Seitenbanner

Brief vom 10. Januar 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


680.


[498]
Versaille den 10 Januari, umb halb 9 abendts, 1715.
Hertzallerliebe Louisse, wir haben heütten den hirsch gejagt. Daß wetter war nicht sonderlich schön, ein solcher dicker nebel, daß man nicht 4 schrit vor sich sehen kan, undt man sahe den hirsch undt die hunde nur wie schatten, sie [jagten] doch überauß woll undt fungen den hirsch in 3/4 stundt. Aber da bringt man mir einen brieff von Paris, welchen ich notwendiger weiß gleich beantwortten muß; nur noch sagen, daß, wie man mir Eweren lieben brieff vom 31 December gebracht, hatte ich mich eben daher gesetzt, umb auff Ewern alten [vom] 17 auß Londen zu antworten, welches ich noch bißher ohnmöglich habe thun können. Ich weiß nicht, wie ich dieß neüe jahr enden werde, fange es aber verdrißlich mitt contretemps ahn.
Versaille den 11 Januarie, umb 11 morgendts.
Gestern abendt habe ich ohnmöglich die zeit finden können, meinen brieff weytter fortzuführen; es seindt mir viel verhindernüße zugestoßen biß umb 10, daß ich nüber zum nachteßen gemüst habe. Gott gebe, daß ich heütte ohne hindernuß außschreiben mag! Aber ich will nicht gutt davor sein. Alles, waß ich gern schreiben wolte, werde ich vielleicht der zeit nicht finden zu schreiben; aber waß gewiß ist, ist, daß Ihr, liebe Louisse, doch einen brieff, er sey klein, oder groß, von mir entpfanget[1] werdet dieß post; heütte werde ich mein möglichen fleiß ahnwenden, auff daß letzte auffs wenigst zu andtwortten. Aber vorher will ich Eüch verzehlen, waß wir hir neües haben. Vorgestern kam die zeittung, daß die printzes des Ursins der konigin in Spanien endtgegen solte ihre hoffmeisterin sein; es ist eben die, so gantz Spanien regirt hatt. Ihr hochmuht hatt sie gestürtzt. Sie hatte brieffe gegen dieße junge neüe königin geschrieben, die man der königin überlieffert hatt. Wie sie zur königin nach Xadrague[2] kommen, ist sie der königin nur auff die helffte von der stiegen entgegen kommen, hatt hernach alles unrecht [499] gefunden, ihre kleydung undt daß die königin so lang unterwegen geweßen; solle gesagt haben, wen sie ahns königs platz were, wolte sie die königin entwetter gar wider wegschicken oder auffs wenigst 3 mont dort sitzen laßen, worauff die königin ihren officir von der leibquarde[3] befohlen, ihr dieße narin[4] vom gesicht zu thun undt in arest zu setzen; hatt gleich einen courir ahm konig geschickt, über die dame starck geklagt; der könig hatt geantwort, sie solle thun, waß sie gutt findt. So hatt sie die königin umb 11 abendts[5] in eine kutzsch gesetzt, ihr nur eine camermagt undt laqueyen mittgeben undt 12 leibquart, umb sie wider in Franckreich zu führen, welches gleich geschehen.[6] Mich kan sie nicht dawern, weillen sie allezeit meinen sohn so abscheülich verfolgt hatt undt dem könig undt die verstorbene königin in Spanien[7] persuadirt hatt, alß wen mein sohn sie hette detroniren wollen undt gegen ihr leben undt thron conspirirt hette, welches so falsch ist, daß sie mitt allen ihrem bestechen doch nichts hatt überweißen können. Auß dießen ursachen muß ich gestehen, daß ich mich gar nicht über ihr unglück betrüben, wie Ihr, liebe Louise, leicht werdet gedencken können; den eß ist gantz naturlich. Waß mich vertrist, ist, daß dießer bößer teüffel her wirdt kommen; bin gewiß, das sie ihren gifft gegen meinen sohn undt mir außschütten [wird]. Gott wolle unß be[i]stehen! Waß weitter vorgehen wirdt mitt dießer alten dame, werde ich Eüch, liebe Louisse, berichten. Ihm überigen haben wir hir lautter trauerige zeittungen. Der ertzbischoff von Cambray[8] ist vor etlichen tagen gestorben, sehr regretirt.[9] Er war meines [500] sohns großer freündt. Der gatte marechal de Chamillie,[10] so auch ein gar gutter, ehrlicher man war, ist auch vor 3 tagen gestorben undt die junge printzes Dissanguin.