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Brief vom 20. April 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


908.


[240]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Paris den 20 April 1718, umb halb 7 abendts (N. 69).
Hertzallerliebe Louise, ich werde mein enckel, die zu Chelle eine none will werden, morgen eine vissitte geben; den wen ich einmahl zu St Clou sein werde, kan ich nicht mehr hin, ist 8 gutter meil von Chelle, undt weillen die wege gar schlim nun sein, so weiß ich nicht, wen ich morgen widerkommen werde. Also will ich heütte ahnfangen. Aber mein gott! es felt mir alleweill ein, daß ich morgen ahn Churpfaltz zu andtworten habe, muß geschwindt den brieff machen undt, waß noch ahm ärgsten ist, abcopiren. Ich schreibe lieber 10 brieff, alß daß ich einen halben bogen abcopire. Aber es ist zeit, daß ich dieße schwehre arbeydt ahnfange.
Donnerstag, den 21 April, umb halb 6 abendts.
Es ist eine stunde, daß ich wider von Chelle komen, aber wie ich eben die feder genohmen, umb zu schreiben, ist mein sohn herrein kommen, mitt wem[1] ich zu reden gehabt. Alleweill holt man ihn, also werde ich fortfahren, Eüch, liebe Louise, zu entreteniren. Ich fange bey dem 2 april ahn, no 27, hernach werde ich, wie ich hoffe, auff daß vom 9, no 29, andtwortten, so man mir gestern abendts gebracht, alß ich ahn Churpfaltz geschrieben. Aber es fehlt mir noch ein schreiben von Eüch von no 28. Ich erinere mich nicht, ob ich es vielleicht schon beantwortet habe; den es geschicht mir offt, daß ich die frischten ahm ersten beantworte. Ich bitte, sagt mir, waß dran ist, ob mir der brieff fehlt oder nicht! Ich habe in allen zeittungen gesucht, aber nichts vom armen Furie gefunden, weiß also nichts von seiner historie erfahren. Boite kene [241] ich gar woll, habe ihm vor etlichen tagen deß czaar contrefait in email abgekaufft, so perfect gleich ist. Er hatt mir auch 2 schönne stücker gewießen, so er gemacht, eine Andromede undt ich weiß nicht mehr, waß daß zweytte stück war. Er hatt mir nicht gesagt, daß es vor mein sohn were. Ich erinere mich nicht, daß er mir jemahlen ein schreiben von Eüch gebracht hatt. Ich dancke Eüch sehr, mir zu offriren, waß auß der Franckforter meß zu schicken; ich habe itzunder nichts von nohten. Ich [weiß] nur zu woll, waß verrengte füß sein; den es mir mehr, alß einmahl, widerfahr[e]n. Daß ist viel schuldig geweßen, daß ich so übel jetzt gehe; den bey dem 2ten bin 6 mont geweßen, ohne gehen zu können. Daß hatt mir auch eine große schwachheit in den schenckeln gelaßen, undt so baldt man ein wenig starck geht, geschwilt einem der fuß wider. Man hatt woll recht, zu sagen, daß die gazetten lügenhafft sein; den es ist nicht war, daß der könig in Englandt der printzes spitzen geschenckt. Weit davon. Man hatt einen soltadten gestrafft, sich ins gewehr vor die printzes gestelt zu haben, welches ich recht alber finde, unter unß gerett. Der könig in Englandt muß den Englandern nicht lehren, die seinigen nicht den gehorlichen respect zu erweißen; sie habens ohne daß lust genung darzu. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben vom 2 vollig beantwortet. Ich kome jetzt auff daß, so ich gestern umb halb 9 entpfangen habe, bin willens, mitt zürnen ahnzufangen, daß Ihr sagt, daß Ihr fürcht, ich mögte glauben, daß Ihr gebettelt habt. Bitte umb verzeyung, liebe Louisse! Aber waß Ihr da sagt, ist bitter alber; Ihr habt mir kein eintzigs wordt gesagt, so mir dieße gedancken hette geben können; den Ihr wist ja nicht, waß regencen sein, wie hettet Ihr mirs den abbettellen können? Es ist ja die gröste bagatelle von ein gantz schlegt schwartz schächtelgen, habe es nur geschickt, umb Eüch zu weißen, was die kauffleütte eine regence heyßen. Hette woll nicht errahten können, daß Eüch ein solcher einfahl kommen solte. Man könte woll ein schachteln mitt pomade divine fordern, ohne interessirt zu sein; den, wie schon gesagt, so ist es die schlegste sach von der welt. Also last Eüch keine gedancken hirüber kommen! daß seindt miltzgrillen, die man verjagen muß undt gar nicht überhandt nehmen laßen. Nun ich gezürnt, will ich doch sagen, daß Ihr mir schreiben mögt, wen Ewer pommade divine zu endt gehen will, so werde ich Eüch neüe schicken undt fest [242] glauben, daß Ihr interessirt seydt undt gern betteltt. Wahrt, liebe! ich will Eüch noch offt hirmitt vexiren. Ey, liebe Louissen, man kent Eüch gar zu woll, umb Eüch nicht vor interessirt zu halten. Aber daß interesirte[ste] mensch von der welt könte in dießer sach nicht vor interessirt erkandt werden, noch passiren, den daß ist wie nichts. Gestern habe ich ein schreiben gestern von der printzes entpfangen von 15, war also gar frisch, wie Ihr segt, undt nur 5 tag alt. Sie schreibt mir von einem ort, so Lichtersfilt heist; Ihr, die in Englandt geweßen, werdet vielleicht wißen, waß es vor ein ort ist. Hir ist daß konigliche hauß auch so in alles, in eßen, in drincken, in ihrem gantzen leben konnen sie nichts thun, alß waß man sie gewohnt hatt. Es muß etwaß in der sach mitt dem könig in Englandt undt printzen von Wallis stecken, so niemandt weiß; den es ist nicht naturlich, daß ein vatter seinem sohn nicht vergeben solte, wen er abbitt thut, wie der printz von Wallis gethan hatt. Balioti hatt den könig in Englandt umbbringen wollen, hatt also den todt woll verdint; den solche nahren kan man nicht im dollhauß oder Bethlehem[2] behalten. Er hatte seiner schwester den todt gedreüet, drumb hatt sie vielleicht nicht zu ihm dorffen schicken, den hett er ihren knecht bestochen. Daß ist woll gewiß undt war, daß keine dollere köpff in der weldt, alß in Englandt, sein. Hiemitt ist Ewer 2tes schreiben vollig beantwortet, komme nur noch auff daß p. s. Ich habe durchauß vergeßen, meinen sohn von mademoiselle de Champagne zu sprechen; morgen werde ich es thun undt Eüch biß sontag die andtwort sagen, aber dießmahl nichts mehr, alß Eüch bitten, hertzliebe Louisse, nie zu zweyfflen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. April 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 240–242
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0908.html
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