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Brief vom 14. Januar 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


756.


[001] Paris den 14 Januari 1716 (N. 58). Hertzallerliebe Louise, ich will heütte ahn Eüch ahnfangen zu schreiben; den sonsten werde ich ebensowenig dazu gelangen können alß vergangenen freytag, welches damahlen eine nagelneüe verhindernuß war, den mein apartement were bey einem haar verbrendt. Ich hatte befohlen, das man mich umb 7 wecken solte; den ich hatte [002] unerhört viel den tag zu schreiben. Ich hatte ein schreiben von der printzes von Wallis entpfangen von 28 seytten undt einen von meiner dochter von 12, dachte also, früh ahnzufangen. Nachts umb halb 3 hörte ich abscheülich oben über meiner cammer lauffen, daß ich wacker davon wurdt; hofft doch, baldt wider einzuschlaffen, aber umb 3 sehe ich den cammerknecht in mein cammer kommen, so ordinarie daß feüer macht. Der macht mir mein feüer; ich rieff: Evin, que voulles vous faire? Vous reves, il s’en faut bien, qu’il ne soit encore 7 heures, et je vous assure, que 3 heure viene que de sonner. Er andtwort: Je le say bien, Madame, mais il faut pourtant, que vous vous levies, s’il vous plait, car l’opera brulle; heureussement le vant porte la flame du costé du cu de sac, mais si le vent changoit et qu’il porta la flame du costé du theatre, le Palais-Royal seroit si tost enflame, que vous n’ories pas le temps de vous chausser. Wie ich daß gehört, bin ich geschwindt auffgestanden undt hab mich ahngezogen, wie Ihr woll leicht dencken könt, liebe Louisse! Daß opera ist nicht weitter von meiner garderobe, alß Ewer fraw mutter cammer, wie sie noch im englischen bau zu Heydelberg logirte, vom dicken thurn. Were daß theatre ahngebrandt, were es wie ein feüerweck ahngangen mitt allem dem holtz, gemahlte tücher, geöhlte höltzer undt corden; kein seelenmensch hette diß hauß salviren können, aber man ist es, gott lob, noch bey zeit gewahr [worden]. Einer, so deß könig s. erster cammerdiner geweßen undt monsieur Bontemps [heißt], kam umb 2 uhr vom spiel, ging bey dem Palais-Royal vorbey undt sahe die flame auß dem opera-sahl. Er rieff au feu undt kam undt weckte mein sohn, alle brandtglocken wurden gleich geleütt, dadurch sich 200 arbeydtsleütte versambletten, man schickte auch alles hin, waßer zu tragen; also ist man dem unglück vorkommen. Ich bin biß umb 7, da alles gelöscht, bin in die capel gangen, hab dort gott gedancket, daß ich nicht verbrendt bin, habe mich hernach wider zu bett gelegt undt biß umb 1 uhr geschlaffen, bin hernach wider auffgestanden, umb halb 3 ahn taffel, also erst umb halb 4 erst von taffel, habe hernach unerhört viel vissitten bekommen auff dieße avanture, hernach habe ich ahn die printzes von Wallis geantwortet undt ahn mein dochter. Ihr könt woll gedencken, liebe Louisse, daß mir dieß alles meine zeit benohmen, daß ich Eüch ohnmöglich eher, alß heütte, habe schreiben können. Paris ist gar zu verdrießlich, indem man [003] allezeit thun muß, waß man nicht will, undt [nur] mitt großer mühe thun kan, waß man gern wolte. Erlebe ich den frühling, werde ich woll ein große freüde haben, auß dießer widerlichen statt zu kommen. Aber ich habe noch so lang schir dran zu ziehen, alß wie daß sprichwort Mitt der zeit kompt Jean ins wammes, er zog aber 7 jahr ahn einer man oder ermel. Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich auff ewere lieb schreiben komme. Mein prelude ist lang genung undt nur zu lang, aber ich spare meine wörtter nicht mitt Eüch, weillen Ihr mir offtmahl versichert, daß Ihr meine brieffe nie zu lang findt, so alber sie auch sein mögen. Ich fange bey Ewern frischten brieff ahn, habe wider zwey auff einmahl bekommen, nehmblich daß von 22 undt daß 30/19 December. Wo mir möglich ist, werde ich auff beyde andtwortten, kans aber nicht vor gewiß versichern; den, wie schon gesagt, ich kan hir nicht thun, waß ich gerne wolte. Auff Ewer kurtzes schreiben meine ich schon geantwort zu