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Brief vom 13. November 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


864.


[123]
St Clou den 13 November 1717, umb halb 9 morgendts (N. 23).
Hertzallerliebe Louisse, weillen ich vorgestern in Ewerm lieben schreiben ersehen vom 30 October, daß sich ein ihrtum im calcul von meinen schiffern gemacht undt 2 mahl 14 gesetzt, umb [124] es also wider recht einzurichten, so setze ich jetzt no 23 ahnstatt no 22, umb die schiffern wieder recht einzurichten, damitt Ihr alß sehen könt, ob Ihr meine schreiben richtig entpfangt; undt solte sich wieder ein ihrtum finden, bitte ich Eüch, es wider zu schreiben, so wirdt es gleich wider eingericht werden; den sonsten könt Ihr ja nie wißen, ob ich Eüch alle post schreibe oder nicht. Mich deucht, unßer commerce geht nun zimblich richtig undt seindt, gott lob, noch keine brieff verlohren gangen; der printzes von Wallis aber fehlen etliche von meinen brieffen. Die arme printzes war den 5 dießes monts noch nicht im kindtbett undt hatt doch schon seyder 4 wochen große schmertzen, jammert mich von hertzen; ich fürchte, daß kindt wirdt wieder noht leyden. Gott gebe, daß ich mich betrüge! Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich ein wenig ordendtlicher auff Ewere liebe schreiben komme, fange ich bey dem vom 30, no 26, ahn. Wir haben schon von den schiffern gerett, komme also auff Ewere wünsche, liebe Louisse! Waß Ihr wünscht, kan ohnmöglich geschehen; aber es were beßer gangen, wen die refugirten, so auß Englandt kommen sein, sich nicht so übel gehalten hetten undt alles mitt hauteur außrichten wollen undt gepralt hetten undt sich gar nicht soumis erwießen, undt ob man ihnen zwar gesagt, daß sie keine versaml[ung]en machen solten, undt es ernstlich verbotten, haben sie es doch gantz offendtlich gethan undt dadurch alle pfaffen undt mönchen ins harnisch gebracht; da war kein hülff noch raht mehr, haben also alles verdorben. Ich hatte sie durch den secretarius von Hollandt residenten wahrnen laßen, aber es hatt nichts geholffen, sie haben alles so verdorben, alß wen sie es mitt fleiß gethan hetten. Nun ist nichts mehr vor ihnen zu thun undt ihre eigene schuldt. Daß ist woll gewiß, daß alle große potenthaten nur auff ihre politesse[1] undt interesse agiren. Wen es gott anderst wolte, würde es gar gewiß geschehen; den in der heyligen schriefft stehet ja, daß gott der könige hertzen in seiner handt hatt undt sie neyget, wohin er will,[2] also muß [man] ihn gewehren laßen. Die printz[essin] von Wallis muß woll eine gutte natur haben, ohne sterben 4 gantzer wochen die wehen außzustehen können. Gott erhalte sie lange jahren! Die printzessin schreibt mir, daß sie weder eßen, noch schlaffen kan. Alle junge weiber, so nie keine kinder [125] gehabt haben, meinen alle, sie müsten sterben; ich bin auch so geweßen, undt mein dochter, ob sie zwar schon 14 kinder gehabt, meint doch allezeit, zu sterben; also müst Ihr Eüch nicht wundern, daß Ewere niepce dieße forcht hatt. Daß ist gar nichts frembts, daß eine schwangere fraw ein viertel-stundt ohnmächtig wirdt; daß ist mir mitt meinem ersten kindt mehr, alß einmahl, widerfahren. Es seindt wenig exempel, daß maner nach ihren weibern sterben; aber es wirdt, ob gott will, weder vor eines, noch deß andern haben. Kinder bekommen, ist gar eine natürliche sag; Ihr solt Eüch nicht so sehr angstigen, liebe Louisse! es ist zu ungesundt. Ich bitte Eüch umb verzeyung, allein so viel guts ich Eüch auch gönne, so kan mirs doch nicht leydt [thun], daß Ihr in dießer jahrszeit nicht nach Englandt könt; es were gar zu gefahrlich, über die see in dießer jahrszeit zu fahren. Ahnstatt Ewerer neuveu undt niepcen daß leben zu erretten, würdet Ihr daß Ewerige in zu großer gefahr setzen. Wen kein accident, kan man gantz leicht niederkommen, undt solte gefahr kommen, würdet Ihr, liebe Louisse, nichts dazu thun können undt nur occassion zu leyden undt