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Brief vom 7. April 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


904.


[228]
Paris den 7 Aprill 1718, umb 8 morgendts (N. 65).
Hertzallerliebe Louisse, umb Eüch zu erweißen, daß ich mitt meinen willen nie keine gelegenheit verseümen werde, Eüch zu schreiben, so thue ich es heütte undt mitt rechten schwehren undt wehemühtigen hertzen; den morgen wirdt meine dochter mitt ihrem herrn wider weg. Dießes wirdt ein langer abschiedt sein; den ich glaube nicht, daß wir unß unßer leben wider sehen. Solche gedancken machen einem daß hertz sehr schwer. Aber last unß von waß anderst sprechen! dießes ist zu bedrübt. Gestern abendts zwischen 8 undt 9 uhr hatt man mich mitt Ewer liebes schreiben vom 26 Mertz, no 25, erfreüet, worauff ich hiemitt andtwortten werde; sehe gern, daß Ihr meine brieffe nun gar richtig bekompt. Ihr könt leicht wißen, liebe Louisse, wen Eüch von meinen [229] schreiben fehlt, oder[1] solte ich auch gleich ahn dem chiffer fehlen, den ich schreibe Eüch alle donnerstag undt alle sontag; also könt Ihr leicht in Eweren callender außrechnen, den wie vielten mein schreiben soll datirt sein. Seyder meinen purgiren ist mir der apetit gantz vergangen. Es wirdt doch übermorgen schon 3 wochen sein, daß man mich purgirt hatt. Es ist mir doch nicht übel, nur daß mir vor dem fleisch eckelt undt es mühe zu schlucken habe. Ich habe die 3 wochen her schir von nichts, alß austern undt salat, gelebt; waß drauß werden wirdt, mag die zeit geben, bin doch sonst woll undt gesundt. Der geschwulst von meinen schenckeln hatt augenscheinlich abgenohmen. Wen ich nicht trawerig bin, schlaff ich woll, kan also nicht wißen, waß es ist. Mein dockter ist selber drüber verwundert. Ich bin gantz in keinen sorgen deßwegen. Mein dochter ist langer geblieben, alß ich es hette hoffen können; jedoch so touchirt mich ihr wegziehen sehr. Man gewont sich leicht ahn waß gutt ist, aber nicht so woll ahn waß schlim ist. Ich sage alß: Ich will nicht mehr davon reden, undt komme doch wieder drauff. Daß geht nach dem teütschen sprichwordt: Weß daß hertz voll ist, geht der mundt über. Diß sprichwordt ist auch auff frantzösch: D’abondance du coeur la bouche parle. Man ist übel in Hollandt von meiner dochter reiße bericht. Sie hatt nie lenger, alß ihr herr, bleiben sollen. Sie hatt ihren herrn hertzlich lieb undt ist doch gar nicht jalous; daß kan ich nicht begreiffen, ich muß es gestehen. Aber ich lobe sie drumb, den mitt trawerigkeit undt jalousie recht[2] man nichts anderst auß, alß sich unwehrt zu machen. Es ist woll 35 jahr, daß ich mich ahn deß nachmittags-schlaffen gewohnt habe; also, wen ich nachts übel geschlaffen, ist es kein groß wunder, noch kranckheit, wen ich nach dem eßen ein wenig schlaffe. Vor alle Ewere gutte wünsche danck in[3] Eüch gar sehr, liebe Louise! In Englandt will noch nichts zum gutten rutschen. Deß königs reiß nach Hannover ist verschoben; er wirdt aber auß Londen auffs landt nach Kensington undt von dar nach Hamptoncour,[4] Die printzes schreibt mir vom 31/20 Mertz, daß alles noch im alten standt; allein mylord Sterce[5] hatt mir vorgestern gesagt, er hette ein wenig hoffnung, mir baldt beßere zeittungen zu sagen können. Gott gebe es! Alle menschen rühmen [230] die duchesse de Münster; aber offt geht es nach den 2 frantzösche sprichwörter: Les honneurs changent les moeurs undt En mangeant l’apetit vient. Gott gebe, das meine sittation[6] nicht war mag werden in Englandt! Ihr habt doch groß recht, Eüch nicht mitt allen Ewern einkommen ahn ihrem platz zu wünschen; undt weillen ich eben in die sprichwortter kommen bin, muß ich doch noch sagen, daß ich sehe, daß Ihr von dern meinung seydt: Que bonne renomée veaut mieux que ceinture dorée; undt daß ist war, den bonne renomée ist gutt vor dieße undt jenne weldt, gelt aber nur gutt vor dieße welt, den man kan es nicht mitt in jenne welt nehmen. Wo sein den Ewers brudern Carl Moritz[7] sachen hinkommen? Habt Ihr den nicht von ihm geerbt? Es solte ja Eüch eher, alß Ewern neuveu, getroffen haben. Wir haben nichts neües hir. Madame d’Orlean wirdt je lenger, je beßer, leydt einen gar großen hunger. Man hatt ihr den brottkorb müßen höher hencken; den sie hatt sich schon einmahl die coliq wider geben, weillen sie zu viel geßen hatte; den diß mensch kan unerhört freßen, helt daß von vatter undt mutter. Ihre dochter seindt auch so, sie freßen, biß sie kotzen, undt freßen gleich wider drauff, findt ich eckelhafft. Wir haben nichts neües undt Ewer liebes schreiben ist vollig beantwort. Dießen nachmittag fahre ich mitt meiner dochter zur großhertzogin; den I. L. wollen, daß ich alle donnerstag zu ihnen fahren solle. Ich werde aber 2 donnerstag sein, daß es nicht wirdt geschehen können; den über 8 tag da werde ich zum h. abendtmahl gehen, wilß gott. Adieu, hertzallerliebe Louisse! Meine künfftige brieffe vom palmsontag undt gründonnerstag werden gar kurtz [aus]fallen; den man muß selbige tage schier [den] gantzen tag in den kirchen sein. Nach ostern hoffe ich es wider einzubringen, den den 25 werde ich nach St Clou, alwo ich ruhiger Eüch werde versichern können, liebe Louisse, wie daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalt, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. April 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 228–230
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0904.html
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