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Brief vom 18. Februar 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


512.


[230]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 18 Februari 1711.
Hertzallerliebe Louisse, vergangenen sontag abendts, wie ich eben in die musiq gehen solte, bin ich mitt Ewer schreiben vom 2 Februari erfrewet worden, konte also kaum ahn ma tante sagen, daß ich ihr gnädig schreiben entpfangen hatte. Wie kan der [231] churfürst über sein hertz bringen, seines he. sohns gemahlin so ohne geldt zu laßen? Daß ist ihm ja selber eine schande. Wen sie pressenten thun will, solte es der churfürst bezahlen. Er muß ein wenig karg sein, unter unß gerett, oder vielleicht ziehen andere leütte so viel von ihm, daß die im hauß nichts mehr bekommen können. Ich kan nicht begreiffen, wie ma tante, unßere liebe churfürstin, im bett schreiben kan, daß were mir ohnmöglich.[1] Waß mich glauben macht, daß ich nicht lang leben werde, ist erstlich weillen ich schon alt bin, zumb andern weillen mein herr vatter undt fraw mutter kein hohes alter erreichet, hernach auch weillen ich ahnfange, nicht mehr so gesundt zu sein, alß ich geweßen, einen gar kurtzen ahtem bekomme,[2] nicht mehr so woll schlaffe, alß vor dießem, abendts nicht mehr recht zu nacht eßen darff, viel verdrießlichkeiten außstehen muß, die ich alle in mir eße, sonsten wenig freüde habe. Es were zu lang, wen ich alles sagen solte, wie es mitt mir ist, aber ich versichere, daß mich dießes weder betrübt noch erfrewet, undt solte ich baldt sterben, würde ich den trost haben, ma tante nicht zu überleben. Nützlich bin ich woll gar nicht in dießer weldt,[3] mein leben ist zu schlegt undt gemein, umb zum exempel zu dinnen können. Ich bin Eüch sehr verobligirt, lieb Louisse, so gutte opinion von mir zu haben undt mir so viel guttes zu wünschen. Seydt versichert, daß ich gott auch fleißig vor Eüch bitte, auch[4] alles zu geben, waß Eüch ahn leib undt seel nutz undt seelig mag sein! Waß mich nun ahm gehen hindert, seindt abscheülich schmertzen in den knien undt mein kurtzer abendt.[5] Gott seye danck, daß ma tante woll ist, undt erhalte I. L. noch lange jahren zu unßerm trost! Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb.
Donnerstag den 19 Februari.
Hertzliebe Louisse, ich muß Eüch noch mein freüde bezeügen über daß magnific pressent von ma tante, so heütte ahnkomen. Es freüdt mich von hertzen undt wirdt mir manche stundt zeitvertreib [232] geben. Ich glaube nicht, daß mein tableau mouvant mehr freüde hatt verursachen konnen, alß dieße medaillen bey mir.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Februar 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 230–232
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0512.html
Änderungsstand:
Tintenfass