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Brief vom 16. April 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


521.


[243]
Marly den 16 April [1711].
Hertzliebe Louise, meine intention war, heütte gar exact auff Ewer liebes vom 30 Mertz zu andtwortt[en], so ich letztmahl nicht gekondt hatte, allein ich habe woll nicht erahten konnen daß unglück, so seyder dem geschehen, nehmblich, daß monsieur le Dauphin[1] [244] dinstag nachts umb 11 sterben [werde], da man ihn gantz außer gefahr gemeint. Daß fleckfieber hatt sich zu den kinderblattern geschlagen undt den gutten herrn erstickt.[2] Der könig ist selbe nacht gleich her, hatt aber verbiehten laßen, daß wir selbe nacht nicht her solten. Ich habe mich doch umb 12 wieder ahngethan, umb zu Monseigneur kinder zu gehen, welche ich in einer betrübtnuß gefunden, daß einen stein erbarmen mögt. Umb 3 uhr morgendts bin ich schlaffen gangen, habe aber kein aug zugethan biß umb 7, daß ich wider auffgestanden bin, umb her zu kommen, dem konig daß leydt zu klagen. Der hatt mich woll in der seelen touchirt, den er ist in der grosten betrübtnuß, daß ein mensch sein [kann]; all ebenwoll ist er nicht gritlich, spricht mitt jederman undt gibt ordre in alles undt man sicht eine soumission in gottes willen, die nicht außzusprechen, trost sich mitt dem einigen, daß Monseigneur beichtsvatter versichert, daß Monseigneur gewißen in einem gar gutten standt war, daß er hoffen konte, daß er auff [245] Ostern woll zum h. abendtmahl gangen, also seelig gestorben. Der könig redt so christlich, daß es einem recht zu hertzen geht, undt hatt mich gestern den gantzen tag flenen machen. Nachdem ich den könig gesehen, bin ich wider nach Versaillen undt abendts her. Ich habe heütte einen großen brieff ahn ma tante geschrieben, bin nauf zur printzes de Conti (ihre stiege hatt 56 hohe staffeln), bin zu madame la duchesse zu fuß durch den garten, habe hernach die königin in Engellandt entpfangen. Ich bin müde wie ein hundt, kan derowegen vor dießmahl ohnmoglich mehr sagen, alß daß, in welchen standt ich auch sein mag, daß ich Eüch, liebe Louisse, von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. April 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 243–245
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0521.html
Änderungsstand:
Tintenfass