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Brief vom 28. Februar 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


514.


[233]
Versaille den 28 Februari 1711.
Hertzallerliebe Louisse, hiemitt komme ich mein wordt halten undt auff Ewer liebes schreiben vom 13 dießes monts zu andtwortten, welches ich vorgestern nicht habe thun können. Die brieffe seindt lenger, alß nie, unterwegens, alß nie, weillen alle geweßer überloffen sein, von welchen man alle tag ein neü unglück hört; umb Orleans herumb seindt zwey taußendt menschen ersoffen. Hirbey werdet Ihr wider ein flaschgen mitt weißem balsam bekommen, wünsche von hertzen, daß es Eüch woll bekommen mag. Wen Ihr mirs werdet berichtet haben, werde ich Eüch mehr schicken, behalt, waß Eüch nohtig ist, undt versprecht,[1] waß ich[2] Eüch hernach schicken werde.[3] Der frantzosche feldtscherer ist vielleicht ein refugirter, den bey itzigen zeitten haben die bursch genung hir zu thun. Ich weiß viel damen hir, so auch dem beaume blanc auffs gesicht schmiren, wen er mitt esprit de vin zugericht wirdt. Monsieur s. hatt mirs einmahl auff daß gesicht schmiren wollen, ich habe es aber nie leyden wollen, will lieber sein mitt meinen runtzellen, alß weiße sachen auff mein gesicht schmiren, den ich haße allen schminck, kan kein rodt vor mich selber leyden. Mitt Ewerer erlaubnuß, liebe Louise, so gebt Ihr Eüch ein jahr mehr, alß Ihr habt. Ich bin ja 8 jahr alter, alß Caroline war; den ich erinere mich noch gar woll, daß wie ich daß erste mahl in Hollandt war im winter, schickte mir I. G. der churfürst einen gevatterbrieff, umb Caroline patte zu sein. Ich bin noch kein 59 jahr alt, also must Ihr nur 49 jahr alt sein, also ein jahr junger, alß Ihr meint. Mein fußschmertz haben sehr abgenohmen, aber meine knie deügen gantz undt gar nichts undt habe tag undt nacht schmertzen dran. Ich habe starcke opossitionen, umb nie in kein warm badt zu reißen können; erstlich so habe [ich] kein gelt, umb nach keinem badt zu reißen, incognito ist es mir nicht erlaubt, undt zum 3ten so würde man mir nicht erlauben, auß dem königreich zu [gehen]; man will mir nicht einmahl erlauben, in Lotheringen zu reißen, will geschweygen den nach Achen zu reißen können. Keine sclaven seindt ihren herrn mehr unterthan, alß daß [234] königliche hauß dem könig ist.[4] Es ist mir so leydt, daß so ein vorschlag unmöglich ist, daß ich nie dran dencken darff. Es ist mir woll von hertzen leydt, aber in dießem leben werden wir einander woll nie wider sehen; aber last unß nicht mehr von so trawerigen sachen reden! Bin ich den so jung, liebe Louise, daß ich Eüch, die ja 10 [jahre] junger seydt, alß ich, altfranckisch finden solte, wen ich daß glück hette, Eüch zu sehen undt zu ambrassiren? Nichts in der weldt macht stiller, alß die zu verliehren, so man lieb hatt, daß weiß ich nur zu woll. Wir haben gar nichts neües hir. Die hohe waßer halten alle courir auff; ich hatte mich heütte auff ein paquet von ma tante gespitzt, aber nichts bekommen; wen daß geschicht, kan ich nicht lustig sein. Es ist mir lieb, [daß] mein vetter, printz Wilhelm, so woll reussirt, den ich habe ihn recht lieb. Es choquirt mich recht, daß er nicht ahn mir denckt undt nichts sagen lest. Ey, liebe Louisse, ich habe es Eüch ja schon offt gesagt, daß Ewer liebe schreiben mich nie verdrießen können, contrarie, daß sie mir allezeit lieb undt ahngenehm sein. Adieu! Ich habe noch 3 brieff zu schreiben, kan also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Februar 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 233–234
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0514.html
Änderungsstand:
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