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Brief vom 23. Dezember 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


875.


[153]
Paris, den 23 December 1717, umb halb 10 morgendts (N. 35).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe kein frisch schreiben von Eüch bekommen, aber ich habe noch 2 alte, die werde ich heütte, wo mirs möglich ist, beantwortten, fange bey dem von 4 dießs monts ahn. Bin fro, daß Ihr meine brieffe richtig entpfangen; mich deücht, eine post gehen sie recht, die ander zu spät. Monsieur d’Arcy[1] hatt sich lang in Hollandt auffgehalten, wo er auch wieder hin ist. Mein sohns aug ist weder beßer, noch schlimer. Der dorffpfaff hatt noch gutte hoffnung, sagt, es gehöre zeit dazu. Mein sohn hatt sich [154] nicht auffs neü im balhauß blessirt, es ist noch alß der alte schlag, den er sich vor anderthalb jahren geben;[2] er gesicht nun nicht woll genung, umb zu spillen können. Mein sohn ist incapable, mehr, alß zwey oder 3 tag, diet zu halten. Viel, zu drincken, ist freylich schlim vor die augen, undt zu allem ungluk sauffen die damen hir mehr, alß die mansleütte, undt mein sohn (unter unß gerett) hatt eine verfluchte maitres, die seüfft wie ein bürstenbinder, ist ihm auch gar nicht treü. Aber da fragt er kein haar nach, ist gar nicht jaloux; daß macht mich alß bang, daß er noch etwaß schlimes von dießem commers ertappen wirdt; gott bewahre ihn davor! Dieße verteüffelte compagnie, wo er bey alle nacht zu nacht ist undt sein ahn taffel biß 3 oder 4 uhr morgendts, daß muß gewiß ungesundt sein; aber daß argste ist, daß, weillen er nicht jaloux, kan er kein abscheü vor seiner boßem compagnie leben nehmen. Gott wolle unß beystehen undt nicht straffen! Ich bitte Eüch, last[3] fleißig vor seine bekehrung! Er hatt keine andere fehler, alß dieße, aber sie seindt groß. Mylord Stairs ist todtlich kranck geweßen, aber nun wieder viel beßer. Seine gemahlin hatt sich hir ein groß lob erworben durch die sorg, so sie vor ihrem man gehabt. Sie ist weder nacht, noch tag von ihm gewichen. Man weiß nicht, wie die arme fraw es hatt außstehen können. Also habt Ihr, liebe Louisse, woll recht, sie eine braffe fraw zu heißen. Unßer liebe printzes von Wallis jammert mich so von hertzen, daß ich sie gestern beweindt habe. Es ist auch recht erbarmblich, wie die fraw gräffen von Buckenburg mir ihren außzug auß Ste James beschreibt; die arme printzes hatt eine ohnmacht über die ander bekommen, wie ihre 3 kleine printzeßger in vollen threnen abschidt von der fraw mutter genohmen haben; daß hatt mich recht touchirt. Ich verzehle Eüch die händel nicht, so ursach ahn dießem desordre[4] sein, undt wie der duc de Neucastel[5] ahn dießem allem [155] schuldig ist; den ich zweyffle [nicht], daß der graff von Degenfelt Eüch dieß alles schon wirdt verzehlt haben. Graff Degenfelt undt seine gemahlin seindt jung genung, umb mehr kinder zu bekommen, alß nöhtig ist, medger undt buben, undt Ihr seydt ja noch nicht alt genung, umb solches noch zu erleben können. Wie mir die printzes von Wallis den graff Degenfelt beschrieben, so soll er viel schönner, alß Ewere niepce, sein. Daß tochtergen hatt woll gethan, dieße gleichnuß zu nehmen; zu dem so sollen alle tochter glücklich werden, so den vättern gleichen. Man muß hoffen, daß der sohn so folgen wirdt; den daß solle auch glück bringen. Die plaissanterie, so er Eüch über sein dochtergen macht, lautt gantz, alß wie sein vatter, herr Max, alß zu sprechen pflegte. Ich habe Eüch woll gesagt, das die ohnmachten, so die graffin von Degenfelt im schwangersein gehabt, gar nichts gefahrliches wahren. Es gehen viel englische brieff verlohren, es fehlen der printzes von Wallis 4 von den meinen. Es ist so heßlich, schlim wetter, daß ich in