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A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 14 May 1711.
Hertzallerliebe Louise, gestern habe ich Ewer liebes schreiben
vom 4 dießes monts zu recht entpfangen. Ich werde aber mühe
haben, drauff zu andtwortten; den ich habe den gantzen tag
bitterlich geweint, undt nicht ohne ursach, den ich habe heütte die
betrübte zeytung erfahren, daß meine dochter noch ihren elsten sohn
undt letzte dochter verlohren, undt die zwey jüngste printzen seindt
noch nicht außer gefahr, also zu fürchten, daß innerhalb 8 tagen
meine dochter alle ihre schönne undt liebe kinder verliehren wirdt.
Ich fürchte, sie wirdt auß leydt sterben oder den verstandt
verliehren; den die artige kinder wahren meiner dochter einige lust
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undt freüde. Alle menschen, die sie sahen, lobten ihren verstandt
undt schönheit. Es penetrirt mich gantz. Die gutte kinder, die 3,
so todt sein, schrieben mir alle wog; nun habe ich nur zu viel zeit,
zu schreiben. Die keyßerin ist auch woll zu erbarmen. Es
geschehen so viel unglück, alß wen die schalen von der offenbarung
St Johanis außgeschütt wehren.
[1] Glocken kan ich gar nicht
leyden, würde mir woll die ohren verstopffen, wen ich es hören solte.
Meine arme dochter ist schwanger, also sehr in gefahr. So
bußfertig der keyßer auch mag gestorben sein, bin ich sicher, daß
meine enckeln eher im himel sein. Ich wolte gern mehr schreiben,
allein mein kopff erlaubt mirs gar nicht, noch meine augen,
versichere nur, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.