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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.
Petit-Bourg[1] den 15 September 1712.
Hertzliebe Louisse, weillen ich noch ein stündtgen in meiner
cammer zu bleiben habe, ehe man zum eßen geht, will ich es
ahnwenden, Eüch ein par wörtger zu schreiben. Ich könte sagen, daß
ich auch gesundt were, wen ich nur andere knie, bein undt füße
hette; den die seindt gar zu schmertzhafft undt geschwollen undt
schwach. Waß drauß werden wirdt, in allem fall bin ich in keinen
sorgen undt werde meine parthie baldt gefast haben. Ich bin fro,
daß der churfürst undt hertzog Ernst August wider kommen sein;
den die lange einsambkeit ist ma tante gar nicht gutt, den daß
gibt I. L. trawerige gedancken. Hir sicht man auch verbrente
gesichter genung von der son, monsieur undt madame de Bery seindt
es abscheülich, ich bins auch braff. Es kan nicht anderst sein, wen
man in der große hitze schwitz[t] undt jagt alle tag. In ein sinode
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zu fahren, muß langweillig sein; predigen, unter unß gerett, ist
auch gar nichts zeitvertreibliches. In seinen gemachern zu
spatziren, kan ma tante sich nicht mitt fatiguiren, noch in einer gutten
sanfften kutsch. Der kleine printz von Hannover muß woll ein
artig undt verstandig kindt sein. Wen die kinder so baldt reiff,
fürcht ich alß, daß sie nicht leben. Ich mißgönne Eüch die freüde
gar nicht, viel pfarer in Ewerer cammer zu haben; daß were mir
zu serieux, daß könte ich nicht außstehen. Hiemitt ist Ewer
schreiben völlig beantwortet, habe nichts mehr vor heütte zu sagen, liebe
Louissen, alß daß ich biß in todt, in welchem ordt ich auch sein
mag, werde ich Eüch, liebe Louisse, von hertzen lieb behalten.