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Brief vom 30. Juni 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


553.


[281]
Marly den 30 Juni 1712.
Hertzallerliebe Louisse. wie leydt ist es mir, wen ich nicht schreiben kan! Heütte ist es schon gar spät, aber ich will Euch doch lieber einen kleinen brieff schreiben, alß keinen. Daß Ihr mir kein glück ahn meinem geburtstag gewünscht, last Eüch daß nicht ärgern! Ich bin so persuadirt, daß Ihr mich lieb habt, daß, wen schon jemandt kame undt wolte mir daß contraire versichern, würde ich es nicht glauben; den Ihr passirt bey jederman vor tugendtsam. Nun kan man nicht recht tugendtsam sein, ohne gerechtigkeit zu üben. Ich habe Eüch mein leben nichts zu leydt gethan, also kont Ihr mich mitt recht nicht haßen, undt wen man einander so nahe ist, alß wir einander sein, so ist es sicher, daß [282] man einander lieb hatt undt alles guttes wünscht, wen man einander nicht hast; dancke Eüch von hertzen vor alles guts, so Ihr mir wünscht; seydt … I. L. der churfürst von Braunsweig undt ich dencken in viellen sachen sehr different. Ich kan nicht leyden, daß, waß leütte auß gutten gemühte undt willen thun, nicht mitt danck ahngenohmen wirdt; daß kan mich jamern, daß mir die threnen in die augen kommen. Ewere augen müst Ihr sehr schonnen, es ist keine vexirerey mitt. Die fraw von Rotzenhaussen ist eben vorgestern zu Paris ahnkommen, wie ich dort wegfahren wolte, habe sie also gleich hergeführt. Da schlegt es 10, muß wider willen enden, doch nicht, ohne Eüch zu versichern, liebe Louisse, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Juni 1712 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 281–282
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0553.html
Änderungsstand:
Tintenfass