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Brief vom 10. Mai 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


647.


[392]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 10 May 1714.
Hertzallerliebe Louisse, gestern habe ich Ewern lieben brieff von 30 zu recht entpfangen. Weillen ich aber den vom 17 April noch nicht beantwordtet habe, so werde ich ihn vor die sontagspost sparen, wo mir gott daß leben verleyet, welches mehr, alß nie, zu sagen ist, nachdem wir vor 9 tagen den armen duc de Bery haben sterben sehen, so nur 27 jahr alt ist undt dick, fett undt gesundt schin, alß wen er hundert jahr leben solte. Ich glaube, daß er sie auch erlebt hette, wen er sich selber nicht so liederlich umbs leben gebracht hette;[1] aber ich will nicht mehr von dießen trawerigen sachen sprechen, den es macht einem nur daß hertz schwer undt hilfft doch zu nichts, komme also nur auff Ewer liebes schreiben. Die eintzige ursach, liebe Louise, warumb ich Eüch ein tag bestimbt hatte, war nur auß forcht, nicht zeit genung zu haben, alle posten zu schreiben, undt daß ich Eüch den desgoust nicht geben wollen, alle poste zu schreiben undt nicht allemahl andtwort zu haben. Man hatt woll ursach, daß leydt zu klagen, wen man die verliehrt, so man lieb hatt; den in der weldt ist nichts schmertzlichers undt gantz ohne hülff, den die todten kan man nicht widerbringen. Der gutte hertzog von Wolffenbüttel hatte meine threnen [wol verdient], den I. L. s. haben ja alles gethan, waß in dero vermögen, mir gefallen zu thun; also ist es ja billig, so einen gutten herrn zu bedauern. Ich finde, daß nach der seeligkeit keine große[2] gnade gottes ist, alß getrost undt ohne forcht zu sterben können. Ich forchte mehr, todtesangsten zu haben, alß den todt selber. Hette ich die königin in Denemarck gekendt, so würde gar gewiß I. M. todt mir mehr zu hertzen gangen sein, aber wie das frantzösche sprichwordt sagt: Il faut cognoistre avant que [393] d’aimer. Der gutte monsieur Kotzschaw schreibt ein doll Frantzösch; er meint, daß gratieux gnädig heist, undt daß heist es gar nicht. Waß man hir gratieux heist, seindt ahngenehme maniren; waß gnaden heist auff Teütsch, explicirt sich nur auff Frantzösch durch bonté. Wen deß Kötzchaw brieff nicht von so einer gnädigen undt tugendtsamen königin todt spräche, were er possirlich. Ich bin fro, daß ma tante nicht geweindt hatt; den daß macht einem wie kranck, ich fühle es nur gar zu woll nun. Ich dancke Eüch vor die vers von monsieur de Monceau[3], finde sie artig. Ich habe monsieur Harlay alß von großen verstandt rühmen hören, bin also fro, daß ma tante dieße gutte geselschafft hatt; daß wirdt daß einschlaffen verwehren. Wunden im mundt heyllen nie beßer, alß wen [man] roßenzucker in die wunden steckt. Ich habe mein leben nicht gehört, daß man den sawerbrunen vor ein geschwer im mundt drincken solle, aber vor ein miltzwehe ist es ein anders. Nichts ist ungesunder, alß betrübtnuß;[4] ich spürs woll nun, hoffe aber, daß es vergehen wirdt. Es ist ein große sach vor meine gesundtheit, wen ma tante sich woll befindt, den daß erfrewet mich in der seelen. Gott der allmächtige erhalte sie, wie Ihr sagt, viel undt lange jahren noch! Er gebe Eüch auch wider eine volkomm[en]e gesundtheit, undt seydt versichert, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalten werde!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Mai 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 392–393
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0647.html
Änderungsstand:
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