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Brief vom 27. Februar 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


893.


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Paris den 27 Feb. 1718, umb 8 morgendts (N. 54).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich mehr zeit zu finden, Eüch zu entreteniren, alß vergangen donnerstag, da ich zur großhertzogin fahren muste; den heütte werde ich nicht außfahren. Mein husten ist viel stärcker worden, habe dieße nacht gar wenig geschlaffen, continuirlich gehust. Ich will die cammer halten, biß ich wider beßer sein werde. Ich bin vor morgen auff ein fest geladen zu madame de Berry, so sie meinen lotheringischen kindern geben wirdt; aber über daß ich die großen versamlungen mehr scheüe, alß suche, so habe jetzt eine gar zu gutte entschuldigung; den ich bin recht kranck, habe gestern undt die gantze nacht ein wenig hitz gehabt undt der kopff ist mir schwer, werde also hübsch ruhig morgen zu hauß bleiben undt abendts in die ittalliensche commedie gehen, welches nicht so weit von mein cabinet, alß zu Heydelberg von meiner cammer in den gläßern saal, undt nichts offen; da ist also eben, alß wen ich die comedie in mein cabinet sehe, macht mich auch nicht spatter eßen, also nicht spätter schlaffen gehen, hindert mich also ahn nichts, kan ohne ambaras ein- undt außgehen. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich auff Ewer letztes liebes schreiben vom 12, no 13, komme. Ich weiß nicht, wie ich so ein dummer teüffel bin, allezeit überzwerg zu chiffriren; den ich habe es doch in meim callender auffgeschrieben. Daß schreiben, so mitt Lenor andtwortt verlohren, war auß St Clou. Es verliehen sich viel; der printzes von Wallis fehlt woll ein halb dutzendt. Ich hoffe, wir werden Lenor baldt wider hir haben. Ich muß lachen, daß Ihr die bagattellen, so ich Eüch geschickt, ein magnifiq pressent heist; bin fro, liebe Louisse, daß es Eüch so ahngenehm geweßen, hette mich aber nie flattiren können, daß es Eüch so lang freüen solte. Mich freüet noch mehr, zu sehen, liebe Louisse, daß Ihr so woll mitt mir zufrieden seydt. Meindt Ihr den, liebe Louise, daß ich so interessirt bin, daß ich auff nichts achte, alß worinen ich einen nutzen finde? Wen Ihr daß glaubt, so kendt Ihr mich noch [195] nicht. Ich estimire mehr wahre freündtschafft von leütte, so [ich] estimiren kan undt welche tugendtsam sein, alß gelt undt gutt, undt halte daß mehr vor einen schatz, alß demanten. Die printzes von Wallis hatt mir versichert, daß ihr herr alles gethan, waß in seinem vermögen ist, umb wider in seines herr vattern gnaden zu kommen, daß er so demütig umb verzeyung gebetten undt sein unrecht bekendt, wie man es vor gott thun kan, daß aber alles nicht hilfft. Hirin hatt doch der könig in meinem sin unrecht; den wen sein sohn sich soumettirt undt seine schuldigkeit thut, solle ihn der könig ihn auch wider in gnaden nehmen. Da bekomme ich zwey schreiben auff einmahl. Die printzessin ist noch in zu großer betrübtnuß, umß[1] zu schreiben können. Sie jammert mich von hertzen; es were woll einmahl zeit, daß ihr unglück auffhören solte. Der konig in Englandt solle seinen enckel sehr beweindt haben. Es ist, wie man mir gesagt, in Englandt verbotten worden, nichts von der sach zu schreiben; alßo ist kein [wunder], daß graff Degenfelt so still davon ist. Unter unß gerett, ich fürchte, daß die karchheit dießen könig wunderlich macht. Von wem hatt er daß? Den sein herr vatter undt fraw mutter wahren es gantz undt gar nicht. Der gutte Braunsweiger, so so naturlich auff der cantzel spricht, mag woll frommer sein, alß vielle in Englandt, so den teüffel nicht nehnen[2] mögen. Ich glaube, daß husten undt schnupen nun durch die gantze welt geht; überall klagt man drüber. Madame de Chasteautier[3] hatt kein geschwollen gesicht mehr, aber auch husten undt schnupen. Dieße dame ist voller tugendt, gar nicht interessirt; wen man ihr waß geben will, muß man sich prepariren, eine Schlacht mitt ihr zu lieffern, ohne zanck geht es nicht ab. Ob sie zwar gar schön geweßen, ist sie doch nie coquet geweßen undt hatt ihren gutten nahmen allezeit behalten in dem frawenzimmer, wo viel andere, so nicht so hübsch wahren, alß sie, den ihrigen verlohren. Sie ist auch verschwigen, trewe, hatt gar viel gutte qualiteten; drumb estimire ich sie so sehr.[4] Daß von dem humor, so Ihr seydt vor die, so Ihr lieb habt, wehret Ihr lengst gestorben, wen Ihr kinder gehabt hettet; den es ist eine qual ohne endt undt gegen eine freüde hundert chagrin. Aber es ist spat, nur noch ein par wordt sagen. Der itzige hoffmeister von printz von Sultzbach ist ein gutter, [196] ehrlicher Pfaltzer, heist monsieur Schilderer, hatt große sorg vor dem printzen; aber den er vorher gehabt, war ein Ostereicher undt ein nar in follio, hieß Jodoski. Man macht die tournir zu Munchen wegen deß comte de Charolois, so dort ist, ein doll hünckel, abscheülich desbeauchirt, monsieur le duc sein bruder. Ihr werdt mir gefahlen thun, liebe Louisse, die beschreibung hirvon zu schicken. Hirmitt ist Ewer letztes schreiben gar exact beantwort.
Sontag, den 27 Februari, umb halb 5 abendts.
Gleich nach dem eßen ist unßer hertzog von Lotteringen mitt mir plaudern kommen, hernach habe ich eine antique placirt, danach ist eine englische dame kommen, so vor dießem ambassadrice hir geweßen undt madame de Gersé[5] heist. Nun sie wieder weg, komme ich, auff Ewer liebes schreiben vom 8, no 12, andtwordten, waß mir noch davon überig bleibt. Aber da kommen meine kinder herrein undt wollen ins opera gehen, muß wider willen enden. Ich wolte lieber, wie ich gesagt, auff Ewer schreiben vollendts andtwortten; aber da rafft man mich. Ich komme auß dem opera undt habe alle meinen kindern gutte nacht gesagt, will nur noch sagen, daß ichs dem teütschen bauern recht undanck weiß, den krieg zu wünschen. Mir gehts wie Jodellet:[6] La paix et dieu te gard! Waß thut daß, ob man 2 oder 3 nahmen [hat], undt wens auch gleich der brauch nicht were? den es ist doch nichts gegen dem Christenthum. Also deücht mir, man solte es thun, umb zu erweißen, wie man gern den nahmen von einer person hette, so man ehret undt liebet. Unßere konigin s. hatte 11 nahmen, aber sie unterschriebe nur zwey. Daß ist alles, waß ich sagen kan. Monsieur Terest[7] treibt mich, auffzuhören undt schlaffen zu gehen. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch lieb behalte.
Ich kan mein brieff ohmoglich überleß[en], ich glaub, daß Ihr nichts drinen begreiffen werdt, bin gar zu offt interompirt worden.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Februar 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 194–196
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0893.html
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