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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 6 May 1714.
Hertzallerliebe Louisse, ich habe heütte Ewer liebes schreiben
vom 27 April entpfangen, werde es aber erst, wo gott mir daß
leben verleyet, biß donnerstag beantwortten, heütte aber auff daß
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vom 23, welches ich letzte post nicht habe thun können. Ich habe
nur gar zu woll gerahten, daß deß armen duc de Berry kranckheit
todtlich war.
[1] Ich gestehe, daß mir diß unglück abscheülich ist
zu hertzen gangen. Die Rotzenheusserin hatt noch gutte hoffnung
vor printz Wilhelm. Es ist war, daß die fürstin von Hannau mitt
ihrer gantzen famille nach Franckfort. Die Rotzenheussern hatt
14 tag gewahrt, hatt nicht lenger wartten können, den es ist zeit,
herzukommen. Sie hofft doch, daß die sach woll gehen wirdt, undt
daß judicirt sie durch der gräffin brieff. Ma tante war sehr in
sorgen wegen Eüch; bin fro, daß Ihr wider beßer seydt. Es ist
ein groß glück, daß daß geschwer die wurtzel vom zahn nicht
verfaullet hatt; beklage Eüch sehr, so viel gelitten zu haben. Von
meinem unglück were viel zu sagen, gebe ein groß buch, aber man
muß nicht mehr dran gedencken. In dießer weldt ist kein groß
glück; wen man einem nur ruhig leben lest, ist alles, waß man
pretendiren kan. Da kompt madame d’Orleans, muß schließen undt
vor dießmahl nichts mehr in eyll, alß daß ich Eüch bitte, mir eine
sicher adresse zu schicken, wen Ihr in sauerbrunen werdt, Eüch
ein klein schachtelgen zu schicken, wie ich Eüch alle jahr
versprochen; wolte es heütte schicken, fürchte aber, daß es Eüch
verfehlen mag. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen, wünsche
Eüch eine glückliche reiß undt behalte Eüch, liebe Lou[i]sse, wo Ihr
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auch sein möget, so lang ich lebe, von hertzen lieb.