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Brief vom 17. Oktober 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


857.


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St Clou den 17 October 1717 (N. 14).
Hertzallerliebste Louise, da komme ich, mein wordt halten undt auff Ewer liebes schreiben vom 28 September andtwortten. Vissitten, wen sie weg sein, hintern nicht, daß man schreibt, undt wie ich Eüch schon einmahl geschrieben, ich kan weder spillen, noch arbeytten, undt wen ich nichts thue, wirdt mir die zeit gar zu lang, muß allezeit entwetter leßen oder schreiben; also habt nie keinen scrupel, wen ich Eüch schreibe! den schriebe ich nicht ahn Eüch, liebe Louisse, so were es ahn jemandts anders. Wo habt Ihr, Louise, daß Latein gelehrnt? So gelehrt bin ich nicht undt weiß gar nicht, waß species facti ist; weillen aber der churfürst zu Pfaltz schon beßern befehl vor Eüch hatt außgehen laßen, so ist zu hoffen, daß er daß werck, so er nun woll ahnfengt, auch woll enden wirdt; auffs wenigst wünsche ich es von hertzen undt daß Ihr in allen Ewern affairen vollig vergnügen haben möget. Wen heütte waß überzwergs schreibe, were es woll kein wunder; den ich habe hinder mir ein spiel du pharaon, auff meiner rechten ein hoca, auff meiner lincken ein ombre undt schachspiel undt nahe bey dem bett ist ein berlan. Also kont Ihr woll gedencken, welch ein [103] abscheülich geraß in dießer cammer sein muß. Ich habe woll gehört, daß daß beylegen von der churprintzes beylager magnifiq geweßen, allein es hatt mir noch niemandts sagen können, worinen dieße magnificentz bestanden; wen Ihr es wist, liebe Louisse, so bericht michs doch! bitte ich. Es ist kein wunder, daß der verstorbene churfürst schulden gemacht hatt, er hatt, wie man sagt, einen königlichen staadt gefürht undt daß sprichwort nicht observirt: Man muß sich strecken nach seiner decken. Überdaß habe ich gehört, daß seine bedinten den armen herrn abscheülich bestollen haben; daß gehört auch zum königlichen staadt undt kunte man darauff sagen, wie in der ittallien[i]schen commedie vom empereur dans la lune[1]: C’est tout come icy. Der churfürst gibt Eüch so wenig, daß er es nicht verspüren kan. Von den alliodallischen sachen verstehe ich eben so wenig, alß wen es grichisch were; kein mensch in der weldt verstehet weniger affairen, alß ich. Diß jahr klagen schir alle menschen kopffwehe; daß habe ich selten, aber meines sohns gemahlin hergegen ist abscheülich mitt migrainen geplagt, war gestern abendts ahngefangen, auff einmahl sich abscheülich zu üb[er]geben. Daß es ihr heütte wider woll ist undt mitt mir a la Meutte gefahren ist zu I. L. fraw dochter… Starcke schnupen geben ordinarie kopffwehe; wen man einen heyßern halß bey dem schnupen bekompt, werdt es ordinaire nicht lang, wünsch, daß es so bey Eüch eintreffen mag, liebe Louisse! Den nichts in der welt ist ungemäglicher, alß schnupen undt husten, wolte alß lieber das fieber haben; aber kein gefahrlich fieber wünsch ich Eüch nicht, aber woll, daß Ihr noch lang leben mögt, liebe Louisse! Es ist mir auch nicht leydt, daß Ihr auß Englandt seydt; den ich bin persuadirt, daß die Franckforter lufft Eüch viel gesundter ist. Es wirdt der madame Dangeau lieb sein, daß ihre fraw schwester, die fürstin von Ussingen, die thorheit nicht begangen hatt, sich wider zu verheürahten; den sie ist kein kindt mehr. Daß sie es nicht ahn jemandts geschrieben, ist keine probe, daß sie es noch nicht thun wirdt; den wovor man sich zu schämmen hatt, daß sagt man nicht gern. Der könig hatt viel schulden gemacht,[2] weillen er [104] nichts von seinen königlichen pracht hatt retranchiren wollen, hatt also gelt gelehnt, wozu die minister praff geholfen; den wo der könig einen heller gezogen, da haben sie mitt ihren creaturen pistollen bekommen undt durch ihr schelmereyen undt stehlereyen den könig undt königreich arm, sich aber braff reich gemacht. Mein sohn gibt sich tag undt nacht mühe undt sorgen, alles wider zu recht zu bringen, undt kein mensch weiß ihm danck, hatt viel feindt, die ihm alles übel threhen undt mitt fleiß leütte bestellen, ihn bey dem peüpel verhast zu machen, welches leicht geschicht, insonderheit weillen er nicht bigot ist. Mein sohn ist so wenig interessirt, daß er nie hatt, waß ihm von der regence von rechtswegen gebührt, hatt keinen heller davon genohmen, ob er es doch wegen seiner viellen kinder hoch von nöhten hette. Der junge könig hatt leütte umb sich, so meinen sohn gar nicht gutt sein, ob er zwar sein schwager ist, aber ein falscher hipocrit, der alle heyligen freßen will[3] undt doch der böste mensch von der welt ist.[4] Zu deß königs zeitten, wen er jemandts flatirte undt gutte wordt gab, ware es sicher, daß er ihm ein stückelgen ahngemacht hatte; seine leibliche mutter hatt er von hoff machen gehen, seiner geweßenen hoffmeisterin, der alten Maintenon, zu gefahlen. Es war ihm so bang, daß seine fraw mutter sich wider bey hoff einschleichen mögte, daß er ihre meublen auß dem fenster werffen ließ. Ihr könt leicht gedencken, waß einer von dießem humor capabel sein kan, ich fürchte ihn vor meinem sohn wie den teüffel undt finde, daß mein sohn sich nicht genung vor ihm hütt. Monsieur de Rion,[5] welcher eben der ist, der seine schwester, madame Dedie, verlohren, ist noch gantz trawerig, kan sie nicht vergeßen. Er ist ein gutter bub, hatt keine maitressen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben völlig beantwortet, nur noch sagen, daß wir dießen abendt unßer große [105] geselschafft hir verliehren, nehmblich madame d’Orleans, ihr 2 kinder, den duc de Chartre undt mademoiselle de Vallois, aber die großhertzogin, so donnerstag, alß vorgestern, nach Paris ist, wirdt dießen abendt widerkommen. Die fraw von Rotzenhaussen sagt alß, meine taffel seye wie der mont, nimbt ab undt zu. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen, wünsche Eüch eine gutte gesundtheit, versichere Euch, daß ich Euch recht von hertzen lieb habe undt allezeit behalten werde.
Sontag abendts, umb halb 7 abendts.
Ich entpfang Ewr liebes schreiben vom 5 October, no 19, werde aber die andtwort auff donnerstag versparen, den ich habe noch 4 brieff heütte zu schreiben, 2 seindt mir extraordinari kommen von der duchesse du Lude undt der superieure von den Carmelitten. Mein secretarius undt mein dochter brieff muß ich außschreiben, aber donnerstag-post werdtet Ihr[6] ein schreiben beantwordten, ehe ich nach Paris fahre.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Oktober 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 102–105
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0857.html
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Tintenfass