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Brief vom 16. September 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


850.


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St Clou den 16 September 1717 (N. 7).
Hertzallerliebe Louisse, gestern fuhr ich morgendts umb 11 nach Paris, besuchte madame d’Orleans, so den sawerbrunen von Forge braucht, undt, umb die rechte warheit zu sagen, so bin ich auch hin, umb Issis[1] zu sehen, so man[2] gar lang nicht gesehen habe undt man gestern zum ersten mahl wider gespilt. Ich bin recht content darvon, den sie haben alles retranchirt, waß langweillig in dießem opera war, undt nur daß hübsche gelaßen. Ich habe, wie ich nachmittags in kutsch gestiegen, umb zu madame la princesse undt hernach zu meinen gutten freündinen, den Carmelitten vom fauxburg St Germain, zu fahren, Ewer liebes schreiben no 9 vom 31 Aug. entpfangen, undt dießen nachmittag entpfange ich daß von no 10, 4 dießes monts; werde hiemitt auff beyde zugleich undtwortten, mitt welchen die zeytungen kommen sein, wovor ich Eüch sehr dancke. Aber, hertzliebe Louisse, ist es nicht möglich, Eüch abzugewöhnen, zu glauben, daß Ewere lieben schreiben beschwerlich sein werdten? Daß macht mich so ungedultig, daß ich recht ernstlich zürnen mögte; den, liebe Louisse, habe ich Eüch den nicht hundertmahl daß gegenspiel versichert? worumb wolt Ihr den doch allezeit so abgeschmackte excussen machen? Hiemitt ist Ewer schreiben no 10 vollig beantwortet, ich komme auff daß vom 31 Aug., no 9. Seindt in keinen sorgen mehr wegen Ewere schreiben! den ich habe sie alle gar woll entpfangen. Meine gesundtheit continnuirt, gott lob, gar gutt zu sein, dancke Eüch sehr vor Ewere gutte wünsch, liebe Louisse, bin recht fro, daß Ihr auch wider gesundt seydt. Ich habe Eüch corigirt, nicht mitt urlaub von den füßen zu sprechen, weillen es gar zu bürgerlich lautt undt hir keine leütte von qualitet so reden; ahn unßerm hoff war es gar nicht der brauch, aber woll zu Cassel, da müst Ihrs gelehrnt haben. Von den Bolsinger erinere ich mich gar nicht mehr, aber woll von Spina, den es war eine kleine Spina, so offt zu mir kamme undt mir märger verzehlte, so sie gar woll verzehlen konte, hatt I. G. dem churfürsten, unßern herr vatter, offt verzehlt, aber keinen hoffdockter habe ich [091] von dem nahmen gekent;[3] den zu meiner zeit war dockter Faust hoffdockter.[4] Es ist mir leydt, daß Sejanus todt ist. Wo hat seine tochter die einfalt her? den er war gar nicht einfältig. Ich bitte, fraw[5] doch, wo die kleine Spina hinkommen ist! ich wolte, daß sie woll versorgt were. Der baron de Spina de la grande haye muß recht verstandt haben, artig von seinem neüen standt zu reden konen; daß wirdt machen, daß man desto mehr von ihm halten wirdt. Warumb, weillen dieße leütte re[i]ch sein, heürahten sie nicht? Die frantzösche zeittungen da gibt man Eüch, liebe Louisse, kein groß pressent; aber es seindt keine übel geschriebene in der gantzen weldt. Ihr sagt, daß ich Eüch[6] meine schreiben erquickung geben, warumb wolt Ihr den nicht, daß ich Eüch 2 mahl die woche schreiben solle? Die printzes von Wallis rechnet, in einem monat niederzukommen. Gott der allmächtige verleye, daß es woll ablauffen möge! Sie meint, zwilling zu tragen. Ich wünsche auch, daß Ihr alles vergnügen ahn Ewern niepcen erleben möget. Die ursach, in Englandt ins kindtbet[t] zu kommen, ist gar valable. Nach aller aparentz wirdt Ewer schwager woll nicht lang mehr leben, alßden werden Ewere kinder ihren freyen willen haben. Die see ist eine heßliche sach, ich traw ihr kein haar. Die printzes von Wallis hatt mir geschrieben, daß ihr vetter, printz Allexander von Württenberg, verwundt ist. Ich weiß woll, wie es geht, wen man so 3 stück salven giebt, [ich habe es] zu Heydelberg bey dem alten schloß offt gesehen auß selbigen ursachen alß nun. Aber der arme kauffmans-sohn, so zum fenster nauß gefahlen, hatt ein ellendig fest gehalten, den voll den halß zu brechen, ist abscheülich undt erbarmblich zu begegenen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort, nur noch sagen, daß die fraw von Rotzenhaussen nicht weiß, waß vor eine fraw von Wetzel zu Franckfort ist. Wir haben nichts neües hir, schließe also nur undt versichere Eüch, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. September 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 90–91
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0850.html
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