[11] Eß ist noch nicht anderthalb jahr, daß sie geheüraht hatt; haben sich hertzlich geliebt. Sie hatt ein unglücklich kindtbett gehabt, ins kindtbett von einem todten sohn kommen, daß ist zu lang todt in ihrem leib geblieben, daß hatt sie sterben machen; ist selbigen tag gestorben, wie der arme marechal. Man kan nicht sagen, wer ahm betrübt [est] en, der witwer oder die witib; jammern alle menschen. Suma, man hört undt sicht nichts, alß betrübte zeitungen. Nun komme ich auch auff Ewer liebes schreiben vom 31 December. Hertzallerliebe Louise, wen Ihr mir gleich nicht nach hochlöblichen, loblichen teütschen brauch ein glückseeliges, friedt- undt freudenreiches neües jahr gewünscht hettet, so würde ich doch nicht desto weniger festiglich glauben, das Ihr mir alles guts wünscht, undt wir seindt einander zu nahe, umb einander nicht lieb zu haben undt alles guts zu wünschen; nichts desto weniger so dancke ich Eüch gar sehr vor Ewern gutten, schönnen, neüen undt gantz eloquenten neüjahrswunsch. Ich habe mein leben keinen gehört, der in wenig wortten so viel guts auff einmahl bedeütt undt woll die besten wünsche sein, so man in der welt thun kan; dancke nochmahlen von hertzen darvor undt wünsche, daß alles, waß Ihr mir wünscht, ahn Eüch auch möge von [501] wordt zu wordt volzogen werden; den nichts beßers kan man wünschen. War[12] freüdt kan man ahn einer 6ten dochter[13] in unßerm [haus] haben? Ich gebe sie woll alle 5 vor [das] brüdergen,[14] so ein hübscher, verstandiger undt artiger, verstandiger, aber so erschreklich delicat, alß wen er von papir wer. Ich fürcht, ich fürcht, man wirdt daß arme kindt nicht erziehen können, weiches mir woll hertzlich leydt sein solte; den ich habe diß kindt von hertzen lieb. Ich muß gestehen, daß mich der könig in Englandt ungedultig macht, [daß er] so wenig consideration vor seine fraw mutter s. erweist, denen, so sie geliebt, mitt solcher verachtung zu begegenen, die ihm doch so nahe verwandt sein; ich bin auch in der zahl. Es ist hir ein printz von Anhalt-Zeits, der hatt mir große complimenten von der printzes von Wallis bracht, aber der könig hatt mir kein gruß sagen laßen, nicht ein wordt. Unßere hertzogin von Hannover, die zu Modene ist, wirdt nicht beßer tractirt, alß Ihr undt ich. Ich weiß nicht, wo dieße verachtung herkompt; den wer ich reformirt,[15] so hette er nicht könig sein können, den ich war naher bey der cron, alß er, undt es ist nur durch mein hauß undt durch seine liebe fraw mutter s., daß er könig ist. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, danckt doch I. L. die printzes von Wallis von meinetwegen gar dinstlich vor I. L. ahndencken, wovor ich I. L. sehr verobligirt bin! Ich weiß nicht, welchen unterschiedt der konig Gorgen zwischen den printz von Wallis undt könig Jacob will machen undt dem printz von Wallis; den er war ja so gewiß heritier pressomtif, daß kein anderer vor ihm war. Undt noch ein zweydt exempel kan ich geben; wie konig Wilhelm noch lebte, war ja die princes Anne nechtste[16] erbin von reich; die hatt mir doch durch mylord Portland geschrieben. Aber ich sehe woll, daß er kein commerse begehrt, undt man sichs[17] dießes unglücks getrösten. Ich [502] werde nicht desto weniger der printzes von Wallis trewe dinnerin verblieben[18] undt sie, ob ich I. L. zwar unbekandt, so doch recht lieb behalten. Ich kan kein Englisch, glaube, daß, waß Ihr traninroom[19] heist, es ist, wie man zu Heydelberg die pressentz[20] sagt. Ich höre gern, wie es in frembten hoffen [hergeht], thut mir also einen rechten gefahlen, mir daß englische hoffleben zu berichten. Ich fürchte, daß Ihr Ewere niepcen vor ihres h. vatter todt nicht verheürahten werdet; den sans dot[21] gibt wenig freyer, erbschafften aber gibt mäner. Ich weiß nicht anderst, alß daß sich der junge Meißenbuch gar woll hir verhalten. Man sicht woll, daß ihn seine mutter auß lieb verdorben hatt; den er ist eben nicht sonderlich woll gezogen. Ich muß allezeit so in eyll schreiben, daß ich die helffte vergeße, waß ich zu sagen habe. Mademoiselle de Malausse ist recht eine person von meritten, die ich sehr estimire; bin also fro, daß Ihr gutt freünde seydt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort undt es wirdt spät, muß noch 3 brieff schreiben dießen abendt. Bitte, entschuldigt die fehler von dießem brieff! kan ihn unmoglich wegen obgemelten ursachen überleßen, noch corigiren,[22] nur sagen, daß ich Eüch nicht allein in dießem ahngefangenen jahr, sondern all die zeit meines lebens von hertzen lieb behalten werde.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Januar 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 498–502
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0680.html
Änderungsstand:
Tintenfass