haben. Es ist ein recht wetter zu husten undt schnupen; vorgestern regnets den gantzen nachmittag, man solte gemeint haben, daß es gantz auffgedauet hette; selbige nacht aber frohr es mehr, alß nie, auch so, daß schir weder menschen, noch pferdt gehen könten, undt war eine rechte [noth]… Dieße nacht hatt es ohne auffhören geschneyet; nun ist ein starcker nebel. Ich glaube, daß alle das unbeständige wetter sehr ungesundt ist. Meine knie thun mir gar wehe, kein schnupen, noch husten kan bey solchen wetter vergehen. Ihr thut gar woll, Eüch zu schonnen; den, wie Ihr nicht fett seydt, könte es Eüch gar leicht auff die brust fahlen, wovor Eüch gott der allmächtige gnädig bewahren wolle! Liebe Louisse, es ist meine schuldt nicht, wen die liebe printzes von Wallis meine schreiben nicht entpfängt; den ich andtwortte gar exact auff ihre brieffe, weillen sie mir versichert, daß I. L. sie nie zu lang finden. Bißher ist meine gesundtheit, gott lob, gar perfect; aber wen man schon so alt ist, alß ich leyder bin, ist es nicht gar sicher, lang gesundt zu bleiben. Wie es der allmächtige versehen hatt, so wirdts kommen. Dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor alle Ewere gutte wünsche. Wen Ihr auch alles hettet, waß ich Eüch wünsche, so würdet Ihr gar gewiß glücklich undt vergnügt leben können. Ich sehe nicht gehrn, daß schwangere weiber, vor welche ich mich interessire, wie ich von gantzen hertzen vor die printzes von Wallis thue, husten undt schnupen haben; daß geringste, so ihnen davon [004] entstehen kan, ist, daß sie nicht eher couriren, alß biß sie im kindtbett; es macht auch offt eher ins kindtbett kommen, alß man soll. Ich habe alleweill ein brieff von meiner dochter bekommen, die schreibt mir, daß gantz Lotheringen husten undt schnupen hatt; ihr herr, ihre kinder undt sie seindt alle dran fest. Es ist mir leydt vor baron Görtz, daß er augenwehe hatt; den die, so weiße augenlieder haben, wie er, haben ordinarie keine gutte augen, also gar gefährlich, wen sich die flüße dahin stecken; den es nimbt offt ein schlimb endt vor die augen. Aber man rufft mich, in die kirch zu gehen. Nach der meß werde ich eßen gehen, hernach eine pausse machen, umb die digestion zu befördern, hernach werde ich Eüch ferner entreteniren, liebe Louisse!
Dinstag den 14 Januari umb 3 uhr nachmittags.
Meine pausse ist gethan; nun kan ich wieder schreiben. Aber da bringt man mir noch ein handt voll brieff, die muß ich leßen. Diß ist ein verdrißlicher ort; aber ich will nichts mehr von den verdruß von Paris reden, den es hilfft doch zu nichts. Es schlecht nun 4 undt meine brieffe seindt geleßen. Nun werde ich noch ferner sehen, ob ich noch Ewern brieff heütte werde beantwortten können. Wen es war ist, waß man mir gestern gesagt, fürchte ich, daß die printzes von Wallis in großen sorgen vor I. L. printzen sein werden; den man sagt, daß die pest zu Zelle ist. Zel ist zu nahe bey Hannover, umb daß der printz kein gefahr außstehen solte. Ich bilde mir ein, daß hertzog Ernst August seinen kleinen neveu mitt sich nach Osnabruck führen wirdt. Es were mir auch leydt, wen der arme Jochem Henderich Bullaw dieße abscheülliche kranckheit bekommen solte. Die liebe printzes von Wallis will alß, daß mir nicht bang vor ihnen alle sein solle; jedoch so weiß ich nicht, ob es nun nicht zeit ist, bang zu sein, nun der chevallier de St George in Schottlandt ahnkommen ist undt so woll ist entpfangen worden; daß, deücht mir, kompt doll herauß undt stehet mir nicht ahn. Gott gebe, daß ich mich betriege! Unßer kleiner könig hir au Thuillerie ist in perfecter gesundtheit, gott lob, undt kein augenblick kranck geweßen; er ist gar lebentich undt bleibt kein augenblick in selber postur; die rechte warheit zu sagen, so ist er ein ungezogen kindt; man lest ihm alles zu auß forcht, er mögte kranck werden, undt ich bin persuadirt, daß, wen man ihn corigirte, würde [005] er sich nicht so sehr passioniren, undt daß kan ihm mehr schaden, alß wen man ihn