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Brief vom 24. März 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


900.


[214]
Paris den 24 Mertz 1718, ein viertel auff 9 morgendts (N. 61).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts, alß ich mitt meiner dochter auß der commedie kommen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 12, no 21, gefunden, so man auff meine taffel gelegt sambt eines von unßerer printzes von Wallis, so ich aber erst heütte morgen [gelesen]; den mein dockter treibt mich alß undt will, daß ich umb 10 abendts im bett sein solle, wie auch gestern geschehen. 8 stundt muß ich im bett bleiben, darff hernach auffstehen, wen ich will. Aber ich komme auff Ewer liebes schreiben, will nur noch vorher sagen, daß madame d’Orleans zwar noch kranck ist, aber doch außer gefahr, undt hatt daß fieber nicht mehr. Sontag abendts hatten ihr die docktern alle daß leben auffgesagt undt zweyffelten nicht, daß sie die inflamation ins eingewey[de] bekommen würde, weillen sie eine par stundt war, ohne sich nach der aderläß ahm fuß, so man I. L. umb 5 abendts gethan, nicht beßer befunden undt daß fieber eher starcker, alß minder, geworden; aber nachts, nachdem sie ein par stundt geschlaffen, haben die schmertzen auffgehört undt daß fieber auch, ist also, gott lob, außer gefahr. Gott gebe nur, daß es bestandt mag haben! Ewer frühstück gibt lehren magen undt kan weder leib, noch geist nehren. Mein husten undt schnupen seindt schon lengst verbey undt ich glaube, daß ich in volkommener gesundtheit sein würde, wen mich meine medecin von sambstag nicht so starck ahngegriffen hette undt der schrecken wegen madame d’Orleans colique nicht so erschrecklich troublirt hette. Daß hatt mich gantz abgematt undt allen apetit benohmen, schlaff auch nicht gar woll; bin gestern bey dießen so gar schönnen frühlingswetter außgefahren, daß hatt mich woll ein wenig wider auffgemuntert, ich habe aber doch gar nicht woll geschlaffen. Weillen ich nicht eßen kan, setzt sich mein magen voller winde, undt daß plagt mich deß nachts. Aber ich glaube, daß mitt ein wenig gedult es beßer werden wirdt. Aber waß meinem miltz sehr ungesundt wirdt sein, ist meiner dochter abschidt. Den zukümfftigen montag haben sie ihre rückreiße bestelt. Freüden kommen gar einfach in dießer welt, aber unglück, betrübtnuß undt verdrießlichkeit allezeit doppelt.[1] Ich habe daß ey wegen mein [215] frühe-schlaffengehen nicht brauchen können. Waß mich gantz vom husten courirt hatt, ist, daß ich zweymahl in die frische lufft gefahren; den daß hatt mir die brust erfrischt undt wider schlaffen machen. Es ist wahr, liebe Louisse, daß mein,[2] alß hundert, mittel vor den husten sein; aber glaubt mir! gedult undt die zeit bringens allein zum endt. Butterdeel ist ein ahngenehmer dranck,[3] kan aber hir nicht gedruncken werden; den daß bier ist nicht gutt genung hir dazu, den es ist sauer undt bitter, deücht nichts. Ich habe es versuchen wollen, ist aber nicht ahngangen. Der callendermacher hatt nicht gelogen; ich bin den 17 May gebohren 1652. Er solte nur dabey gesetzt haben alten stiel, so were es recht geweßen.[4] Vor Ewere gutte wünsche dancke ich Eüch sehr, liebe Louisse! Monsieur de Foucault (so heist der conseiller d’estat, so so einen dollen sohn hatt) ist woll zu beklagen. Es were beßer vor dem vatter, daß sein sohn ein gantzer nar were undt eingespert sein könte, alß nur ein halber nar zu sein, da man nicht mitt ahnfangen kan.