eingericht, hatt er keinen schmertzen mehr entpfunden, ist nun wider woll undt man hatt ihn zur ader gelaßen. Er helt die cammer nicht, hatt den arm in einer schärp undt geht überall herrumb. Es ist eine halbe stundt, daß er da bey mir sitzt. Nun komme ich wider auff Ewer schreiben vom 25 October. Es erfrewet mich von hertzen, daß ma tante ihre reiß nach der Goer so gesundt undt woll volbracht. Daß erweist, daß I. L. noch alle dero kräfften haben, wobey der allmächtige sie noch gar lange jahren erhalten wolle. Fahren kan niemandts schaden, alß schwangern weibern. Was in meinem sin mehr zu fürchten war, ist die kalte küche; den daß ist gefahrlich vor den magen, gibt leicht den durchlauff. Ich finde, daß [212] der churprintz undt seine gemahlin es beßer gemacht haben, alß der churfürst undt hertzog Ernst August. Ich kan nicht leyden, daß die ihrer fraw mutter nicht beßer auffwartten. Ihr habt mir … Da kompt die duchesse de Bery herein undt so viel leütte, daß ich wider meinen willen schließen muß, sage Eüch doch noch in eyll danck, mir die reiße beschrieben zu haben, welches mir ein rechte freüde zu leßen geweßen. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertz[en] lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. November 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 210–212
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0498.html
Änderungsstand:
Tintenfass