allen seinen willen lest; aber jederman will ins königs gnaden sein, so jung er auch sein mag. Bißher scheindt es nicht, daß könig Philip nicht die renonciation halten wolle. Gott bewahre unß vor neüe kriege! Es seindt noch ander müschen, die gegen meinen sohn sein, aber außer .... undt etlich pfaffen ist offendtlich niemandts gegen meinen sohn; die sichs nicht wollen mercken [laßen], kendt man doch auch, den es seindt ordinarie falsche bruder genung, so ihre cammeratten verrahten. Wo Jessuwitter undt boße pfaffen die oberhandt nicht haben, seindt sie nicht zu förchten; den sie seindt accommodant undt politisch, wen sie hoffen, in credit zu kommen können. Außzurotten ist zu starck; es ist genung, daß man ihnen keine gewalt lest. Hir in Frankreich seindt die Jessuwittercloster nicht reich, werden auch nicht so woll ernehrt, alß in Teütschlandt. Ich wünsche, daß könig Jorgen jüngere kopffe vor sich haben möge, alß bischoffe von 9 jahren. Hir seindt auch reiche bischoffe. Ich sehe, daß es nicht wollfeiller zu leben in Engellandt ist, alß hir. Ich habe den graffen von Nasau-Weillburg in meinem nahmen ahn Churpfaltz vor Eüch schreiben machen undt habe blatt herauß gesagt, daß es dem churfürsten eine rechte schande seye, Eüch eine kleine suma so übel zu bezahlen, nachdem Ihr so viel von dem Eüerigen nachgelaßen undt cedirt habt; daß dießes ohnmoglich von Churpfaltz kommen konte, so gar genereux ist, daß es lumpenleütte stehlen müßen undt daß, wofern man zu Heydelberg dran zweyfflen wolte, ich selber ahn Churpfaltz schreiben [werde]. Kan die fraw von Kilmanseck so gutt englisch nun, alß frantzosch? Ich habe wenig Teütsche gesehen, so so woll frantzösch schreiben, alß sie. Sie drinckt vielleicht englisch bier, daß macht dick undt fett. Es ist nicht schimpfflicher, alß golt von allen händen zu nehmen, aber nichts ist gemeiner in Franckreich, alß in alles zu friponiren. Unrecht gewohnen gutt kompt nicht auff den 3ten herrn; ich habs in acht genohmen, es ist gar wahr. Es ist etwaß rars, daß so interessirte leütte schulden zahlen. Nun wirdt daß geraß undt krieg erst ahngehen in Engellandt, nun Schottlandt den jungen könig ahngenohmen hatt. Vor dießem wahren ja könige von Engellandt undt könige von Schottlandt. Wen unßer könig Jorgen Irlandt, Engellandt undt alles, waß er in Teütschlandt hatt, behilt, were er doch ein großer könig undt könte dem andern [006] woll sein Schottlandt laßen, da doch so viel Catholischen in sein sollen. Die histori von bastetenbecker ist sehr wunderlich. Ich kan nicht begreifen, warumb man daß kindt gebacken hatt, hatt aber der pastettenbecker den teich nicht von der bastet gemacht? Vergangen freytag habe ich der printzes von Walliß ein brieff von 29 seytten geschriben. Ewere liebe schreiben hatt man mir nun 3mahl zwey undt zwey geschickt Ihr seydt mir gar [zu] lieb, liebe Louisse, umb mich nicht vor Eüch zu interessiren, undt wen daß ist, so findt man nicht beschwerlich, waß man davon hört. Vor alle Ewere gutte neüjahrswünsch dancke ich Eüch von hertzen. Wen Ihr alles hettet, waß ich Eüch von grundt meiner seelen wünsche, liebe Louisse, so würdet Ihr auff kein ursach Ewer leben haben zu klagen, noch zu lamentiren, auß keiner ursach von der welt. Man rufft mich zur taffel; nach dem nachteßen muß ich ahn mein dochter schreiben, kan also Ewern 2ten brieff, den ich mir vorgenohmen heütte noch zu beantworten, ohnmoglich beantworten. Gutte nacht! Ein ander mahl ein mehrers, so sterben wir heütte nicht, wie jungfer Colb alß pflegt zu sagen. Der printzes von Wallis großer brieff war eben schuldt, daß ich Eüch nicht geschriben. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt so lang ich lebe, werde ich Eüch lieb behalten, liebe Louisse!
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Brief vom 14. Januar 1716 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 1–6
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0756.html
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