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Brief vom 27. März 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


901.


[217]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Paris den 27 Mertz 1718 (N. 62).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts umb halb 9 uhr habe ich Ewer paquet undt liebes schreiben vom 15 dießes monts zu recht entpfangen sambt dem gedruckten fewerwerck von Hannover undt die teütsche zeittunge, wovor ich Eüch, liebe Louisse, sehr dancke. Aber daß fewerwercke hatt ich schon gesehen undt der printzes von Wallis geschickt, weillen I. L. mir geschrieben, daß sie in 5 posten nicht von Hannover gehört, weillen der windt contrari geweßen. Der stalmeister Harling hatt mir es geschickt. Über die Mertzenlufft habe ich mich, gott lob, nicht zu beklagen; den die hatt mich gantz von meinem husten courirt. Daß erste mahl hatt es mich gleich nachts schlaffen machen, undt daß zweyt mahl daß ich außgefahren, hatt mein husten undt schnupen gantz auffgehört. Leütte, wie ich, die gantz gewohnt sein, allezeit in der lufft zu sein, den thut es allezeit woll, die lufft zu schopften. Zu dem, [218] so kan man nicht sagen, daß es nun eine scharpffe Mertzenlufft ist; den seyder ein mont haben wir daß schönste wetter von der weldt hir, sanfft, wie im Mayen. Die pfirsching, mandeln, abricossen seindt in den gärtten in voller blüdt, die maronie d’Indes[1] gantz außgeschlagen; suma, es ist ernstlich frühling. Kan diß wetter bestandt haben, so werde ich gleich nach ostern nach St Clou; den die hitze ist zu groß in dießem apartement. Man kan hir nicht dawern, den die son ist auff dießen cammern von 8 morgendts biß 6 abendts. Es kommen viel leütte zu mir undt die camer ist klein; man ist, gleich alß man in einer heißen stuben were, daß matt sehr ab. Mein dochter wirdt, gott lob, erst biß donnerstag weg; daß wirdt auch baldt kommen, den waß betrübt, kompt offter undt geschwinder, alß waß erfrewen kan. Wens nach meiner dochter undt meinem sin ging, würden ihr herr undt sie nicht vor ostern weg. Der gazettier ist übel instruirt; so lang der hertzog lebt, ist kein eydt mehr vor die lehen abzu[legen], den der hertzog hatt es schon gethan. Solte er aber zu sterben [kommen], wirdt sein sohn einen neüen eydt ablegen müßen. Der könig ist dem hertzog viel gelt schuldig undt auff die schuldt hatt man ihm hundert taußendt francken geben, seine reiße zu thun hieher undt wider nach hauß. Unßer herrgott hatt erlaubt, daß wir einander so nahe sein undt einander lieb haben, undt die freündtschafft macht gedencken undt probiren, waß man meint, daß nützlich sein könte. Gott gebe, daß es etwaß guts würcken mag! Man hatt mir die historie von dem, so umb verzeyung bitten, anderst verzehlt, so, mich deücht, noch juster kompt. Erstlich so sagt man, daß er eine fraw eine hur gescholten undt deßwegen umb verzeyung bitten müßen, hette derowegen gesagt, wie Ewere historie auch ahnfengt: Man sagt, ich habe Eüch eine hur gescholten, daß ist war; ich solle Eüch umb verzeyung bitten, es ist mir leydt, ich solß nicht mehr thun, ich muß es sagen. Der printz von [Wales] hatt etwaß schönnes gethan; wen diß dem könig in Englandt nicht touchirt, wirdt woll nim[er]mehr kein friden zwischen ihnen beyden werden. Es seindt leütte zum printzen kommen, die haben ihm zum chef de partie machen wollen; denen hatt er geandtwort, daß er sein leben lang kein partie gegen seinem herr vatter undt seinem könig machen wolle. Man hats dem könig [219] gesagt. Ich glaube, daß, wen es war were, daß unßer printzes von Wallis schwanger were, würde es mir die printzes geschrieben [haben] oder auffs wenigst die gräffin von der Bückeburg. Die Pariser leütte sein so, sie meinen alß, verliebtigkeit müße sich in alles mischen. Die printzes hatt mir bladt herauß geschrieben, daß sie der könig nie hette leyden können undt wunder genohmen, daß sein herr sohn sie lieb haben könte. Discret zu sein, ist allezeit sehr loblich, aber gar rar. Daß eine Engländerin wie madame de Bellemont[2] tracasserien gemacht, daß ist kein wunder; dieße nation deücht nicht. Unter unß gerett, der könig in Englandt hatt einen wunderlichen hirnkasten; den seine fraw mutter, so ihn so hertzlich liebt, da hatt er nie keine consideration vor gehabt, daß gar nicht zu loben ist. Were sie nicht seine fraw mutter geweßen, were er jetzt nicht könig in Engellandt. Alle ihre kinder, die königin in Preüssen selber, die von ihrer fraw mutter adorirt geworden, hatte nicht mitt I. L. s. gelebt, wie sie thun solte. Ich leße alle divertissement gern. Wen die fürstin wie ihre schwester, madame Dangeau, ist, ist es woll mitt ihr umb zu [gehen]; sie ist tugendtsam undt gar eine gutte dame. Ich sehe sie alle sontag im Carmelitten-closter, hoffe, sie heütte zu sehen; ich habe sie lieb, ich mache sie alß zu lachen. Auff teütsch seydt ihr baßgen von Leüenstein, auff frantzosch aber nur madame d’Angeau[3], so sagt sie in lachen: Daß ist mein, anß erste muß ich nimer gedencken. Man sagt Carmelitter-closter undt nicht Cramalitter-closter, wie Ihr, liebe Louisse, schreibt. Daß wundert mich, daß ein Carmelitten-closter zu Franckfort ist. Daß ist ein glück, daß die letzt verwittibte fürstin von Ussingen einen sohn bekommen. Es ist zu wünschen, daß er dem groß herr vatter undt nicht seinen herr vatter nachschlagen möge. Der großvatter war ein artiger, hübscher, ahngenehmer herr, der sohn aber ein heßlich, stupid kindt, so weder zu sieden, noch zu bratten war. Wie Ihr mir die gemahlin beschreibt, muß große simpathie zwischen beyden geweßen sein. Ihr secht woll, liebe Louisse, daß ich Ewer schreiben nicht zu lang gefunden, weillen ich es so gar exact beantwort. Ich muß schließen undt mich ahnziehen; den es ist heütte der tag, daß ich zum könig fahre. Adieu den, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen [220] undt behalte Eüch alle mein leben lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. März 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 217–220
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0901.html
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