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Brief vom 22. November 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


745.


[672]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Londre.

Paris den 22 November 1715.
Hertzallerliebe Louisse, warumb habt Ihr einen post[t]ag vorbeygehen laßen, ohne mir zu schreiben? Habe ich Eüch den nicht schon manchmahl gesagt, daß mir Ewere schreiben, liebe Louisse, gar ahngenehm sein undt mir trost undt vergnügen [gewähren]? Wie wers, wen ich Eüch ein wenig außmacht? Den daß macht mich recht zornig, wen Ihr so façon mitt mir macht, alß wen ich Eüch ein bludtsfrembts mensch were; daß kan mich verdrißen, wie der jungfer Colbin Marigen alß pflegt zu sagen; ich weiß nicht, ob Ihrs Eüch noch erinern könt, den Ihr wahret noch ein kindt damahl. Ihr werdet auß meinen schreiben ersehen haben, daß ich Ewere liebe schreiben entpfangen habe; ich habe Eüch schon vergangen dinstag bericht in meinem kleinen brieffgen. Die printzes von Wallis hatt mir auch die ceremonie von mylord Maire[1] beschrieben. Ich erinere mich, daß ich vor dießem I. G. unßerm[2] herrn vatter habe davon habe verzehlen hören. Tregt mylord Maire nicht einen gar langen dünen stab oder stock mitt silber eingefast? Mich deücht, I. G. s. haben auch davon gesprochen. Ihr habt mir doch, liebe Louisse, gefahlen gethan, es zu beschreiben; ich höre gern waß neües. Unßere hertzogin von Hannover hatt die Ittalliener woll gezogen, halb ittallienisch, halb teütsch, halb frantzösch; alle dießes zusammen macht etwaß recht gutts. Die venezianische ambassadeurs seindt ordinari die höflichsten nicht. Es muß kälter in Englandt sein, alß hir; den bißher bin ich noch ohne feüer in meinem cabinet. Nichts in der welt gibt den schnupen beßer, alß gar zu große hitz in einer cammer. Die affection, so sie dem printz undt printzes von Wallis bey dem fest bezeügt, ist [recht löblich]; allein wen nur keine verrähterey dahinden steckt! Waß heist husay?[3] Es ist ja nicht wie hus sau, so man zu unßern wilden schwein in Teütschlandt sagt[4], wie Ihr, liebe Louisse, woll wist. Ich habe, wie ich in Franckreich kommen, einen mylord Montegu[5] [673] hir funden, so ambassadeur war, aber der kan woll nicht mehr leben; den er war vor 44 jahren schon nicht mehr jung. Es kan also deßen sohn nicht sein, so der könig Jörgen auß der tauff gehalten. Mein gott, wie kan man bey allen den troublen lustig zu Londen sein! So lang könig Jorgen undt chevallier de St George leben werden, kan ohnmöglich der innerliche krig auffhören; daß ist nicht zu glauben. Ich weiß nicht, wie es kompt, daß Ihr, liebe Louisse, kein schreiben von mir entpfangen; ich habe doch nie fleißiger geschrieben, alß seyder einem mont her. Die königin in Engellandt hir ist gar standthafftig undt scheindt selten betrübt; sie hatt verstandt undt fermeté, sehr ahngenehm in discoursen. Es seye dan, daß man jemandts auß dem himmel holt, sonsten weiß ich hir niemandts, so mir lust undt vergnügen geben könte; waß ich hir insonderheit von weibsleütten sehe, gibt mehr unlust undt verdruß, alß freüden. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort. Gutte nacht, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. November 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 672–673
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0745.html
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