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Brief vom 11. Februar 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


763.


[016]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Londre.

Paris den 11 Februari 1716 (N. 65).
Hertzallerliebe Louise, heütte habe ich kein schreiben ahn die printzes von Wallis zu beantwortten, also werde ich dieße zeit ahnwenden, auff ein theil von Ewern lieben schreiben zu andtwortten, so mir noch überig sein; hernach werde ich ahn mein dochter schreiben. Ich erwartte ihr schreiben, ich hette es schon vergangenen sontag haben sollen undt hab es noch nicht; daß verursachet der große schnee, so in Lotheringen gefahlen, undt die wölff, so gar viel leütte freßen. Ein reütter von deß prince de Lambesq[1] sein regiement hatte einen bruder zu Nancy, den wolte er besuchen; andern tags wolte sein bruder, ich weiß nicht, suchen oder entgegengehen, fandt aber nichts von seinem armen bruder, alß den kopff undt eine faust, in welcher er noch seinen bloßen sabel hatte, muß sich gegen dem wolff gewehrt haben. Sie gehen troupenweiß 7. 8 mitt einander undt attaquiren die reißenden, haben schon sehr viel leütte gefreßen,[2] hir im lande fangen sie auch ahn; daran ist der abscheüliche harte wintter [schuld]. Die auffdauung deß wetters hatt schir so viel leütte umbgebracht, alß die kälte. 8 arme wascherinen waren in ein platten schiff, umb zu waschen; dieße schiff waren ahn starcke seiller ahngebunden, daß eyß hatt die seillen oder strick wie ein meßer abgeschnitten, daß eyß hatt daß schiff weggeführt; eine hatt daß hertz gehabt, von eyßschollen zu eyßschollen zu springen, daß hatt ihr zeit geben, daß man ihr stricke hatt zuwerffen können, die ist salvirt worden, die andern aber seindt alle umbkommen. Eine hatt daß eyß den kopff glat abgehauen, eine andere den leib zertheylt, ander haben die schuldern zerhauen gehabt; aber waß ahm abscheülichsten war, eine schwangere fraw die hatt daß eyß den bauch auffgeschnitten, daß armen kindtsköpffen hatt man auß dem bauch herauß gesehen, haben so biß nach St Clou geschwumen, war [017] abscheülich zu sehen, wie man sagt undt leicht zu glauben ist. A la Greve sollen noch 15 menschen zu schanden gangen sein. Es ist aber auch nun einmahl zeit, daß ich auff Ewere liebe schreiben komme, lange bey dem vom 16/27 Jan., no 4, ahn. Von der printzes von Wallis husten undt schnupen will ich nichts mehr sagen, weillen es, gott lob, verbey ist. Ich bekomme Ewere liebe schreiben alß 2 tag eher, alß der printzessin ihre, sehe alßo, daß man unß gleich tractirt. Wir (die printzes undt ich) geben unßeren curieussen arbeydt durch die lenge unßerer schreiben.
Ich war dießen nachmittag, wie ich eben biß daher geschrieben hatte, habe ich ein schreiben von meiner dochter bekommen, so ich habe beantwortten müßen, daß hatt mich biß ahns nachteßen geführt undt noch hernach; daß verdriest mich recht, den ich bin willens geweßen, Eüch heütte eine rechte lange epistel zu schreiben. Aber es ist schon 12 geschlagen; solte ich auch erst nach 3 nach bett, so muß ich Eüch, liebe Louisse, doch noch ein wenig entreteniren. Die printzes von Wallis muß mein schreiben, so Ihr verfahren gemeint, entpfangen haben; den I. L. haben mir nichts darvon gesagt, daß sie meinen, daß ihnen eins von den meinen fehlt. Ich beklage könig Jorgen von hertzen, daß er durch point d’honneur bey den Englandern bleiben muß; I. M. wehren glücklicher undt absoluter zu Hannover; aber man entgeht sein verhengnuß nicht, waß gott versehen hatt, muß geschehen. Die sich vor den pretentent halten, werden es woll noch nicht erklären, die sach were nicht sicher. Es jammert mich recht, daß die pest zu Zel ist; die Juden, so es hingebracht, merittiren straff. Ich bin fro, daß Jochem Henderich nicht dort, sondern zu Hanover ist Ich mögte wißen, liebe Louisse, worumb daß printz Fritzgen nicht nicht nach Englandt geht. Jochem Henderich Bullaw weiß woll, daß ich mich vor ihn interessire. Ich bin gewohnt, frey mitt ihm zu reden, also würde ich daß lalala, noch dern dern nicht horen, ohne es zu widersprechen. Herr von Görtz hatt, wie mich deücht, all sein leben blöde augen gehabt. Ich halte ihn vor einen gutten, ehrlichen man undt halte viel von [ihm], daß könt Ihr ihm versichern, liebe Louisse! Sein sohn gefehlt mir auch woll, scheindt raisonabel zu sein vor einen jungen menschen. Ich wolte gern lenger schreiben, allein daß sandtmangen setzt mir zu hart zu, werde derowegen vor dießmahl nicht mehr sagen, alß daß schlaffendt oder wachendt ich Eüch allezeit von [018] hertzen lieb behaltte undt Eüch von hertzen ambrassire.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Februar 1716 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 16–18
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0763.html
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