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Brief vom 13. März 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


897.


[204]
Paris den 13 Mertz 1718, umb 8 uhr morgendts (N. 58).
Hertzallerliebe Louise, ich habe dieße woche kein frisch schreiben von Eüch erhalten; es nimbt mir aber kein wunder, den die wegen seindt so abscheülich, daß die courir nicht fort kommen konnen. Bekomme ich Ewer schreiben dießen abendt, so werde ich nicht drauff andtwortten können; den gleich nach dem eßen werde ich ins gebett au Carmelitte, undt wen ich widerkommen werde, muß ich ins opera, wo ich nur hingehe, umb mitt meiner dochter zu plaudern; den wir sitzen bey einander undt daß geraß vom [205] opera verhindert, daß unß niemandts hören kan, also ist die loge vom opera der bequemste ort, mitt einander zu sprechen. Ich werde jetzt, liebe Louise, auff Ewer liebes schreiben vom 15 Feb., no 14, andtwortten, waß mir vergangen donnerstag noch überblieben. Der heüraht von der printzes von Homburg mitt generalmajor von Schlieben ist woll ein ungleicher heüraht. Ich meinte aber im ahnfang, daß es noch waß schlimeres wehre undt daß sie den geheüraht hette, so jetzt zu Berlin ist: den der hatt eine alte dame in Cascognen[1] geheüraht, so noch frisch undt gesundt, undt die medissanten sagen, daß er noch 4 andere weiber im leben hatt; daß wer noch ärger. Aber lest man jetzt in Teütschlandt die printzessinen herumb lauffen, wie in Franckreich? Daß war der brauch nicht zu meiner zeit. Man hatt woll groß recht zu Cassel, übel zufrieden über dießen heüraht zu sein. Ich [glaube,] die zeit ist herbey kommen, wie in der h. schriefft stehet, daß 7 weiber nach eines mans hoßen lauffen werden.[2] Niemahlen seindt die weibsleütte geweßen, wie man sie nun sicht; sie thun, alß wen ihre seeligkeit drauff bestunde, bey mansleütte zu schlaffen; die ahn heürahten gedencken, seindt noch die ehrlichsten. Waß man täglich hir hört undt sicht, ist nicht zu beschreiben, undt daß von den hogsten. Zu meiner dochter zeit war es gar nicht der brauch; die ist in einer verwunderung, daß sie nicht wider zu sich selber kommen kan über alles, waß sie hört undt sicht. Sie macht mich offt mitt ihrer verwunderung zu lachen, insonderheit kan sie sich nicht gewohnen, wen sie sicht, daß damen, so große nahmen haben, sich in vollem opera in manßleütte schoß legen, so man sagt, sie nicht haßen. Mein dochter rufft mir alß: Madame, Madame! Ich sage: Que voulles vous, ma fille, que j’y fasse? Ce sont les manieres du temps. Mais elle sont villaines, sagt mein dochter, undt daß ist auch war.[3] Aber [206] erfahrt man in Teütschlandt, wo man alles von Franckreich nachaffen will, wie die fürstinen hir leben, wirdt alles zu schanden undt verlohren gehen. Die allezeit ander leütte tadtlen, seindt offt die ersten, so in selbige fehler fallen. So ist es der printzes von Homburg auch gangen. Unmuht macht nicht verliebt. Dieße printzes, wen sie sich ja hett heürahten wollen, hette doch woll einen reichsgraffen bekommen konnen, so beßer geweßen were, alß der Schlieben, undt kein mißheüraht geweßen were. Sie muß verliebt von dießem Schlieben geworden sein, den alter hilfft nichts vor thorheit. Ich finde, den graff von Degenfelt nicht zu beklagen, Ewer niepce geheüraht zu haben, undt, wie in der commedie stehet: Monsieur veaut bien madame et madame veaut bien monsieur. Wen keine schlimmere galleren wehren, wolten viel rudern. Es ist leyder noch kein vergleich in Englandt zu hoffen; so viel ich auß der printzes von Wallis schreiben sehe, ist alles noch sehr verbittert seyder deß kleinen printzen todt. Man hatt gar gutte goltschmidt in Englandt, aber die meisten seindt refugirte Frantzoßen. Ich bitt, liebe Louise, danckt die fürstin von Siegen vor ihr ahndencken! Wie sie hir war, habe ich sie nicht zu sehen [bekommen]; den sie pretendirte, saluirt zu werden undt zu sitzen; daß geht hir nicht ahn, wen man nicht von souveraine heüßer ist. Ich glaube nicht, daß Paris ihr gar favorabel geweßen, undt finde, daß es beßer vor sie geweßen were, wen sie nicht herkommen were. Hir hatt ihres mans jalousie ahngefangen undt er hatt sich so viel ridicule mitt geben, daß niemandts mehr mitt ihm umbgehen will. Wir haben nichts neües hir, alß daß eine alte fraw von 102 jahren, so noch ihren volkommenen verstandt hatt, ist vorgestern nachts mitt ihrem hundt undt ihre kast[4] verbrendt. In dießem augenblick bringt man mir 2 von Ewern lieben schreiben auff einmahl, daß vom 26 Feb., no 17, undt daß … Mertz, seindt also 13 tag unterwegen geweßen. Dancke vor beyde, dancke vor beyde, werde aber wenig drauff [ant-]wortten können dieße post; den es fengt schon ahn spät werden. Ich muß mich mitt dem ahnziehen eyllen; den ich muß heütte in die kirch, es ist sontag, undt hernach zum könig; daß muß alles vor dem eßen geschehen. Will daß frischte dißmahl vor donnerstag sparen, wo mir gott leben undt gesundtheit biß dort verleydt. Es wirdt [207] auch noch ein gutt theil von daß vom 26 drin kommen müßen, so heütte nicht kan außgemacht werden auß obgemelten ursachen. Dancke Eüch sehr, liebe Louisse, Eüch über die 3 Sachen mitt mir zu erfreüen. Daß ist gewiß, daß meine eygene kinder gar woll mitt mir leben undt mich noch fürchte[n], alß wen ich sie noch streichen konte. Ich habe sie auch woll hertzlich lieb. Aber da schlegt es 3/4 auff 11, also muß ich mich geschwindt ahnziehen, also meine pausse machen. Dießen abendt hoffe ich noch ein par wordt zu sagen können.
Ich hatte gehofft, eher auß dem closter zu komen, aber madame de Berry ist nein kommen undt hatt unß auffgehalten, wie auch die duchesse du Lude; also bin ich erst wider herkommen, wie schon alles fertig im opera war. Da komme ich eben her, aber es ist schon 9 geschlagen. Meine kinder seindt alle zu madame de Berry, wo heütte daß große spiel undt nachteßen ist; aber mir ist nichts erlaubt, ich muß eßen undt nach bett undt Ewere andtwortt auff donnerstag versparen. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. März 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 204–207
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0897.html
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