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Paris den 24 September 1715.
Hertzallerliebe Louise, es war mir vergangen freytag
ohnmöglich, ahn Eüch zu schreiben; den ich hatte einen großen brieff
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ahn unßern hertzog von Lotheringen, wie auch ahn mein dochter
zu schreiben undt wardt nach ordinarie Parisser schlimmer
gewohnheit so accablirt von leütten, daß ich ohnmöglich mehr, alß
dieße zwey brieff, schreiben konte, wovon ich alleweill gesprochen.
Sambstag habe ich Ewer lieben brieff vom 5/16 dießes monts
entpfangen, werde bey dießem frischten ahnfangen. Meine gesundtheit
fengt ein wenig ahn, sich von dem prast zu entpfinden. Seyder
vorgestern habe ich einen starcken durchlauff, met verlöff, met
verlöff, wie die alte fraw von Woltzogin alß pflegt zu sagen; mein
docktor aber sagt, es seye gutt, daß mir dieße kleine kranckheit
ahnkommen seye, sonsten hette ich gar eine gefährliche außstehen
müßen. Wen mein kopffwehe nur von weinen kämme, so würde es
baldt vergehen undt keinen bestandt haben; es kompt aber von der
Parisser lufft, wirdt also dauern, so lange ich zu Paris sein werde,
undt waß ich hir sage, ist so unfehlbar, daß, wen ich nachmittags
außfahre in die freye lufft, vergeht mir daß kopffwehe gantz. Ein
stundt hernach aber, wen ich wider in Paris bin, fangen mir die
schläff wider ahn zu klopffen undt zu brenen undt kompt mir über
die augen, alß wen man mir ein stirnbandt hart bände. Ich kan
nicht nach St Clou; seyder 14 jahrn, daß ich nicht mehr dort bin,
hatt man nichts zurecht gemacht, also hatt sich mein cabinet
überall gespalten. Daß hatt man gantz wider auff neü mitt frischem
kalck zurecht machen müßen, undt nichts ist gefährlicher, alß in
eine cammer, wo frisch kalck undt gibs ist; kan also dießen winter
ohnmöglich nach St Clou, dort zu wohnen. Ich glaube, daß es auch
beßer ist, daß ich mich eine zeit lang undt etliche monat versuche,
hir zu gewohnen; den gehe ich, wen ich mich übel befinde, nach
St Clou in die gutte lufft, so dort, werde ich mich gar nicht ahn
dieße lufft hir gewohnen können, wie ich bißher gethan; undt es
ist ja leyder absolute nöhtig, daß ich in dem vor mich betrübten
undt verdrießlichen Paris bleiben muß, wo ich weder trost, noch
freüde habe, noch niemahlen haben kan. Meinen sohn sehe ich nur
einmahl deß tags, es ist morgendts oder abendts, bleibt aber kein
halb stundt bey mir; er ist zu mittag undt zu nacht bey seiner
gemahlin. Ich eße gantz allein, bin mitt hundert gesichter umbringt,
mitt welchen ich reden muß, ich mag lustig oder trawerig sein; den
gantzen langen tag kommen leütte, so mich im schreiben interompiren,
die muß ich wider entreteniren, daß wehrt biß 8 abendts. Summa,
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ich habe hir nichts, alß zwang undt widerwertigkeit, undt nie nicht
die geringste freüde oder vergnügen. So ist mein ellendes leben
nunmehr bestelt, liebe Louise! Aber man muß woll wollen, waß
gott will. Mein gott, liebe Louisse, ich sehe woll, daß Ihr dieß
landt nicht kendt. Mein sohn wirdt nun biß im himmel erhoben,
weillen alle meinen, waß von ihm zu profitiren. Aber wie allemahl
über 50 begehren, waß nur einer haben kan, so macht man gleich
49 malcontenten undt so viel feindt von allen ständen. Mein sohn
gibt sich so große mühe von 6 morgens ahn biß 12 in mitternacht,
daß sehr zu fürchten ist, daß er drüber kranck wirdt werden.
