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Brief vom 10. April 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


905.


[230]
Paris den 10 April, palmsontag, 1718, umb 6 morgendts (N. 66).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern ist meine dochter undt ihr [231] herr umb 9 morgendts wider weg, daß benimbt mir so ein ein wenig den schlaff. Ich bin gestern auch gar früh schlaffen gangen, kan also auch woll wieder früh auffstehen, bin gleich nach 10 zu bett. Ich muß gestehen, daß mir dießer abschidt sehr nahe gegangen ist; den gott weiß, wen wir einander wider sehen. Letzte reiß war Monsieur[1] s. noch im leben; der war damahlen viel jünger, alß ich nun, undt sie hetten ihn doch nicht wider gefunden, wen sie gleich zwey jahr nach ihrer abreiß wider komen wehren wehren, wie sie nun versprechen zu thun; also mögen sie mich auch woll nicht wider finden. Mein dochter war bey dem abschidt sehr touchirt; der hertzog, ihr herr, hatte auch die threnen in den augen. Gestern habe ich schon einen brieff von ihr bekomen. Sie scheinen beyde sehr content von ihrer reiß zu sein undt wir hir seindt auch sehr content von ihnen. Man kan sagen, daß alles woll abgangen ist. Die 7 wochen seindt mir gar geschwindt vorbeygangen, wie leicht zu glauben ist. Ich habe meiner dochter schon 2 mahl geschriben, heütte wirdt es daß 3te mahl sein, aber erst dießen abendt, wen ich auß dem closter werde kommen sein. Drumb schreibe ich Eüch heütte so frühe, den nach 8ten muß ich mich ahnziehen; den umb 10 muß ich in die pfarkirch, daß wirdt biß nach 12 wehren. Umb 1 eße ich zu mittag, gegen 3 uhr muß man wider in die kirch, werde erst gegen 6 abendts wider kommen, muß alßden meine vissitte bey madame d’Orleans ablegen, die gestern medecin genohmen hatt. Sie ist zwar nun woll, sicht doch gar übel auß undt so veralt, daß man I. L. eher 60, alß 40. jahr, die sie hatt, geben solte. Gestern, alß ich wieder von ihr kam undt ahn mein dochter durch monsieur de Spada, meiner dochter chevalier d’honneur, schriebe, den sie unß von Viller-Cotteres[2] hergeschickt hatte, wo sie freytag geschlaffen … Es ist 16 frantzöscher meillen von Paris, umb es auff teutsch zu rechenen, 8 gutter stundt von hir. Es ist ein hübsch gemachlich schloß, so meinem sohn zugehört; bin offt mitt Monsieur dort geweßen; es ligt in einem schönnen, großen waldt. Der eintzige fehler dort ist, daß man weit muß waßer hollen, es deücht nichts dort, undt es ist weder bach, noch fluß dortten. Im gartten seindt doch brunen; wo man daß waßer hergeleydt hatt, weiß ich nicht. [232] Der könig s. kamme mir dort entgegen, wie ich in Franckreich kam. Aber hiemitt genung von Viller-Cotteres gesprochen, komme wider auff waß ich von gestern sagen wolte, nehmblich daß ich, alß ich ahn mein dochter durch monsieur de Spada geschrieben, welcher beßer ostereichs, alß itallienisch, kan (den er ist gar klein bey der reine duchesse[3] [als] page erzogen worden), Ew[e]r liebes schreiben vom 29 Mertz, no 26, entpfangen habe. Ich befinde mich zwar woll, allein mein apetit ist mir noch seyder meiner medecin nicht wider kommen, ob es zwar schon heütte über 3 wochen ist, daß ich sie genohmen; aber daß wirdt schon woll wider kommen. Madame d’Orlean ist daß contrarie, sie hatt sich mitt zu viellem eßen schon wider einmahl krannk gemacht; sie hatt einen starcken apetit. Mich deücht, daß unßere brieffe nun gar richtig gehen. Gott gebe, daß es dauern mag! Ich muß woll von nöhten gehabt haben, purgirt zu werden; den es mich noch 14 tag hernach hatt alle tag, ob ich schon schir nicht geßen, 3 [o]der gar 4 mahl deß tags, met verlöff, met verlöff, wie die alte fraw von Woltzogen alß pflegt zu [sagen],[4] purgirt hatt, undt es ist unglaublich, wen mans nicht gesehen hette, waß eine große menge von purer galle von mir gangen ist. Daß, glaube ich, ist ursach, daß ich so widerwillen zum eßen habe. Es were mir leydt umb meines sohns gemahlin geweßen. Erstlich so lebt sie so woll mitt mir, alß es ihr humor erlaubt, aber zum andern, wen sie gestorben wehre, weren mir ihre kinder auff den halß gefahlen, undt medger woll erziehen in dießen landt, ist eine schwere sach, so, wen mans recht will, wie sichs gehört, wenig ruhe gibt, undt in meinem alter hatt man ruhe von nohten. Die 3 von den erwacksenen dochter[5] ist gar eine dolle humel, mitt deren ich viel handel bekommen; sie hatt möglichsten fleiß schon ahngewendt, ihre fraw mutter undt elste schwester mitt ihrem heim vatter zu brouilliren, ist falsch, wie der teüffel, undt stehet mir gar nicht ahn, würde also mein überiges leben mitt qual zugebracht haben, undt waß weiß ich, ob mein sohn nicht noch eben so einen dollen mißheüraht wider würde gethan haben; den die Frantzoßen, undt [233] insonderheit mein sohn, fragen nach keinen mißheüraht, welches