betrübtnuß haben; last also gott gewehren undt bett nur fleißig vor Ewere niepce! Daß ist daß beste, so Ihr vor sie thun könt, undt quelt Eüch nicht zu todt! Es ist mir leydt, wen Ihr, liebe Louisse, hertzensbrast habt; allein es wer mir leydt auch, wen Ihr nicht daß vertrawen zu mir hettet, mir Ewer hertz zu öffenen undt Ewer leydt zu klagen; den daß ist ein zeichen von lieb undt freündtschafft, ahn die, so man weiß, das sie unß lieben undt part nehmen in waß unß betrifft, offenhertzig zu reden. Also last Eüch nicht gereüen, waß Ihr mir gesagt habt, undt seydt versichert, daß niemandts mehr part drinen nimbt, alß ich! Daß Ihr Eüch nicht betrübt, daß Ewer kleiner nepheu zum engelgen geworden, nimbt mich gar nicht wunder, aber woll, daß vatter undt mutter es sich so baldt haben getrösten können, ist englisch undt nicht teütsch. Die weibsleütte seindt unglücklicher, alß die manßleütte, drumb stirbt ein sohngen eher, alß eine dochter. Ihr waret noch zu jung, umb Eüch madame Trelong zu erinern, wie sie weg zog. Ich dancke Eüch sehr vor die silberne medaille, so Ihr mir geschickt, liebe Louise, sie kompt mir woll zu paß; den ich habe dockter Luther auch in silber undt in golt. Ich bin persuadirt, daß dockter Luther beßer gethan hette, keine aparte kirch zu machen, sondern nur die [126] papstliche ihrtum alß zu wiederstreytten, so hette er viel mehr gutts außrichten können. Hiemitt ist Ewer letztes schreiben vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß, wo ich vergangen donnerstag geblieben war. Ich war ahn dem geblieben, wie mein sohn mehr gehast, alß geliebt kan werden, undt wie sein elster schwager undt seine gemahlin ihren eüßersten fleiß ahnwenden, ihn bey dem volck verhast zu machen. Madame du Maine hatt pasquillen außgehen laßen gegen meinen sohn; es ist eine boße race alle der Montespan ihre kinder. Der junge könig hatt eine artige figur undt viel verstandt, aber ein bößes kindt, liebt nur seine geweßene hoffmeisterin, sonsten nichts in der welt, undt nimbt ohne ursach aversion gegen die leütte undt sagt schon gern waß piquantes. Ich bin gar nicht in seinen gnaden, bekümere mich aber gar nicht drumb; den wen er regiren wirdt, werde ich nicht mehr in dießer welt sein, noch von sein caprice zu despendiren haben. Wen ich meinem sohn sage, sich vor die boßen leütte zu hütten, so lacht er undt sagt: Vous saves bien, madame, qu’on ne peust evitter ce que dieu nous a de tout temps destines; ainsi, si je le suis a perir, je ne le poures evitter; ainsi je feres ce que qui est raisonable pour ma conservation, mais rien d’extraordinaire. Mein sohn hatt woll studirt undt ein gar gutt gedächtnuß undt weiß von allem zu reden, spricht woll, insonderheit in publick, aber er ist ein mensch, hatt also seine fehler, wie ein ander, aber waß er schlimes hatt, is nur gegen ihm selber; den gegen andern ist er nur gar zu gutt. Auff Ewere gutte wünsche vor ihm sage ich von hertzen mitt Eüch amen. Wir werde[n] die fraw von Rotzenhaussen baldt verliehren, aber ich hoffe, daß es nicht vor langer zeit sein wirdt undt sie auffs lengst nur ein mont 2 oder 3 auß bleiben wirdt. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben auch exact beantwort. Ich laß mein paquet biß morgen offen, kompt waß neües, werde ich es hir zusetzen, nun aber nur versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
Sontag, den 14 November, umb 3/4 auff 8 morgendts.
Seyder gestern habe ich gar nichts neües erfahren, liebe Louise, komme nur, Eüch hiemitt einen gutten morgen zu wünschen. Daß hertz ist mir gantz schwer, wen ich gedencke, daß ich [127] Eüch über 8 tagen auß dem abscheülich undt vor mich trauerigen Paris schreiben werden, umb 6 mont dort zu bleiben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. November 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 123–127
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0864.html
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