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Brief vom 6. Januar 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


879.


[160]
Paris den 6 Januari 1718 (N. 40).
Hertzallerliebe Louise, ich habe kein frisches schreiben von Eüch entpfangen, werde hiemitt also nur auff Ewer schreiben andtworten, so ich noch nicht habe beantwortten können, es ist daß vom 14 December, no 39. Ich muß lachen, daß Ihr Eüch geeylt habt undt doch zu spat kommen seydt; daß gemandt mich ahn daß [161] mergen,[1] so man mir verzehlt, wie ich noch ein kindt war. Es ist, wie Ihr wist, gar lang gelitten.[2] Aber damitt ich wieder auff mein mergen komme, so wolte eine schnecke zur hochzeit kommen, kam aber erst daß ander jahr zur kintauff,[3] fiel über den zaun undt sagte: Eyllen thut nimer gutt. Wen unßere brieff nur 9 tag alt sein, hatt man sich nicht zu beschwehr[e]n. Schreiben schadt mir nichts, ich müste lengst todt [sein], wen daß schaden solte; den es geht kein tag vorbey, daß ich nicht irgendts hin zu schreiben habe. Meines sohns aug ist ein wenig beßer, gott lob! also hoffnung, daß es wider gutt werden wirdt. Auß Englandt undt die, so hingehen, verliehren sich viel brieff; es fehlen der printz[essin] von Wallis 4 von den meinen, also kein wunder, daß der fr. gräffin von der Bückenburg brieff ahn Eüch, liebe Louise, auch verlohren worden. Der graff Degenfelt konte woll den abbé Dubois nicht finden; den er war gewiß in der zeit hir zu Paris, ist erst den Christag wider nach Engellandt gereist. Ich werden dem abbé morgen schreiben, den ich habe heütte morgen ein schreiben von ihm bekommen, undt werde ihm commission geben, den graff Degenfelt meinetwegen zu grüßen undt auch die graffin. Ich weiß der fr. gräffin rechten danck, nach Teütschlandt zu verlangen; daß ist ein zeichen, daß sie ihr teütsch geblüdt in sich fühlt undt nichts von der englischen boßheit in sich hatt. Daß der graff Degenfelt nach hauß verlangt, ist kein wunder, den Teütschlandt ihm bekandt ist. Hetten unßere ehrliche Teütschen viel gelt, würden sie sich vielleicht auch verderben, auch wie andere nationen leben. Waß hir die leütte verdirbt, ist interesse undt abscheüliche desbeauche. Die den abbé de Boquoy bestollen, habens nicht gethan, umb ihm wider zu geben; wirdt es woll nie wider bekommen. Es ist leicht zu glauben, daß Ihr nicht gern eine societet mitt dem nahren haben wolt; von naren hatt man nie nichts guts. Ich finde, daß der duc de Schonburg es nicht ahn Eüch verdint, daß Ihr Euch eine solche plage umb seinen affairen ahn soltet thun, weillen er keine danckbarkeit davor hatt. Solten es den die gens d’affaire vom duc de Schonburg nicht so woll verstehen, alß Ihr, liebe Louisse? Es ist leicht zu glauben, daß Churpfaltz leutte lieber daß gelt in sack stecken, alß Eüch zu [162] geben; daß solte aber der churfürst nicht leyden undt desto weniger, daß sie bey Eüch ahnfangen undt bey ihm enden. Aber da schlegt die uhr halb 12, ich muß mich ahnziehen undt in die kirche gehen; den es ist heütte allerkönigenfest. Ich werde aber gantz allein eßen undt h. 3 königin[4] ohne lust zubringen. Ein alt opera sehen, so man 200 mahl gesehen undt außwendig weiß, ist ein schlegter spaß.
Umb 3 viertel auff 3 nachmittags,
ehe ich zur großhertzogin fahre, den ich wolte gern bey hellem tag enden; den ich habe einen abscheülichen schnup[en.] Meine schnupen enden allezeit mitt husten undt ich hab verspürt, daß, wen ich nachts bey dem licht schreibe, verdoppelt es mir den schnupen, will derowegen mein bestes thun, dießen brieff zu enden, ehe ich außfahre. Ich habe allezeit verspürt, daß, wen ich im schnupen die lufft nehme, courire ich eher, alß wen ich die kammer halte, werde doch alles auß[5] meine seydt zumachen, den behilte ich keine fenster offen, würde in[6] ohnmachtig werden. Es ist [mir] gantz bang auff meiner dochter reiß, sie wünscht es so erschrecklich, daß mir gantz bang ist, daß es mitt einer betrübtnuß enden wirdt, wovor unß gott gnädig bewahren wolle! Was Ihr sagt, liebe Louisse, ist war undt billig; allein man meint, man könne wünschen, wünschen undt begehren, waß erlaubt ist, nehmblich seine ältern, mutter undt bruder zu sehen. Kommen sie (woran ich doch sehr zweyffle), so wirdt es in 5 wochen geschehen. Dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor alle Ewere gutte wünsche undt versichere Eüch, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Umb 9 abendts.
In dießem augenblick entpfange ich Ewer paquet undt brieff 21,[7] no 41. Kan heütte nicht drauff andtworten; den ich bin so verschnupt, liebe Louisse, daß ich nicht auß den augen sehen kan; dancke nur vor alles.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Januar 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 160–162
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0879.html
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