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Versaille den 10 Januari, umb halb 9 abendts, 1715.
Hertzallerliebe Louisse, wir haben heütten den hirsch gejagt.
Daß wetter war nicht sonderlich schön, ein solcher dicker nebel,
daß man nicht 4 schrit vor sich sehen kan, undt man sahe den
hirsch undt die hunde nur wie schatten, sie [jagten] doch überauß woll
undt fungen den hirsch in
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4 stundt. Aber da bringt man mir einen
brieff von Paris, welchen ich notwendiger weiß gleich beantwortten
muß; nur noch sagen, daß, wie man mir Eweren lieben brieff vom
31 December gebracht, hatte ich mich eben daher gesetzt, umb auff
Ewern alten [vom] 17 auß Londen zu antworten, welches ich noch
bißher ohnmöglich habe thun können. Ich weiß nicht, wie ich dieß
neüe jahr enden werde, fange es aber verdrißlich mitt
contretemps ahn.
Versaille den 11 Januarie, umb 11 morgendts.
Gestern abendt habe ich ohnmöglich die zeit finden können,
meinen brieff weytter fortzuführen; es seindt mir viel verhindernüße
zugestoßen biß umb 10, daß ich nüber zum nachteßen gemüst habe.
Gott gebe, daß ich heütte ohne hindernuß außschreiben mag! Aber
ich will nicht gutt davor sein. Alles, waß ich gern schreiben wolte,
werde ich vielleicht der zeit nicht finden zu schreiben; aber waß
gewiß ist, ist, daß Ihr, liebe Louisse, doch einen brieff, er sey klein,
oder groß, von mir entpfanget
[1] werdet dieß post; heütte werde ich
mein möglichen fleiß ahnwenden, auff daß letzte auffs wenigst zu
andtwortten. Aber vorher will ich Eüch verzehlen, waß wir hir
neües haben. Vorgestern kam die zeittung, daß die printzes des
Ursins der konigin in Spanien endtgegen solte ihre hoffmeisterin
sein; es ist eben die, so gantz Spanien regirt hatt. Ihr hochmuht
hatt sie gestürtzt. Sie hatte brieffe gegen dieße junge neüe
königin geschrieben, die man der königin überlieffert hatt. Wie sie zur
königin nach Xadrague
[2] kommen, ist sie der königin nur auff die
helffte von der stiegen entgegen kommen, hatt hernach alles unrecht
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gefunden, ihre kleydung undt daß die königin so lang unterwegen
geweßen; solle gesagt haben, wen sie ahns königs platz were, wolte
sie die königin entwetter gar wider wegschicken oder auffs wenigst
3 mont dort sitzen laßen, worauff die königin ihren officir von der
leibquarde
[3] befohlen, ihr dieße narin
[4] vom gesicht zu thun undt
in arest zu setzen; hatt gleich einen courir ahm konig geschickt,
über die dame starck geklagt; der könig hatt geantwort, sie solle
thun, waß sie gutt findt. So hatt sie die königin umb 11 abendts
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in eine kutzsch gesetzt, ihr nur eine camermagt undt laqueyen
mittgeben undt 12 leibquart, umb sie wider in Franckreich zu
führen, welches gleich geschehen.
[6] Mich kan sie nicht dawern, weillen
sie allezeit meinen sohn so abscheülich verfolgt hatt undt dem könig
undt die verstorbene königin in Spanien
[7] persuadirt hatt, alß wen
mein sohn sie hette detroniren wollen undt gegen ihr leben undt
thron conspirirt hette, welches so falsch ist, daß sie mitt allen ihrem
bestechen doch nichts hatt überweißen können. Auß dießen
ursachen muß ich gestehen, daß ich mich gar nicht über ihr unglück
betrüben, wie Ihr, liebe Louise, leicht werdet gedencken können;
den eß ist gantz naturlich. Waß mich vertrist, ist, daß dießer
bößer teüffel her wirdt kommen; bin gewiß, das sie ihren gifft
gegen meinen sohn undt mir außschütten [wird]. Gott wolle unß
be[i]stehen! Waß weitter vorgehen wirdt mitt dießer alten dame, werde
ich Eüch, liebe Louisse, berichten. Ihm überigen haben wir hir
lautter trauerige zeittungen. Der ertzbischoff von Cambray
[8] ist
vor etlichen tagen gestorben, sehr regretirt.
[9] Er war meines
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sohns großer freündt. Der gatte marechal de Chamillie,
[10] so auch
ein gar gutter, ehrlicher man war, ist auch vor 3 tagen gestorben
undt die junge printzes Dissanguin.