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Vergangen donnerstag fandt er sich so erhitzt, daß er umb 9 abendts
zur ader [ließ], 4 große paletten, 16 oncen bludt. Andern tags, alß
freytag, hilt er 8 stundt conseil de finance undt arbeytet hernach
noch mitt unterschiedlichen ministern biß nach mitternacht. Alles
ist in einer so großen unordenung, daß es in 10 jahren nicht nach
vergnügung kan zurecht gebracht werden, undt ich fürchte, daß
mein sohn unterdeßen eine große kranckheit [bekomme], welche
mir angsten undt betrübtnuß verursachen wirdt; also sehe ich weder
in itzigen, noch zukünftigen zeitten gar nichts ahngenehmes vor
mich. Mitt hiesicher lufft undt verdrießlichkeit, ohne exercitzien
zu thun, wo ich so sehr ahn gewondt, ist es nicht sicher, daß ich
die 9 jahr leben werde, so mein sohn zu regieren hatt; aber ich
frage kein haar darnach, den daß leben ist nur ahngenehm, wen
man es mitt vergnügen undt ruhe zubringen kan. Wozu ist [es]
sonst nutz, alß nur umb qual zu geben? Also seydt versichert,
liebe Louisse, daß, wen daß stündtlein kompt, daß unßer herrgott
mir vorsehen hatt, werde ich dieße [welt] ohne einig regret
verlaßen. Die könige hir im landt geben ihr leben nichts ahn keinem
menschen in der welt in ihren testamenten, es ist nicht der brauch;
habe alle
[2] ebenso wenig alß seine eygene kinder undt kindtskinder
bekommen. Es ist ohnfehlbar, daß die Malaussen
[3] vom hauß
Bourbon herstammen, aber sie pretendiren von der rechten seydt;
andere aber meinen hir, es seye nur von der lincken seydt. Solte
es aber auch nur von der lincken seytten sein, tregt man doch die
trawer groß in solchen fällen; weillen sie aber in einem andern
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landt sein, glaube ich doch, daß sie beßer gethan hetten, die trawer
nicht anderst, alß der hoff, zu nehmen; daß sie aber von gar
guttem undt alten hauß sein, daß ist gewiß. Die printzes von Wallis
hatt groß recht gehabt, auff dem waßer bey der großen hitz zu
fahren; den der staub ist abscheülich nun. Es ist gefährlich, wen
einmahl der mundt flüße bekommen; es kompt offt wider undt
verstehlt sehr, es felt auch offt auff die zähn. Ich habe madame la
Dauphine mitt zwey von ihren printz schwanger gehen sehen, daß
sie ihre zeit regullirt gehabt, wie ordinarie; madame de Soubisse
von allen ihre schwangerschafft von söhnen ist es auch so gangen.
Der Seefrid hatt sich noch nicht bey [mir] ahngemelt, dancke Eüch
aber zum vorauß, liebe Louise, vor alles, waß Ihr mir durch ihm
schickt. Ich habe Eüch schon geschrieben, daß ich daß
meledy-Kendt-pulver, so die printzes von Wallis mir die ehr gethan, zu
schicken, ist anderst, alß die ballen, so I. G. unßer herr vatter von
obgedachter graffin von Kent hatten.
[4] Wolte gott, ich könte allein
sein oder nur meine damen undt die Rotzenheüsserin undt
marquise d’Alluy
[5] haben! Daß ist geselschafft genung vor mir.
Etlichmahl gantz allein ist mir noch lieber, aber daß geschicht mir
leyder nur zu selten. Indem ich Eüch heütte morgen geschrieben,
bin ich woll offt interompirt worden, habe den ambassadeur von
Sicillen, den von Spanien, den von Portugal undt noch sonsten gar
viel leütte gehabt; es gebe eine littanie, wen ich sie alle nenen
solte. Ich habe, wie Ihr woll gedencken könt, mitt allen sprechen
müßen, welches meinen husten undt bößen halß nicht zum besten
bekompt. Seyder heütte morgen hatt mein durchlauff auffgehört,
der husten aber hatt zugenohmen. My[lord] Stairs ist auch heütte
morgen zu mir kommen; er will mitt aller gewalt, ich solle ahn
die printzes von Wallis schreiben. Ich glaube, daß ich es endtlich
werde thun müßen, ich fürchte aber, es wirdt abgeschmackt
herraußkommen; den ich bin gantz stupide. Ahn Eüch, liebe Louise, kost
es mir nichts zu schreiben; den ich sage Eüch nur, waß mir im
kopff kompt; aber ahn jemandts zu schreiben, ahn wen man sein
leben nicht geschrieben, daß kompt schwer ahn. Ewere ungedult
kompt ja nur auß lieb undt freündtschafft gegen mich; wie solte
es mich den verdrießen können? Daß ist alles, waß ich auff Ewer
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letztes liebes schreiben sagen werde. Ich komme jetzt auff daß
vom 24 Augusti / 4 September. Ich bin der printzes von Wallis
woll hoch vor dero christliches mittleyden verobligirt. Ich habe
Eüch schon all mein leydt geklagt, will derowegen nichts mehr
davon sagen; den lenger zu klagen, were langweillig vor Eüch undt
vor mich. Mein husten plagt mich auch so sehr, daß ich
ohnmöglich heütte mehr sagen kan, alß daß [ich] in husten, in schnupen,
in kopff- undt halßwehe ebensowoll, alß in volkommener
gesundtheit, Eüch, liebe Louisse, von gantzem hertzen lieb behalte.
Wie ich eben mein paquet machen wolte, kompt der monsieur
Seefrid herrein undt bringt mir Ewer liebes schreiben sambt dem
meledy-Kendt-pulver. Es mag woll gutt sein, allein es ist nicht
wie das alte; daß alte schmeckt nicht bitter, wie dießes. Ich habe
noch ein stück vom alten. Ich bin Eüch doch sehr davor
verobligirt, liebe Louisse, undt dancke Eüch von hertzen. Auff Ewer
liebes schreiben kan ich heütte nicht andtwortten, mein kopff undt
halß thun mir gar zu bludtswehe.