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Brief vom 14. Mai 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


525.


[249]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 14 May 1711.
Hertzallerliebe Louise, gestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 4 dießes monts zu recht entpfangen. Ich werde aber mühe haben, drauff zu andtwortten; den ich habe den gantzen tag bitterlich geweint, undt nicht ohne ursach, den ich habe heütte die betrübte zeytung erfahren, daß meine dochter noch ihren elsten sohn undt letzte dochter verlohren, undt die zwey jüngste printzen seindt noch nicht außer gefahr, also zu fürchten, daß innerhalb 8 tagen meine dochter alle ihre schönne undt liebe kinder verliehren wirdt. Ich fürchte, sie wirdt auß leydt sterben oder den verstandt verliehren; den die artige kinder wahren meiner dochter einige lust [250] undt freüde. Alle menschen, die sie sahen, lobten ihren verstandt undt schönheit. Es penetrirt mich gantz. Die gutte kinder, die 3, so todt sein, schrieben mir alle wog; nun habe ich nur zu viel zeit, zu schreiben. Die keyßerin ist auch woll zu erbarmen. Es geschehen so viel unglück, alß wen die schalen von der offenbarung St Johanis außgeschütt wehren.[1] Glocken kan ich gar nicht leyden, würde mir woll die ohren verstopffen, wen ich es hören solte. Meine arme dochter ist schwanger, also sehr in gefahr. So bußfertig der keyßer auch mag gestorben sein, bin ich sicher, daß meine enckeln eher im himel sein. Ich wolte gern mehr schreiben, allein mein kopff erlaubt mirs gar nicht, noch meine augen, versichere nur, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Mai 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 249–250
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0525.html
Änderungsstand:
Tintenfass