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Brief vom 11. Juni 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


530.


[254]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Marly den 11 Juni 1711.
Hertzallerliebe Louisse, ich war willens, vergangen sontag auff Ewern lieben brieff von Pfingstmontag zu andtwortten, habe aber ohnmöglich dazu gelangen können; den morgendts verlohr ich viel zeit, den ich that eine lange vissitte ahn madame la princesse, so her kommen war wegen ihres dochter-man, dem duc du Maine, so auff einem stutz vom schlag ist gerührt worden, daß man ihn vor todt [255] gehalten; ist in abscheüliche gichter gefahlen, 3 stundt hatt er recht mitt dem todt gerungen, aber man ist ihm so woll zu hülff kommen, daß man ihn salvirt hatt. Selbigen abendts muste ich mitt dem könig in die pfarkirch, wo eine solche erschreckliche hitz war, daß ich wider kam, alß wen man mich ins waßer getaucht hette, muste mich kämmen laßen undt anderst ahnthun, hatte nur der zeit, ma tante brieff außzuschreiben. Gestern habe ich noch eins von Ewern lieben brieffen entpfangen, auff daß aber werde ich erst biß sontag andtwortten. Aber man rufft mich, ich muß mitt dem könig in die kirch, nach der kirch werde ich außschreiben.
Donnerstag den 11 Juni umb 8 abendts.
In dießem augenblick kommen wir auß der kirch. Ich habe schon von hembt geendert undt man kämbt mich jetzt. Ich bin, alß wen man mich auß dem waßer gezogen hette, die hitze ist abscheülich. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich auff Ewer schreiben komme, liebe Louisse! Es ist ein recht glück vor mich geweßen, daß Ihr mir apart von Hannover geschrieben, sonsten wer ich in todtesangsten geweßen, den ma tante paquet hatt mir gantz gefehlt; also, hette ich Ewern lieben brieff nicht bekommen, hette ich ma tante kranck gemeint, aber durch Ewern brieff habe ich, gott lob, gesehen, daß I. L. woll: also bin ich zwar boß auff den neüen secretari geweßen, so mein paquet negligirt hatt, aber gar nicht in sorgen, bin Eüch also, liebe Louisse, recht verobligirt, mir von Hannover auß geschriben zu haben. Es ist leyder nur zu war, daß meine arme dochter von 5 kindern, so sie gehabt, die 3 alsten, alß nehmblich 2 prinzessinen undt einen printz, in 8 tagen verlohren hatt undt gar kein ihrtum. Ihr elste dochter wer im October 11 jahr alt worden, die 2 ist im vergangenen December 9 jahr alt worden undt der printz ist im 28 Januari 7 jahr alt worden. Mein arme dochter kan sich noch gar nicht wider erhollen; gestehe, daß mir diß unglück sehr zu hertzen gangen undt noch schwer auff der brust. Alle die, so die arme kinder gesehen undt gekendt haben … Es war unmoglich, meiner dochter kinder todt zu verhehlen, den mein dochter hatt alle sorg vor sie undt ist eygendtlich ihrer kinder hoffmeisterin selber. [Euch] sage ich danck, liebe Louisse, vor die gutte wünsche, so Ihr vor meine noch 2 lebendige enckeln thut. Vor meiner dochter ist mir recht bang, den [256] sie hatt ihr kindt nicht gefühlt seyder der andern todt. Ich fürcht, der schrecken von meiner dochter hatt es auch umbgebracht, undt wen daß were, würde mein arme dochter selber in gefahr sein. Daß man selber baldt sterben [wird], tröst gar nicht, contrarie, daß ist ahm schlimbsten. Von Amellise will ich nichts sagen, umb Eüch nicht dran zu erinern. Es ist gewiß, daß niemandt in der weldt einen erwünschstern humor hatt, alß unßere liebe churfürstin. Ich hoffe, sie wirdt über hundert jahr erreichen. Der allmachtige verleye es! Mitt willen verderbe ich meine gesundtheit gar nicht, aber mein alter verdirbts genung. Adieu, hertzlieb Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt werde Eüch all mein leben lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Juni 1711 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 254–256
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0530.html
Änderungsstand:
Tintenfass