dießen weinachtfesten woll einen neüen husten in den kirchen ertapen kan, aber nicht a la messe de minuit, da gehe ich seyder etlich undt 20 jahren nicht mehr ihn,[6] sondern ich comunicire Christag morgendts undt halte meine vorbereyttung den tag vorher. Daß weiß kraut verspüre ich woll, daß es viel windt gibt undt blehet, aber nie der braune köhll. Ich eße keine sawere milch undt eße lieber sawerkraut mitt fleisch, alß mitt fisch. Es ist jetzt schon 12 tag, daß die fraw von Ratzamshaussen wider nach Strasburg ist. In meiner küche seindt wenig teütsche eßen bekandt; ich habe nur frantzösche undt keine teütsche köche, jedoch habe einen neüen, so lang bey dem marechal de Chamillie[7] gedint, wie er zu Strasburg geweßen, der kan sawerkraut zimblich woll kochen; es hatt aber doch den frischen geschmack nicht, wie bey unß. Nichts ist verdrießlicher in meinem sin, alß allein eßen, undt hir muß es sein, drumb bin ich lieber zu St Clou; den a la campagne speist man allezeit in compagnie, könig undt königin selber, drumb hatt man allezeit zu Marly mitt viel leütten geßen. In allen gar großen statten ist es thewer leben, aber erhelt der duc de Schonburg seine dochter, die doch seine erben sein, nicht auff seinen kosten? Von herr Max habe ich recht viel gehalten; wen sein sohn so ist, würde [156] er mir auch gefahlen; er wahr ein gutter, ehrlicher mensch undt seine fraw auch, die erste, die Landas, die wir alß baß Amalie heßen, weillen die Lopessin ihr allezeit so geruffen. Die fraw Zachman ist wieder gesundt undt bey mir geweßen, aber sie ist sehr mager geworden undt sicht noch nicht gar woll auß, sehr verendert. Mein sohn ist so überheüfft von den innerlichen affairen deß reichs, daß herr Zachman noch keine audientz hatt haben [können]. Die gantze provintz von Bretagnien will sich empören, man hatt troupen hinschicken müßen. Mein sohn ist woll zu beklagen undt eine rechte gequelte seele; es ist nicht außzusprechen, waß er von morgendts umb 6 biß a[be]ndts umb 8 zu thun zu thun hatt. Umb sich ein wenig wider zu erquicken, thut er die mahlzeiten, wo ich im ahnfang dießes brieffs von gesprochen. Aber nun muß ich eine pausse machen undt mich ahnziehen; den es ist schon spät. Dießen nachmittag werde ich dießen brieff außschreiben undt auff daß vom 30 November antwortten.
Donerstag, den 23 December 1717, umb halb 10 abendts.
Gleich nach dem eßen ist madame d’Orleans zu mir kommen, weillen sie sich in ihrem closter die fest[t]ag über einsperen geht. Gleich hernach bin ich zur großhertzogin a la Place-Royale, so weit von hir ist; bin erst gegen 6 wider kommen. Der abbé Dubois wirdt dießen abendt oder morgen in aller früh wider nach Engellandt, also habe ich durch ihn ahn die printzes von Wallis geschrieben. Ich war willens, noch auff Ewer liebes schreiben [vom] 30 zu andtworten, aber wie ich es wider überleße, finde ich, daß ich schon auff alle dieße article geantwortet habe, will nur noch sagen, daß die mortthat endeckt ist. Der cammerdinner hatte ein weib, daß war ihm untreü, sie hatte einen soldat au garde lieb; mitt dem hatte sie ahngelegt, den man umb leben zu bringen undt den abt, so gelt gewohnen, zu bestellen; wie der knecht eben ermordt, kam der herr nach hauß, drumb haben sie ihn auch ermordt. Die fraw hatt man gefangen, die hatt gleich alles gestanden, aber der schelmische soldat hatt sich salvirt. Ich wünsche Eüch eine glückseelige nacht undt bitte, alle fehler zu entschuldigen. Wo ich nie ahn fehlen werde, ist, Eüch hertzlich lieb zu haben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. Dezember 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 153–156
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0875.html
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