[182]
A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Paris den 10 Februari 1718, umb halb 6 abendts (N. 49).
Hertzallerliebe Louise, in dießem augenblick komme ich von
[183]
5 meil von hir, wo ich zu mittag geßen, nehmblich von Chelle.
[1]
Ich hab 3 halb stundt ahngewendt im hinfahren, eben so viel im
herfahren undt hab 3 stundt ahngewendt, im closter zu bleiben. Da
bin ich nun wider, ich habe meinen mögligsten fleiß ahngewendt,
mademoiselle du
[2] persuadiren, keine non zu werden; aber sie
will es mitt aller gewalt sein. Ich will mich weitter nicht drin
mischen; vatter undt mutter mögen sehen, wie sie die sach
außführen wollen. Ich komme auff Ewer lieb[e]s schreiben vom 22 Jan.,
no 7. Es frewet mich, wen ich sehe, das unßere brieffe so richtig
gehen. Gott gebe, daß es dawern mag! Von meinen husten undt
schnupen sage ich nichts mehr; den es ist lengst verbey, mögte
aber woll widerkommen, den daß wetter ist abscheülich rau undt
wider seydt 4 tagen ein starcker frost. Alle gräben seindt
zugefrohren undt bey der Bastille habe ich viel leütte auff schrittschu
gehen sehen. Ich befinde mich doch nun, gott lob, recht woll.
Nichts bringt mehr unglück, alß wen man sich berümbt, daß man
perfect gesundt ist; es kompt alß waß hernach. Daß saußen im
kopff ist, gott lob, nichts gefährlichen; die noch lebt, die hatt es
seyder 50 jahren undt befindt sich noch woll, geht in ihr 84 jahr,
hatt noch gutt gedachtnuß undt gutten verstandt, ist aber ein
wenig schwächer auff den beinen, alß sie geweßen, welches nicht zu
bewundern ist. Es ist eine heßliche sach umb die see, mir ist sie
recht zuwider; wens nur, daß man keine brieffe richtig bekommen
kan, were es mir zuwider. Monsieur Darcy hatt die printzes von
Wallis gesehen. Seiner gräffin von Essex mögte daß reißen woll
verleyden. Ich glaube, wen man salvirt ist, fragt man wenig
darnach, wo die jagt
[3] hinkommen ist, worinen man geweßen. Die
unglück, so durch die waßerfluht geschehen, jammern mich von hertzen,
insonderheit der graff von Oldenburg undt seine fraw mutter; den
bey ihren verwantten hir wirdt sie keine resource finden. Der konig
in Englandt, wen ichs sagen darff, tractirt die princes von Wallis
zu hart, die doch nichts gethan hat, ihren kindem zu verbietten,
zu ihr zu komen, die sie so hertzlich liebt. Wo können sie auch
beßer erzogen werden, alß bey einer so verstandigen undt
tugendtsamen fraw mutter? Daß ist übel bedacht in meinem sin. Waß
man in den teütschen zeittungen sagt vom czaar dochtergen, ist kein
[184]
wordt war; sie were aber nicht die erste moscowittische printzes,
so königin in Franckreich geweßen were; den Henry premier hatte
eine geheüraht,
[4] weillen ein papst ihm ein heüraht hatte brechen
machen mitt einer nahen baßen. Mein nachteßen ist kommen; ich
muß enden, Ewer brieff ist beantwort, kan vor dießmahl nichts mehr
sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte. Entschuldigt die
fehler! Ich kan mein brieff nicht überleßen.