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Brief vom 27. Mai 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


649.


[394]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 27 May 1714.
Hertzallerliebe Louisse, ich kan nicht begreiffen, wie man unßer unglück, nehmblich deß duc de Bery schnellen todt, eher durch Hollandt hatt erfahren können, alß durch meinen brieff; den ob ich zwar seinen todt nicht gesagt, weillen er erst andern morgen umb 4 uhr morgendts verschieden ist, aber ich schriebe, daß er in den zügen[1] leg, wie auch war war.[2] Es ist ein groß glück vor mich geweßen, daß der duc de Berry schon von so langen jahren auffgehört, mich lieb zu haben, sonsten hette ich mich nicht trösten können. Ich muß doch gestehen, daß ich im ersten augenblick undt noch etliche tag hernach bin recht von hertzen betrübt geweßen; wie ich aber reflection gemacht, daß, wen ich gestorben were, daß er nur drüber gelacht hette, daß hatt mich geschwindt wider getröst;[3] dancke Eüch sehr, liebe Louisse, mich beklagt zu haben. Im ahnfang hatt mir der schrecken geschadt, habe aber zur ader gelaßen; seyder dem erstick ich nicht mehr undt befinde mich, gott sey danck, sehr woll. Es ist leicht zu rahten, welch ein lamantiren dießer todt zuwegen gebracht. Er hatt gar viel leütte, groß undt kleine offecirs, so alle ihre chargen gekaufft haben undt verliehren undt ihr gelt beweinen. Auff alles deß königs kinder verlust denck ich mehr, alß ich sagen kan. Es ist war, daß es dem könig über die maßen zu hertzen [gegangen], auch so, daß mir recht bang dabey würde. I. M. haben sich aber, gott lob, baldt wider erholt. Ich finde es eine große kunst, die betrübtnuß [395] vergeßen zu können. Madame de Bery ist so betrübt, alß man es in seinen 19 jahr sein kan. Man thut, waß möglich, sie zu trösten, damitt sie nicht umbs kindt kommen mag. Es freüet mich sehr, daß alles woll zu Hannover stehet, aber insonderheit ma tante undt Ihr. Ich glaube, daß I. L. der churfürst undt hertzog Ernst August auff die reyerbeitz gehen; den mich deücht, daß es jetzt die zeit ist. Ich schicke ahn ma tante ein schächtelgen von golt, aber daß Ewere noch nicht, den weillen mylord Harlay wider weg wirdt, werdet Ihr gewiß [Hannover verlaßen];[4] erfahre ich aber, daß Ihr noch lenger geblieben, so werde ich es Eüch schicken. Der secretarius, so meine brieff von unßerer lieben churfürstin geleßen undt verlegt hatt, muß gar zum naren geworden sein. Man solle acht auff den menschen haben, er mogte sich woll versauffen wie der conseiller Emery, davon ich geschrieben habe. Ich muß noch vor dem eßen ahn mein dochter schreiben, drumb werde ich vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Mai 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 394–395
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0649.html
Änderungsstand:
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