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Brief vom 17. März 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


898.


[207]
Paris den 17 Mertz 1718, umb 8 morgendts (N. 59).
Hertzallerliebe Louise, ich glaube undt hoffe, daß ich dießen abendt frische zeittungen von Eüch entpfangen werde, aber ich werde nicht drauff andtwortten können, weillen ich mitt meiner dochter ins opera werde; den nun kompt die zeit baldt heran, daß wir wider von einander scheyden werden undt gewiß vor ewig; den es ist gar kein aparentz, daß wir einander so baldt wider sehen werden. Daß macht trawerige gedancken. Ich habe noch einen andern punckten, so mich gritlich macht. Man will mich biß sambstag purgiren, weillen ich wider ahnfange, zu schlaffen, undt man zu förchten hatt, daß ich wider in den standt fallen mögte, worinen ich vergangen jahr in dießer zeit geweßen. Ich haße nichts mehr, alß medecin nehmen. Zu sehen, daß ich nichts guts mehr in meinem leben zu hoffen habe, undt diß desagrement, medecin zu nehmen, [208] mir offt kommen wirdt, daß macht mich recht grittlich. Aber last unß von waß anderst sprechen! undt komme, woran ich letzt geblieben war von Ewerm lieben brieff vom 26 Febr., no 17. Wir leben, gott lob, sehr friedtlich in unßerer famille, undt wen ich die geringste uneinigkeit verspüre, thue ich mein bestes, den frieden wider zu schaffen; habe etlichmahl mühe undt verdrießlichkeit genung, insonderheit wen es zwischen man undt fraw geht; den die fraw ist falsch wie der teüffel undt sein mutter. Aber so ist die welt, man muß allezeit waß widerliches haben, so einem plagt. In Englandt ist alles ärger, alß nie, drumb darff niemandt nichts davon schreiben. Gantz Paris sagt, der könig in Englandt wolle offendtlich erklären, daß der printz von Wallis sein sohn nicht seye, undt ihm noch mehr verdruß zu geben, wolle er die Schoullenburg,[1] jetzt duchesse de Munster, heürahten. Ich habe ahn mylord Sterce[2] dieß alles gesagt, er sagt aber, ich solle in keinen sorgen sein, es würde gewiß nicht geschehen. Ihr werdet schon auß einen [von] meinen schreiben ersehen haben, daß ich schon lengst den todt vom kleinen printzen erfahren. Die printzes glaubt, daß er keines naturlichen todt gestorben ist. Sie jamert mich woll von hertzen, ist sehr zu beklagen. Es ist wenig aparentz, daß die sach baldt zu einem gutten endt kommen mag. Ich glaube, daß es schwerer sein wirdt vor graff Degenfelt, eine charge in Englandt zu bekommen, alß vor seinen schwager, den mylord, so Ewer elste niepce hatt, weillen er ein Teütscher ist. Es ist gefährlich, wen leütte von deß duc de Schonburg alter ahnfangen, zu krancklen. Es ist naturlich, daß der keyßer undt Churpfaltz denen guts thun, so ihnen würcklich dinnen, alß denen, so ihnen frembt sein. Wie es mitt deß graffen von Hannau dochter gangen, weiß ich nicht. Aber der fraw von Rotzenhaussen döchter hatt man die lehen versprochen nach Chamlay dodt, weill der Louvoy dem könig eine große ungerechtigkeit hatte unwißendt begehen machen, dem Chamlay lehen zu geben, da noch zwey manliche erben im leben wahren undt allbereydt noch einer bey leben ist. Es ist zwar war, daß, waß Ihr mir geschickt, hertzog Anthon Ulrich sehr gleicht;[3] er ist es aber nicht, den es stehet drumb herrumb: Aug. Wil. I. K. H. E. R. B. E. T. L., kan also hertzog Anthon Ulrich nicht sein, kan auch nicht errahten, wer es [209] ist. Den thaller von Gottes freündt, der pfaffen feindt habe ich; unßere liebe s. churfürstin hatt mir es lengst geschickt. Mich wundert, daß man die schachteln von talck nicht gemacht findt; den es ist doch etwaß artiges. Ich komme wider auff den thaller, der meine ist anno 1622 gebregt worden, hatt keinen kopff, sondern nur ein geharnischten arm mitt einem bloßen degen; drum herumb stehet: Tout avec dieu undt im rever: Gottes