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Paris den 14 Januari 1716 (N. 58).
Hertzallerliebe Louise, ich will heütte ahn Eüch ahnfangen zu
schreiben; den sonsten werde ich ebensowenig dazu gelangen
können alß vergangenen freytag, welches damahlen eine nagelneüe
verhindernuß war, den mein apartement were bey einem haar verbrendt.
Ich hatte befohlen, das man mich umb 7 wecken solte; den ich hatte
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unerhört viel den tag zu schreiben. Ich hatte ein schreiben von
der printzes von Wallis entpfangen von 28 seytten undt einen von
meiner dochter von 12, dachte also, früh ahnzufangen. Nachts umb
halb 3 hörte ich abscheülich oben über meiner cammer lauffen, daß
ich wacker davon wurdt; hofft doch, baldt wider einzuschlaffen,
aber umb 3 sehe ich den cammerknecht in mein cammer kommen,
so ordinarie daß feüer macht. Der macht mir mein feüer; ich rieff:
Evin, que voulles vous faire? Vous reves, il s’en faut bien, qu’il ne soit encore 7 heures, et je vous assure, que 3 heure viene que de sonner.Er andtwort:
Je le say bien, Madame, mais il faut pourtant, que vous vous levies, s’il vous plait, car l’opera brulle; heureussement le vant porte la flame du costé du cu de sac, mais si le vent changoit et qu’il porta la flame du costé du theatre, le Palais-Royal seroit si tost enflame, que vous n’ories pas le temps de vous chausser.Wie ich daß gehört, bin ich geschwindt auffgestanden undt hab mich ahngezogen, wie Ihr woll leicht dencken könt, liebe Louisse! Daß opera ist nicht weitter von meiner garderobe, alß Ewer fraw mutter cammer, wie sie noch im englischen bau zu Heydelberg logirte, vom dicken thurn. Were daß theatre ahngebrandt, were es wie ein feüerweck ahngangen mitt allem dem holtz, gemahlte tücher, geöhlte höltzer undt corden; kein seelenmensch hette diß hauß salviren können, aber man ist es, gott lob, noch bey zeit gewahr [worden]. Einer, so deß könig s. erster cammerdiner geweßen undt monsieur Bontemps [heißt], kam umb 2 uhr vom spiel, ging bey dem Palais-Royal vorbey undt sahe die flame auß dem opera-sahl. Er rieff au feu undt kam undt weckte mein sohn, alle brandtglocken wurden gleich geleütt, dadurch sich 200 arbeydtsleütte versambletten, man schickte auch alles hin, waßer zu tragen; also ist man dem unglück vorkommen. Ich bin biß umb 7, da alles gelöscht, bin in die capel gangen, hab dort gott gedancket, daß ich nicht verbrendt bin, habe mich hernach wider zu bett gelegt undt biß umb 1 uhr geschlaffen, bin hernach wider auffgestanden, umb halb 3 ahn taffel, also erst umb halb 4 erst von taffel, habe hernach unerhört viel vissitten bekommen auff dieße avanture, hernach habe ich ahn die printzes von Wallis geantwortet undt ahn mein dochter. Ihr könt woll gedencken, liebe Louisse, daß mir dieß alles meine zeit benohmen, daß ich Eüch ohnmöglich eher, alß heütte, habe schreiben können. Paris ist gar zu verdrießlich, indem man [003] allezeit thun muß, waß man nicht will, undt [nur] mitt großer mühe thun kan, waß man gern wolte. Erlebe ich den frühling, werde ich woll ein große freüde haben, auß dießer widerlichen statt zu kommen. Aber ich habe noch so lang schir dran zu ziehen, alß wie daß sprichwort
Mitt der zeit kompt Jean ins wammes, er zog aber 7 jahr ahn einer man oder ermel.Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich auff ewere lieb schreiben komme. Mein prelude ist lang genung undt nur zu lang, aber ich spare meine wörtter nicht mitt Eüch, weillen Ihr mir offtmahl versichert, daß Ihr meine brieffe nie zu lang findt, so alber sie auch sein mögen. Ich fange bey Ewern frischten brieff ahn, habe wider zwey auff einmahl bekommen, nehmblich daß von 22 undt daß 30/19 December. Wo mir möglich ist, werde ich auff beyde andtwortten, kans aber nicht vor gewiß versichern; den, wie schon gesagt, ich kan hir nicht thun, waß ich gerne wolte. Auff Ewer kurtzes schreiben meine ich schon geantwort zu haben. Es ist ein recht wetter zu husten undt schnupen; vorgestern regnets den gantzen nachmittag, man solte gemeint haben, daß es gantz auffgedauet hette; selbige nacht aber frohr es mehr, alß nie, auch so, daß schir weder menschen, noch pferdt gehen könten, undt war eine rechte [noth]… Dieße nacht hatt es ohne auffhören geschneyet; nun ist ein starcker nebel. Ich glaube, daß alle das unbeständige wetter sehr ungesundt ist. Meine knie thun mir gar wehe, kein schnupen, noch husten kan bey solchen wetter vergehen. Ihr thut gar woll, Eüch zu schonnen; den, wie Ihr nicht fett seydt, könte es Eüch gar leicht auff die brust fahlen, wovor Eüch gott der allmächtige gnädig bewahren wolle! Liebe Louisse, es ist meine schuldt nicht, wen die liebe printzes von Wallis meine schreiben nicht entpfängt; den ich andtwortte gar exact auff ihre brieffe, weillen sie mir versichert, daß I. L. sie nie zu lang finden. Bißher ist meine gesundtheit, gott lob, gar perfect; aber wen man schon so alt ist, alß ich leyder bin, ist es nicht gar sicher, lang gesundt zu bleiben. Wie es der allmächtige versehen hatt, so wirdts kommen. Dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor alle Ewere gutte wünsche. Wen Ihr auch alles hettet, waß ich Eüch wünsche, so würdet Ihr gar gewiß glücklich undt vergnügt leben können. Ich sehe nicht gehrn, daß schwangere weiber, vor welche ich mich interessire, wie ich von gantzen hertzen vor die printzes von Wallis thue, husten undt schnupen haben; daß geringste, so ihnen davon [004] entstehen kan, ist, daß sie nicht eher couriren, alß biß sie im kindtbett; es macht auch offt eher ins kindtbett kommen, alß man soll. Ich habe alleweill ein brieff von meiner dochter bekommen, die schreibt mir, daß gantz Lotheringen husten undt schnupen hatt; ihr herr, ihre kinder undt sie seindt alle dran fest. Es ist mir leydt vor baron Görtz, daß er augenwehe hatt; den die, so weiße augenlieder haben, wie er, haben ordinarie keine gutte augen, also gar gefährlich, wen sich die flüße dahin stecken; den es nimbt offt ein schlimb endt vor die augen. Aber man rufft mich, in die kirch zu gehen. Nach der meß werde ich eßen gehen, hernach eine pausse machen, umb die digestion zu befördern, hernach werde ich Eüch ferner entreteniren, liebe Louisse!