mich noch mitt neüen schmertzen würde sterben machen. Also habe ich, wie Ihr secht, woll ursach gehabt, über madame d’Orleans kranckheit zu erschrecken undt in sorgen zu sein. Were madame d’Orleans vor 10 jahren gestorben, würde ich michs leich[t]er zu trösten gehabt haben; den alßden würde der könig vor alles gesorgt haben, aber nun ist es gar keine zeit. Zu sagen, daß ich Eüch nicht übel nehmen solle, liebe Louisse, daß Ihr frey mitt mir sprecht, ist woll ein ohnnohtig compliment; den ich liebe nichts mehrers, alß daß man frey von hertzen mitt mir spricht. Ich schicke Eüch hirbey die 40 francken vor die Schachtel mitt dem talck; den 2 alten Louis d’or machen just 40 francken hießiges gelt, undt ein Louis d’or neuf mach[t] 30 francken undt die 2 neüe thaller jeder 5 francken, daß macht just die 40 francken, so 2 alte Louis hir machen. Weillen sie so wollfeil sein, so bitte ich Eüch, last mir noch 2 machen, aber alle beyde unterschiedtliche figuren! Es hatt keine groß eyll, sie mögen sie nach ihrer gemachlichkeit machen. Ich bezahle es Eüch, liebe, damitt ich Eüch mehr comissionen geben mag; den sonsten were es kein spaß, Eüch comissionen zu geben, wen Ihr Eüch damitt incommodiren woltet; zudem, so ist es auch nicht vor mich, sondern nur umb wegzugeben. Ich finde es nicht thewer, hir würde man es zweymahl thewerer verkauffen. Die beyden müßen gantz different sein von denen, so Ihr mir schon geschickt. Ich finde es so artig, daß mich wunder nimbt, wie es nicht mehr im schwang geht. Aber es schlecht 8, ich muß mich ahnziehen, umb in die kirch zu geh[e]n. Adieu den biß auff dießen abendt! da hoffe ich Eüch noch ein stündtgen zu entreteniren, liebe Louisse, undt, so viel mir möglich sein wirdt, ferner auff Ewer liebes schreiben andtwortten.
Sontag, umb 3/4 auff 10 ur morgendts.
Ich bin nun gantz ahngezogen, aber weillen ich noch eine viertelstundt habe, ehe ich in kirch fahre, will ichs noch ahnwenden, Eüch zu entreteniren, liebe Louise! Ich habe noch nicht mitt dem cardinal de Noaille gesprochen, weiß also noch kein wordt von der fürstin von Siegen printzes. Hir spricht kein mensch von ihr, weiß auch nicht, daß sie zu Paris ist. Carnaval, wie nun hir sein, können [234] nicht viel kosten; den die masquerade bestehet in einen taffeten domino, ein bleich, langnaßig masque auff die ittalliensche undt venitianesche manir mitt einem bart von allerhandt farben, daß seindt keine the[u]re wahren. Ihr seydt Ewer leben nicht coquet geweßen; weret Ihr es geweßen, liebe Louisse, so würdet Ihr begreiffen, wie man allezeit divertissementen suchen will; den dieße personnen dennken wenig, waß ihre schuldigkeit erfordert. Wen die cordel zu starck gespant ist, muß sie brechen. Man kan nicht allezeit ernstlich sein, aber es ist ein großer unterschiedt in, sich etlichmahl verenderung zu geben, oder ahn nichts, alß divertissementen, zu gedencken, wie alle coquetten thun; sie wollen alle sehen undt gesehen werden. Es geht mir wie Eüch, ich bin nirgendts lieber, alß in mein cammer, wo ich mich ahngenehmer amussiren kan, alß in den grösten divertissementen. Biß morgen über 14 tag werde ich in meiner einsambkeit nach St Clou, erfreüe mich recht drauff. Die see ist mir in allem zuwider, wens auch nur were, daß sie die brieffe so gar langsam übergehen macht. Ich kan nicht begreiffen, wie der duc de Schonburg so gesundt leben kan mitt dem unordentlichen eßen undt schlaffen, wie er thut. Die printz[essin] von Wallis findt Ewere jüngste niepce nicht so ahngenehm, alß der graff Degenfelt. sie findt; aber es ist beßer vor sie, daß dießer sie ahngenehm findt, mitt wem sie zu leben hatt, alß die printzes. Ihr müst nicht glauben, daß der könig von Englandt waß angefordert vor graff von Degenfelt thun wirdt. Der duchesse de Schoresburg[6] bruder ist gehengt worden, hatte es woll verdint. Vor edelleütte ist es doch eine heßliche sage,[7] ahm galgen zu zaplen. Es würde unßerer konigin von Sicillien freüen, ihr[e]n herrn sohn woll verheüraht zu sehen; den sie kan die mißheürahten so wenig leyden, alß ich. Ich wünsche sehr, daß, waß ich ahn Churpfaltz geschrieben, Eüch nutzen möge; auff wenigst secht Ihr doch meinen gutten willen undt daß ich gethan, waß bey mir stehet. 30 m. thaller undt[8] ein magnifiq pressent. Es ist gewiß, daß es ein groß glück ist, einen printzen auff die weldt gebracht zu haben; wen er nur leben bleibt! Hiemitt ist Ewer liebes schreiben durchauß beantwortet, undt weillen wir gar nichts neües hir haben, werde ich weitter nichts sagen, alß daß ich Eüch all mein leben von hertzen [235] lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. April 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 230–235
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0905.html
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