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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 9 Juni 1712, umb 9 abendts.
Her[tz]allerliebe Louise, ob ich zwar nur ein halb stündtgen
habe, Eüch zu entreteniren, will ichs doch nicht verseümen; den
ich glaube, es ist beßer, wenig schreiben, alß gar nicht. Wir haben
4 stundt den hirsch gejagt undt nichts gefangen, aber ich frag kein
haar darnach, der hirsch war mein feindt nicht; ich habe mich im
schonnen waldt divertirt, daß wetter war schön, der waldt auch.
Ich habe exercitzien gethan, mein schmertzlich miltz braff
geschüttelt, hernach ahn ma tante außgeschrieben, aber so gekritzelt, daß
ich forcht, I. L. werden meinen brieff nicht leßen können. Ich
komme aber auff Ewer schreiben, fange bey daß vom 20 May ahn,
sehe gar gern darin, liebe Louisse, daß meine schreiben Eüch
allezeit ahngenehm sein, undt seydt versichert, daß, wen mir
verhindernüß vorfahlen, Eüch zu schreiben, daß es mir leyder ist, nicht
zu schreiben können, alß es Eüch immer sein mag, keine brieffe zu
entpfangen! Ich bitte Eüch, liebe Louisse, macht Eüch keine
ungelegenheit mitt den neüen medaillen! Wen Ihr mir sie woltet
bezahlen laßen, würde ich Eüch offter bitten, neüe zu schicken. Ich
bin fro, daß ma tante zu Herrnhaussen ist; den bey jetziger zeit ist
frische lufft beßer, alß in einer statt zu sein. Wie kompts, daß
churprintz undt churprintzes dero herrn vatter undt groß fraw
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mutter nicht gefolgt haben? Schreibt mir, ahn wen man von
monsieur Dausson sach sprechen muß! so werde ichs thun. Es ist viel,
wen ein Frantzoß seinen gerahten weg fortgeht undt nicht intrigant
ist, den daß ist gar waß rares. Man spricht jetzt so viel von frieden,
alßden wirdt woll ein jedes wider zu daß seinige kommen. Hiemitt
ist Ewer schreiben vom 20 beantwortet. Biß sontag hoffe, ob gott
will, die antwort auff daß vom 23 zu schicken. Nembt vor
dießmahl mitt dießem vorlieb, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von
hertzen undt behalte Eüch recht lieb.