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Brief vom 12. April 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


639.


[384]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 12 April 1714.
Hertzallerliebe Louisse, ich werde Eüch zwar heütte nicht gar lang entreteniren können, den wir haben heütte den hirsch gejagt undt ich habe doch 25 seytten ahn ma tante geschriben, aber ich will doch so viel, alß es mir in der eyll wirdt möglich sein wirdt, auff Ewer liebes schreiben vom 2 dießes monts, so ich gestern entpfangen, andtwortten. Meine siatique[1] ist, gott sey danck, gantz [vorbei], aber meine arme knie seindt noch schwach undt thun mir allezeit wehe. Ahn kein baadt kan undt darff ich nicht gedencken, danke Eüch sehr, liebe Louisse, vor daß mittleyden, so Ihr mitt mir wegen die schmertzen habt. Vor die siatique habe ich nichts gebraucht. Man [hat mich] einmahl purgirt, die schmertzen blieben noch; hernach hatt mir der marechal de Tessé einen ring geben, worinen eines haßen claue verborgen, doch so, daß die clau den finger rührt, seyder dem habe ich es nicht mehr verspürt. Ich thue den ring nicht vom finger, alß wen ich die handt wäsch, [385] bißher thut es noch gutt. Ich erinere mich Eweres vogts, alß wen ich ihn vor augen sehe. Er ist nicht gar groß, mager undt trucken, hatt blunde, blatte undt zimlich vette haar, mehr roht, alß bleich, ein langlich gesicht. Er weiß viel künste, steckte einmahl in der gallerie in englischen bau den sack voller fledermeusse undt sagte, er konte künsten undt remedien mitt machen; aber die fledermeüße müßen, wie ich sehe, nicht gutt zu der siatique sein, weillen er ins Wildtbaadt gehet. Warme bader seindt hir viel in Franckreich, aber ich kan weder in nahen, noch weitten. Nach Achen ließ man mich nicht, darff leyder nicht dran gedencken. Graff von Lamarck[2] ist hingereist. Wie gern were ich auch hin! aber da ist leyder nicht ahn zu dencken.[3] Daß ist eine modeste coquetterie, daß Ihr sagt, daß ich Eüch lieber haben werde von weittem, alß von nahen, den Ihr wist woll daß contrarie. Aber, liebe Louisse, wen Ihr von alter sprecht, so denckt Ihr nicht, daß ich 10 jahr alter bin, alß Ihr, also wen Ihr Eüch decripit[4] macht, muß ich unter die erde krichen. Ihr seydt meines herr vatters dochter, Ihr seydt voller tugendt, sehe auch woll auß Ewern brieffen, daß Eüch der verstandt nicht fehlt, worumb solte ich Eüch den nicht lieb haben? Ich habe es auch ahn unßerm herrn vatter s. undt ahn Ewer fraw mutter versprochen, Eüch alle zu lieben, undt habe noch nie ahn dießer versprechung gefehlt, undt wen Ihr 10 mahl argert weret, alß Ihr Eüch selber beschreibt undt ich woll weiß, daß nicht wahr ist, so würde ich Eüch doch lieb haben, liebe Louisse! Meint Ihr, daß ich keine betrübtnuß hir gehabt habe? Ihr solt Eüch verwünder[n], wen Ihr wüstet, waß ich außgestanden, daß ich noch im leben sein kan. Ich lebe, aber ich bin so veralt, daß ich fest glaube, daß ma tante jünger außsicht, alß ich. Ich muß gestehen, daß hertzog Anthon Ulrich ahndencken in seinen letzten zügen mich über die maßen touchirt hatt, mein trost ist aber, daß ma tante noch bey gutter gesundtheit ist. Gott erhalte I. L. lengere jahre, alß mich selber! Von ma tante todt mag ich nicht hören; wen I. L. davon schreiben, bin ich den gantzen tag trawerig. Wozu ist es gutt, allezeit ahn den todt zu gedencken? Man weiß es woll, daß man sterben [muß], aber allezeit dran zu gedencken, macht nur trawerig undt hülfft [zu nichts]; man weiß ohne daß, daß [386] woll leben unsere schuldigkeit ist. Bischöffe dörffen hir nichts thun ohne deß königs wißen, undt man hatt dem könig so eingeprächt, daß seine seeligkeit drauff stehet, keine Reformirten zu leyden, daß es kein wunder, daß er ihnen zuwider ist. Der frieden kompt mir recht wunderlich vor, kan nichts drinen begreifen. Gott gebe, daß alles zu gottes ehr undt aller gutten Christen ruhe außschlagen mögen! Hirmitt ist einmahl Ewer schreiben ordentlich beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch, liebe Louisse, zu versichern, daß ich Eüch allezeit lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. April 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 384–386
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0639.html
Änderungsstand:
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