freündt, der pfaffen feindt, drumb herumb: Christian, hertzog zu Braunsweig undt Lunenburg. Ich bitt Eüch, schreibt mir, ob der, so Ihr vom Juden habt, auch so ist! In dießem augenblick entpfange ich Ewer liebes schreiben von 5 Mertz, no 19, sambt den zeytungen, wovor ich Eüch, liebe Louisse, sehr dancke; will gleich drauff antwortden. Daß ist billig, daß Ihr mir unßern herrgott undt sein wordt vorzicht. Meines husten undt schnupens bin ich, gott lob, gantz quit. Die gutte samffte lufft hatt mich courirt; bin zwey mahl spatziren gefahren, gleich augenscheinlich davon courirt worden; den daß hatt mich wider schlaffen gemacht undt der schlaff hatt mich courirt. Der printzes von Wallis printzgen ist gar zu gesundt auff die welt kommen, umb daß er hernach nach 3 mont von den ahnstoß solle umbkommen sein. Ah! ich sehe, daß ich mich betriege undt daß Ihr von einem fall vom printzen sprecht, den ich nicht gewust habe. Die printzes undt ich haben die reflection beyde gemacht, daß kein unglück nie allein kompt.[4] Ich hoffe, [daß] die reflection den könig mitt der zeit wider besamfftigen wirdt. Der duc de Schonberg thut woll, alle tag spatzir[e]n zu fahren; daß ist daß rechte mittel, die gesundtheit zu erhalten. Man macht die leütte leicht todt in den gazetten, so kan man leicht wider lebentig werden. Wen Ihr mir die schwartz schachteln schickt, so schreibt mir gleich dabey, waß [sie kosten]! Man hatt keine in Franckreich: will meinen enckel, den duc de Chartre, mitt divertiren. Hiemitt ist Ewer frisches liebes schreiben auch vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß 3te vom no 18 undt 1 dießes monts. Dancke Eüch sehr, Eüch mitt mir über meiner dochter ahnkunfft zu erfreuen. Aber dieße freüde wirdt in wenig tagen zu endt gehen. [210] Mir[5] haben gemeint, madame de Craon seye schwanger, aber sie ist es nicht, sondern zu bett umbs contrarie; sie ist nur 28 jahr alt, scheindt junger zu sein. Lunati undt seine fraw seindt nicht mittkommen; sie solle eine dolle humel sein.[6] Churtrier war ebenso verliebt von dießer, alß unßer hertzog, sein herr bruder, von der Craong ist. Die Lunati hatt ihm den letz[t]en heller abgezogen undt gantz ruinirt. Ma tante, unßer liebe churfürstin, hilt die Lunati vor eine rechte närrin. Sie solß auch sein, wolte, man solte sie nach Churtrier todt besuchen undt leydt klagen, alß wen sie seine gemahlin gewest were. Daß weist woll ihren närischen hirnkasten. Daß interesse macht Lunati aber die inclination von seinem vatterlandt gehen, den er ist gar nicht jalous, wie andere Ittalliener sein. Churbayern[7] ist gar heßlich, muß der damen mißfahlen haben; den sie ist sonsten gar nicht desinteressirt. Die fürstin von Siegen solle gar nicht crüel zu Paris geweßen sein. Aber es ist ihres mans schuldt; er hatt durch seinen bößen humor viel dazu geholffen; sie hatte gar zu woll zu Paris ahngefangen, umb nicht fortzufahren. Der verstandt engagirt oft mehr, alß eine schonne figur. Die Eüch gerahten haben, dießer fürstin nichts zu sagen, haben gar woll gethan; den daß geht Eüch ja gar nichts ahn, undt ahnstatt daß man Eüch danck solte wißen, würdet Ihr Eüch haßen machen undt viel feinde geben. Kinder kan man corigiren, aber gestandene weiber, so coquet sein, daß kan allein daß alter corigiren; drumb muß man mitt den leütten gedult haben, sie beklagen, ihnen aber nichts sagen. Aber da kompt man mir sagen, daß es über 11 ist; ich muß mich ahnziehen, werde, waß noch überig von Ewer liebes schreiben von 1 biß sontag sparen, nun aber nur sagen, hertzliebe Louisse, daß ich Eüch biß ahn mein endt lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. März 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 207–210
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0898.html
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