[5] Der Balleoti muß von dießer gattung sein. Die printzes von Wallis sagt, daß seine schwester, die duchesse de Schoresburg,[6] dem könig einen fußfall gethan, umb ihres brudern gnadt zu erbitten; den seine sentens ist, daß er solle gehengt werden. Der könig solle geantwort haben, daß, wen er dießem vergeben solte, würdt[7] die Engländer ihm vorwerffen, daß er ihm dieße gnadt thet, weill es ein frembter ist, undt daß er ihn unfeh[l]bar würde hencken laßen, wen es ein Engländer were. Er hatt einen schimpfflichen todt woll verdint, allein seine schwester jamert. Millort Peterbouroug[8] hatt just noch einen bruder auß Ittall[i]en in Engellandt geführt, kompt just, seinen bruder hencken zu sehen, solle eben so doll sein alß der, so im gefangnuß ist. Die schwester spricht viel undt etlichmahl gar wunderlich, stehlte sich hir ahn, alß wen sie verliebt von ihrem herrn were. Aber deß duc de Berry maistre de garderobe, monsieur de Mouchy, versichert, daß sie in Ittallien nicht viel nach ihrem herrn gefracht (den er gar woll mitt ihr gestanden), daß sie gar nicht prude war. Mir schine sie eine gutte fraw zu sein; sie sagte: Vous voyes, que mon cher [216] duc n’a qu’un oeuill, la nature ne luy a donnes qu’un, parce qu’il luy estoit impossible d’en refaire encore un de la mesme beauté. Da hatt man sie hir sehr mitt außgelacht. Baleoti pretendirt nicht, bruder vom könig in Englandt zu sein, sondern seine schwester pretendirt des konigs schwester. Ich glaube es aber nicht, den sie hatt nichts von hauß Braunsweig. Ihre mutter wolte sie einmahl ahn oncle s. schicken; er andtwortet aber, daß sie woll wüste, daß er zu viel cammerahten gehabt in ihrer lieb, umb sicher zu sein können, daß sie seine dochter seye. Von gesicht seindt etlichmahl die Ittalliener nicht heßlich, aber ordinairie seindt sie nicht woll geschaffen undt haben heßliche b[e]in undt kein gutt air undt machen heßliche reverentzen. Die mutter zu Franckfort jammert mich, so ihren sohn hatt salviren wollen. Es were mir leydt geweßen, wens Eüch gangen were, wie madame de Nevers, die letztverstorbene, deß duc de Nevers fr. mutter. Die hatte in ihrer camer ein bein gebrochen, ist über einen kirschenkern gestolbert undt ein bein gebrochen, ist aber doch nicht daran gestorben, sondern woll courirt worden. Ewer fuß muß verengt geworden sein; ich weiß, waß es ist, man hatt lang mitt zu thun. Ich weiß woll, waß fall-tranck,[9] monsieur de Polier[10] hatt mir es in meinen fallen nehmen machen, thut woll, wen mans einschlugt, aber außerwerdts habe ich es nie brauchen sehen. Zu meiner zeit kammen die Schweytzer weyber undt holten ihre hundert kreütter auff dem Donnersberg in der Pfaltz, sagten, sie wehren dort kräfftiger, alß in der Schweitz. Ich brauche nichts mehr zu meinen knien, halte sie nur warm. Daß pressent, so madame de Berry meiner dochter geben, ist sehr gallant. Sie hatt ihr ein commode gegeben; eine commode ist eine große taffel mitt großen schubladen; die taffeln seindt schön mitt vergülten ornementen. In dießen schubladen wahren alle alla-mode-zeüg, escharpen, coeffuren, andrienen,[11] bandt von allerhandt gattung, strümpff, alles, waß a la moden ist, vor taußendt pistollen wahren, undt gar schön hendschen,[12] evantails undt …
Donnerstag, den 24 Mertz, umb halb 3 nachmittags.
Ich würde heütte morgen zu sehr pressirt, umb weitter fort zu [217] schreiben. Mein sohn hatt seiner schwester auch ein artig pressent geben, ein necessaire, daß ist ein viereckt kistgen, worin schallen von porcellaine undt alles, waß nohtig, chocolatte, caffé undt thé zu nehmen. Die schallen seindt weiß undt alles, waß drauff erhoben, ist golt undt email, undt ist ein schubladt mitt ein indianisch plateau, undter dießem plateau ist ein klein blau matrassein, worunter allerhandt golte sachen sein, alß estui estuy d’esguille,[13] fingerhudt, estuy de tire-bouteille, zwey goltene schachtelen undt noch mehr zeüchs, alles von purem golt, woll gearbeit. Alle divertissementen, außer die bals, enden erst auff die woche vor den palmensontag undt fangen erst nach quasimodo wider ahn. Hiemitt, liebe Louisse, ist Ewer liebes schreiben völlig beantwortet, habe nur noch der zeit, zu sagen, daß Ihr durch mein letztes schreiben ersehen werdet, daß ich daß talckschächtelgen woll entpfangen undt schön gefunden. Aber ich mögte wißen, waß es kost. Schließlich versichere ich Eüch, liebe Louisse, daß ich Eüch von hertzen liebe behalte undt biß ahn mein endt lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. März 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 214–217
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0900.html
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