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Brief vom 5. Mai 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


912.


[251]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 5 May 1718, umb 3 viertel auff 8 abendts (N. 73).
Hertzallerliebe Louise, in dießem augenblick kome ich, eine vissitte hir in der nachbarschafft zu thun bey madame de Berry a la Meutte, welches gar ein artiger ort ist. Ich habe meinen sohn dort gefunden, so mitt seiner fraw dochter zu mittag geßen. Dießen nachmittag habe ich so sehr in meinem cabinet getreppelt, umb etwaß zu suchen, daß, wie ich herauß kommen, herauß kommen undt man mir Ewer liebes schreiben vom 23 April, no 33, gebracht sambt noch ein ander paquet undt ich solches habe leßen wollen, bin ich entschlaffen, biß man mir ist sagen kommen, daß meine kutschen kommen. Seyder mein[e]r aderläß bin ich so schwach, daß ich keine 3 schrit thun kan, ohne bitter müdt zu werden. Biß sambstag wirdt es noch viel ärger werden, wen man mich wirdt purgirt haben, den werde ich keinen fuß vor den andern setzen können. Wen man mich so plagt, wen ich krank bin, finde ich nichts dagegen zu sagen; aber wen man mich kr[a]nnk macht, wen ich gesundt bin, daß ist mir unleydtlich, ich muß gestehen. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben andtworte; den es wirdt spät. Es ist mir lieb, daß unßer commers so woll gehet, liebe Louisse, undt Ihr meine brieffe richtig entpfangt; aber sie seindt lang unterwegen. Ich glaube, Ihr werdet nun wißen, mitt welcher hartten manir man die freüllen Gemingen von den printzessinen in Englandt gethan. Die eltste prinzes ist auß betrübtnuß kranck unndt die arme printzes von Wallis weindt continuirlich. Ich habe woll gedacht, daß ihnen allen daß verfluchte Englandt mehr betrübtnuß, alß freüden, geben würde; den die leütte seindt gar zu boßhafft dort. Ich gestehe es, ich bin ebenso wenig betrübt über madame de Vandosme geweßen, alß sie über mich geweßen were, wen ich gestorben were, undt noch 2 ursachen, warumb ich gar nichts nach [252] ihr gefragt, ist, daß sie meinen sohn feindt war undt madame la princesse nicht lieb hatte, ob sie zwar ihre fraw mutter war, so sie hertzlich geliebt; zum 3ten so hatt sie ein leben geführt, daß keines von ihren verwanten ehre ahngethan hatt.[1] Undt ob man zwar nie niemandts verdamen solle, so stehet doch auch in der h. schriefft, daß, wie der baum felt, so ligt er;[2] undt doll gelebt zu haben, ohne im sterben ahn gott zu gedencken undt reü vor seine sündt zu haben, deücht mir, daß madame la princesse doch kein groß unrecht hatt, vor ihrer fraw dochter sehl in sorgen zu sein undt sich zu betrüben. Freyllig muß man man auff gottes barmhertzigkeit vertrawen. Ich bette taglich morgendts undt abendts vor mein eygene bekehrung undt aller denen, so mir nahe undt lieb sein. Gestern haben wir noch einen schnellen todtfall im Palais-Royal gehabt, nehmblich die marquise de Castre,[3] madame d’Orleans ihre dame d’attour,[4] so auch ihr geschwister-kindt war; den der duc de Vivone undt madame de Montespan wahren schwester undt bruder; aber vor deren ist nichts zu fürchten, den sie hatt allezeit fromb undt woll gelebt. Vorgestern ging sie in perfecter gesundtheit zu bett. Gestern umb 10 fandt man sie auffrecht sitzen, ohne zu kenen.[5] Man ließ ihr zur ader, man gab ihr emetique[6] undt sonsten starcke sachen, aber nichts halff. Umb halb 8 abendts verschiedt sie. Aber es schlegt 9, ich muß wider willen enden, den man plagt mich; nur noch sagen, daß es[7] ohne eine permission von cardinal oder ertzbischoff von Paris, wen man zu Paris ist, nicht darff außer der pfarkirch umb ostern zum h. abendtmahl gehen; undt daß gibt mir keine mühe, gehe lieber dorthin, alß in closter, wie madame de Berry undt ihre fraw mutter thut; ich bin gern bey gantze chris[t]liche gemeinen. Ein andermahl werde ich auff daß überige von Ewern lieben schreiben andtwortten, nun aber, umb [253] ruhe zu haben, nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Mai 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 251–253
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0912.html
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