Seitenbanner

Brief vom 17. April 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


907.


[237]
Paris, den h. ostertag, 17 April 1718, umb 7 morgendts (N. 68).
Hertzallerliebe Louise, gestern, nachdem ich complie beygewohnt, fuhr ich zu madame la princesse, welche noch kranck undt betrübt ist; sie jammert mich, hatt ein continuirlich magen- undt kopffwehe, auch halßwehe. Hernach kam ich wider undt man bracht mir Ewer schreiben, liebe Louise, vom 5 dießes monts, no 28, worauff ich hiemitt andtwordten werde; sehe darauß, daß meine schreiben in 9 tag überkommen; die Ewerigen aber, wie Ihr segt, bekomme ich 2 tag spätter, weiß nicht, wie es kompt; es mag woll ein wenig vorwitz mitt unterlauffen. Ihr werdet auß meine [238] nachfolgende schreiben ersehen haben, liebe Louise, wie daß meine dochter undt ihr herr wieder vor 10 tagen hir weg sein; es hatt hart auff beyden seytten gehalten. Gestern habe ich brieff von ihr bekommen, daß sie, gott lob, frisch undt gesundt wider zu Luneville ahnkommen sein; sie hatt mir ihres älsten sohns maaß geschick[t], der morgen über 8 tag erst 11 jahr alt wirdt werden. Er ist just so groß; alß mein enckel, der duc de Chartre, so den 4 Aug. just 15 jahr alt wirdt werden. Ich fürcht, mein enckel in Lotteringen wirdt ein rieß werden; den der duc de Chartre ist nicht gar zu klein vor sein alter. Meine lotteringische kinder seindt alle starck, die mutter ist auch gesundt undt starck undt keine faulle trentlerin,[1] wie madame d’Orleans. Solche faulheit ist nicht erhört worden, sie hatt sich ein lotterbett machen laßen, darauff ligt sie, wen sie landtsknecht spilt; wir lachen sie alle mitt auß, aber es hilfft nichts. Sie spilt ligendt, sie speist liegendt, sie list ligendt, suma, ihr meistes leben bringt sie ligendt zu, daß kan nicht gesundt sein; auch ist sie allezeit kranck schier, denn klagt sie den kopff, einen andern tag den magen, es fehlt gar offt etwaß. Daß kan ja keine gesunde kinder machen; jedoch so seindt die 3 älsten dochter gesundt undt starck, die erste undt 3 gar dick undt groß, seindt menschen wie bäum, insonderheit mademoiselle de Valois. Aber hiemitt genug von meinen enckeln gesprochen! Meiner dochter abschidt hatt mir nichts geschadt; in[2] befinde mich nun, gott lob, gar woll, will es Ewerm gutten wunsch undt gebett vor mich zumeßen, dancke Eüch, liebe Louisse, von hertzen davon.[3] Zu Londen geht es mitt dem vertrag[4] gar langsam her; mich deücht, daß leyder wenig parthie zwischen herrn vatter undt sohn ist. Der printz, der dießes weiß, hette sich beßer vorsehen sollen, aber junge leütte haben ordinarie mehr vivacitet, alß jugement, undt wen daß ist, werden sie erst durch schaden weiß. Der könig in Englandt ist mißtreuisch undt drucken. Die Englander seindt schlaue bursch, sehen woll, daß sie in trüben waßern fischen können undt daß, so lang die uneinigkeit zwischen vatter undt sohn werhen wirdt, der könig genung zu thun haben undt nicht dencken [239] wirdt können, sich ihnen woll zu bemeistern; drumb erhalten sie ihn in dem humor, der dem könig so natürlich ist. Ick glaube nicht, daß er so baldt nach Hannover wirdt, alß I. M. es woll selber wünschen. Abbe de Bouquoy[5] ist ein gutter edelman von einem alten hauß; aber in Flandern geben sich alle edelleütte den tittel von graffen, alles ist comte oder prince dortten; aber daß gibt ihnen nirgendts keinen rang. Solche naarn, so boßhafft sein, wie der abbé de Bouquoy, wirdt man baldt müde, wunder mich alßo nicht, daß mein vetter, der landtgraff, ihn wider nach Hannover geschickt hatt.[6] Er ist arm, sucht also alles hervor, gelt zu bekommen. Ich glaube nicht, daß deß keyßers remonstrans bey Cassel waß außrichten wirdt. Allzeit zu meiner zeit piquirten sich die souvereins, allein von gott zu despendiren undt keinen meister ahm keyßer zu haben. Glaubt mir, liebe! niemandts rechts wirdt hir im landt mitt einen frembten, wie monsieur Bars ist, davon ziehen; aber Paris leüfft voll von denen landtleüfferinen de mediocre vertu, umb kein grober wordt zu sagen, so sich comtesse nenen undt tittilliren, so auff frembt passen undt sie erdapen; da haben wir hir hundert historien von, nimbt aber ordinarie ein schlegt endt. Gar gutte undt alte unverquackelte geschlechter seindt gar rar hir; ich kene keines, so gantz gutt undt nicht mißheüraht ist. Daß argert mich recht, insonderheit wen sie hirmitt so gar hoch nauß wollen. Es ist kein wordt war, daß das recept vom gebrenten honig von mir kompt; ich habe mein leben nichts davon gehört. Ich habe noch der zeit nicht gehabt, die zeittung zu leßen, werde sie dießen nachmittags sehen. Ich muß mich, nun baldt ahnziehen, den mein sohn undt ich werden mitt einander in die pfarkirch fahren mitt Schweitzer undt alle guarden. Ein nar, so vor etlichen jahrn hir war, hieß daß marscher ein royalité. Hiemitt ist Ewer schreiben, liebe Louisse, vollig beantwortet. Ich weiß nichts neües, werde [240] erst mein paquet dießen abendt machen; erfahre ich dießen tag etwaß neües, werde ich es noch hir zusetzen, wo nicht, so nehmbt mitt der versicherung vorlieb, liebe Louisse, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. April 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 237–240
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0907.html
Änderungsstand:
Tintenfass