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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Paris den 20 April 1718, umb halb 7 abendts (N. 69).
Hertzallerliebe Louise, ich werde mein enckel, die zu Chelle
eine none will werden, morgen eine vissitte geben; den wen ich
einmahl zu St Clou sein werde, kan ich nicht mehr hin, ist 8 gutter
meil von Chelle, undt weillen die wege gar schlim nun sein, so weiß
ich nicht, wen ich morgen widerkommen werde. Also will ich heütte
ahnfangen. Aber mein gott! es felt mir alleweill ein, daß ich
morgen ahn Churpfaltz zu andtworten habe, muß geschwindt den brieff
machen undt, waß noch ahm ärgsten ist, abcopiren. Ich schreibe
lieber 10 brieff, alß daß ich einen halben bogen abcopire. Aber es
ist zeit, daß ich dieße schwehre arbeydt ahnfange.
Donnerstag, den 21 April, umb halb 6 abendts.
Es ist eine stunde, daß ich wider von Chelle komen, aber wie
ich eben die feder genohmen, umb zu schreiben, ist mein sohn
herrein kommen, mitt wem
[1] ich zu reden gehabt. Alleweill holt man
ihn, also werde ich fortfahren, Eüch, liebe Louise, zu entreteniren.
Ich fange bey dem 2 april ahn, no 27, hernach werde ich, wie ich
hoffe, auff daß vom 9, no 29, andtwortten, so man mir gestern
abendts gebracht, alß ich ahn Churpfaltz geschrieben. Aber es
fehlt mir noch ein schreiben von Eüch von no 28. Ich erinere mich
nicht, ob ich es vielleicht schon beantwortet habe; den es geschicht
mir offt, daß ich die frischten ahm ersten beantworte. Ich bitte,
sagt mir, waß dran ist, ob mir der brieff fehlt oder nicht! Ich
habe in allen zeittungen gesucht, aber nichts vom armen Furie
gefunden, weiß also nichts von seiner historie erfahren. Boite kene
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ich gar woll, habe ihm vor etlichen tagen deß czaar contrefait in
email abgekaufft, so perfect gleich ist. Er hatt mir auch 2 schönne
stücker gewießen, so er gemacht, eine Andromede undt ich weiß
nicht mehr, waß daß zweytte stück war. Er hatt mir nicht gesagt,
daß es vor mein sohn were. Ich erinere mich nicht, daß er mir
jemahlen ein schreiben von Eüch gebracht hatt. Ich dancke Eüch
sehr, mir zu offriren, waß auß der Franckforter meß zu schicken;
ich habe itzunder nichts von nohten. Ich [weiß] nur zu woll, waß
verrengte füß sein; den es mir mehr, alß einmahl, widerfahr[e]n.
Daß ist viel schuldig geweßen, daß ich so übel jetzt gehe; den bey
dem 2ten bin 6 mont geweßen, ohne gehen zu können. Daß hatt
mir auch eine große schwachheit in den schenckeln gelaßen, undt
so baldt man ein wenig starck geht, geschwilt einem der fuß wider.
Man hatt woll recht, zu sagen, daß die gazetten lügenhafft sein; den
es ist nicht war, daß der könig in Englandt der printzes spitzen
geschenckt. Weit davon. Man hatt einen soltadten gestrafft, sich
ins gewehr vor die printzes gestelt zu haben, welches ich recht alber
finde, unter unß gerett. Der könig in Englandt muß den
Englandern nicht lehren, die seinigen nicht den gehorlichen respect zu
erweißen; sie habens ohne daß lust genung darzu. Hiemitt ist
Ewer erstes schreiben vom 2 vollig beantwortet. Ich kome jetzt
auff daß, so ich gestern umb halb 9 entpfangen habe, bin willens,
mitt zürnen ahnzufangen, daß Ihr sagt, daß Ihr fürcht, ich mögte
glauben, daß Ihr gebettelt habt. Bitte umb verzeyung, liebe
Louisse! Aber waß Ihr da sagt, ist bitter alber; Ihr habt mir kein
eintzigs wordt gesagt, so mir dieße gedancken hette geben
können; den Ihr wist ja nicht, waß regencen sein, wie hettet Ihr mirs
den abbettellen können? Es ist ja die gröste bagatelle von ein
gantz schlegt schwartz schächtelgen, habe es nur geschickt, umb
Eüch zu weißen, was die kauffleütte eine regence heyßen. Hette
woll nicht errahten können, daß Eüch ein solcher einfahl kommen
solte. Man könte woll ein schachteln mitt pomade divine fordern,
ohne interessirt zu sein; den, wie schon gesagt, so ist es die
schlegste sach von der welt. Also last Eüch keine gedancken
hirüber kommen! daß seindt miltzgrillen, die man verjagen muß undt
gar nicht überhandt nehmen laßen. Nun ich gezürnt, will ich doch
sagen, daß Ihr mir schreiben mögt, wen Ewer pommade divine zu
endt gehen will, so werde ich Eüch neüe schicken undt fest
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glauben, daß Ihr interessirt seydt undt gern betteltt. Wahrt, liebe! ich
will Eüch noch offt hirmitt vexiren. Ey, liebe Louissen, man kent
Eüch gar zu woll, umb Eüch nicht vor interessirt zu halten. Aber
daß interesirte[ste] mensch von der welt könte in dießer sach nicht
vor interessirt erkandt werden, noch passiren, den daß ist wie nichts.
Gestern habe ich ein schreiben gestern von der printzes entpfangen
von 15, war also gar frisch, wie Ihr segt, undt nur 5 tag alt. Sie
schreibt mir von einem ort, so Lichtersfilt heist; Ihr, die in
Englandt geweßen, werdet vielleicht wißen, waß es vor ein ort ist. Hir
ist daß konigliche hauß auch so in alles, in eßen, in drincken, in
ihrem gantzen leben konnen sie nichts thun, alß waß man sie
gewohnt hatt. Es muß etwaß in der sach mitt dem könig in Englandt
undt printzen von Wallis stecken, so niemandt weiß; den es ist nicht
naturlich, daß ein vatter seinem sohn nicht vergeben solte, wen er
abbitt thut, wie der printz von Wallis gethan hatt. Balioti hatt
den könig in Englandt umbbringen wollen, hatt also den todt woll
verdint; den solche nahren kan man nicht im dollhauß oder
Bethlehem
[2] behalten. Er hatte seiner schwester den todt gedreüet,
drumb hatt sie vielleicht nicht zu ihm dorffen schicken, den hett
er ihren knecht bestochen. Daß ist woll gewiß undt war, daß keine
dollere köpff in der weldt, alß in Englandt, sein. Hiemitt ist Ewer
2tes schreiben vollig beantwortet, komme nur noch auff daß p. s.
Ich habe durchauß vergeßen, meinen sohn von mademoiselle de
Champagne zu sprechen; morgen werde ich es thun undt Eüch biß
sontag die andtwort sagen, aber dießmahl nichts mehr, alß Eüch
bitten, hertzliebe Louisse, nie zu zweyfflen, daß ich Eüch von hertzen
lieb behalte.