[11] Eß ist noch nicht
anderthalb jahr, daß sie geheüraht hatt; haben sich hertzlich geliebt. Sie
hatt ein unglücklich kindtbett gehabt, ins kindtbett von einem todten
sohn kommen, daß ist zu lang todt in ihrem leib geblieben, daß hatt
sie sterben machen; ist selbigen tag gestorben, wie der arme
marechal. Man kan nicht sagen, wer ahm betrübt [est] en, der witwer
oder die witib; jammern alle menschen. Suma, man hört undt
sicht nichts, alß betrübte zeitungen. Nun komme ich auch auff
Ewer liebes schreiben vom 31 December. Hertzallerliebe Louise,
wen Ihr mir gleich nicht nach hochlöblichen, loblichen teütschen
brauch ein glückseeliges, friedt- undt freudenreiches neües jahr
gewünscht hettet, so würde ich doch nicht desto weniger festiglich
glauben, das Ihr mir alles guts wünscht, undt wir seindt einander
zu nahe, umb einander nicht lieb zu haben undt alles guts zu
wünschen; nichts desto weniger so dancke ich Eüch gar sehr vor Ewern
gutten, schönnen, neüen undt gantz eloquenten neüjahrswunsch. Ich
habe mein leben keinen gehört, der in wenig wortten so viel guts
auff einmahl bedeütt undt woll die besten wünsche sein, so man in
der welt thun kan; dancke nochmahlen von hertzen darvor undt
wünsche, daß alles, waß Ihr mir wünscht, ahn Eüch auch möge von
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wordt zu wordt volzogen werden; den nichts beßers kan man
wünschen. War
[12] freüdt kan man ahn einer 6ten dochter
[13] in unßerm
[haus] haben? Ich gebe sie woll alle 5 vor [das] brüdergen,
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so ein hübscher, verstandiger undt artiger, verstandiger, aber so
erschreklich delicat, alß wen er von papir wer. Ich fürcht, ich fürcht,
man wirdt daß arme kindt nicht erziehen können, weiches mir woll
hertzlich leydt sein solte; den ich habe diß kindt von hertzen lieb.
Ich muß gestehen, daß mich der könig in Englandt ungedultig
macht, [daß er] so wenig consideration vor seine fraw mutter s.
erweist, denen, so sie geliebt, mitt solcher verachtung zu begegenen,
die ihm doch so nahe verwandt sein; ich bin auch in der zahl. Es
ist hir ein printz von Anhalt-Zeits, der hatt mir große
complimenten von der printzes von Wallis bracht, aber der könig hatt mir
kein gruß sagen laßen, nicht ein wordt. Unßere hertzogin von
Hannover, die zu Modene ist, wirdt nicht beßer tractirt, alß Ihr
undt ich. Ich weiß nicht, wo dieße verachtung herkompt; den wer
ich reformirt,
[15] so hette er nicht könig sein können, den ich war
naher bey der cron, alß er, undt es ist nur durch mein hauß undt
durch seine liebe fraw mutter s., daß er könig ist. Ich bitte Eüch,
liebe Louisse, danckt doch I. L. die printzes von Wallis von
meinetwegen gar dinstlich vor I. L. ahndencken, wovor ich I. L. sehr
verobligirt bin! Ich weiß nicht, welchen unterschiedt der konig
Gorgen zwischen den printz von Wallis undt könig Jacob will machen
undt dem printz von Wallis; den er war ja so gewiß heritier
pressomtif, daß kein anderer vor ihm war. Undt noch ein zweydt
exempel kan ich geben; wie konig Wilhelm noch lebte, war ja die
princes Anne nechtste
[16] erbin von reich; die hatt mir doch durch
mylord Portland geschrieben. Aber ich sehe woll, daß er kein
commerse begehrt, undt man sichs
[17] dießes unglücks getrösten. Ich
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werde nicht desto weniger der printzes von Wallis trewe dinnerin
verblieben
[18] undt sie, ob ich I. L. zwar unbekandt, so doch recht
lieb behalten. Ich kan kein Englisch, glaube, daß, waß Ihr
traninroom
[19] heist, es ist, wie man zu Heydelberg die pressentz
[20] sagt.
Ich höre gern, wie es in frembten hoffen [hergeht], thut mir also
einen rechten gefahlen, mir daß englische hoffleben zu berichten.
Ich fürchte, daß Ihr Ewere niepcen vor ihres h. vatter todt nicht
verheürahten werdet; den sans dot
[21] gibt wenig freyer, erbschafften
aber gibt mäner. Ich weiß nicht anderst, alß daß sich der junge
Meißenbuch gar woll hir verhalten. Man sicht woll, daß ihn seine
mutter auß lieb verdorben hatt; den er ist eben nicht sonderlich
woll gezogen. Ich muß allezeit so in eyll schreiben, daß ich die
helffte vergeße, waß ich zu sagen habe. Mademoiselle de Malausse
ist recht eine person von meritten, die ich sehr estimire; bin also
fro, daß Ihr gutt freünde seydt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben
vollig beantwort undt es wirdt spät, muß noch 3 brieff schreiben
dießen abendt. Bitte, entschuldigt die fehler von dießem brieff!
kan ihn unmoglich wegen obgemelten ursachen überleßen, noch
corigiren,
[22] nur sagen, daß ich Eüch nicht allein in dießem
ahngefangenen jahr, sondern all die zeit meines lebens von hertzen lieb
behalten werde.