[251]
A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 5 May 1718, umb 3 viertel auff 8 abendts (N. 73).
Hertzallerliebe Louise, in dießem augenblick kome ich, eine
vissitte hir in der nachbarschafft zu thun bey madame de Berry a
la Meutte, welches gar ein artiger ort ist. Ich habe meinen sohn
dort gefunden, so mitt seiner fraw dochter zu mittag geßen. Dießen
nachmittag habe ich so sehr in meinem cabinet getreppelt, umb etwaß
zu suchen, daß, wie ich herauß kommen, herauß kommen undt man mir
Ewer liebes schreiben vom 23 April, no 33, gebracht sambt noch ein
ander paquet undt ich solches habe leßen wollen, bin ich entschlaffen,
biß man mir ist sagen kommen, daß meine kutschen kommen.
Seyder mein[e]r aderläß bin ich so schwach, daß ich keine 3 schrit
thun kan, ohne bitter müdt zu werden. Biß sambstag wirdt es noch
viel ärger werden, wen man mich wirdt purgirt haben, den werde
ich keinen fuß vor den andern setzen können. Wen man mich so
plagt, wen ich krank bin, finde ich nichts dagegen zu sagen; aber
wen man mich kr[a]nnk macht, wen ich gesundt bin, daß ist mir
unleydtlich, ich muß gestehen. Es ist aber auch zeit, daß ich auff
Ewer liebes schreiben andtworte; den es wirdt spät. Es ist mir
lieb, daß unßer commers so woll gehet, liebe Louisse, undt
Ihr meine brieffe richtig entpfangt; aber sie seindt lang
unterwegen. Ich glaube, Ihr werdet nun wißen, mitt welcher hartten
manir man die freüllen Gemingen von den printzessinen in
Englandt gethan. Die eltste prinzes ist auß betrübtnuß kranck unndt
die arme printzes von Wallis weindt continuirlich. Ich habe woll
gedacht, daß ihnen allen daß verfluchte Englandt mehr betrübtnuß,
alß freüden, geben würde; den die leütte seindt gar zu boßhafft
dort. Ich gestehe es, ich bin ebenso wenig betrübt über madame
de Vandosme geweßen, alß sie über mich geweßen were, wen ich
gestorben were, undt noch 2 ursachen, warumb ich gar nichts nach
[252]
ihr gefragt, ist, daß sie meinen sohn feindt war undt madame la
princesse nicht lieb hatte, ob sie zwar ihre fraw mutter war, so sie
hertzlich geliebt; zum 3ten so hatt sie ein leben geführt, daß keines
von ihren verwanten ehre ahngethan hatt.
[1] Undt ob man zwar nie
niemandts verdamen solle, so stehet doch auch in der h. schriefft,
daß, wie der baum felt, so ligt er;
[2] undt doll gelebt zu haben,
ohne im sterben ahn gott zu gedencken undt reü vor seine sündt
zu haben, deücht mir, daß madame la princesse doch kein groß
unrecht hatt, vor ihrer fraw dochter sehl in sorgen zu sein undt
sich zu betrüben. Freyllig muß man man auff gottes barmhertzigkeit
vertrawen. Ich bette taglich morgendts undt abendts vor mein
eygene bekehrung undt aller denen, so mir nahe undt lieb sein.
Gestern haben wir noch einen schnellen todtfall im Palais-Royal
gehabt, nehmblich die marquise de Castre,
[3] madame d’Orleans ihre
dame d’attour,
[4] so auch ihr geschwister-kindt war; den der duc
de Vivone undt madame de Montespan wahren schwester undt bruder;
aber vor deren ist nichts zu fürchten, den sie hatt allezeit fromb
undt woll gelebt. Vorgestern ging sie in perfecter gesundtheit zu
bett. Gestern umb 10 fandt man sie auffrecht sitzen, ohne zu
kenen.
[5] Man ließ ihr zur ader, man gab ihr emetique
[6] undt
sonsten starcke sachen, aber nichts halff. Umb halb 8 abendts
verschiedt sie. Aber es schlegt 9, ich muß wider willen enden, den
man plagt mich; nur noch sagen, daß es
[7] ohne eine permission
von cardinal oder ertzbischoff von Paris, wen man zu Paris ist,
nicht darff außer der pfarkirch umb ostern zum h. abendtmahl gehen;
undt daß gibt mir keine mühe, gehe lieber dorthin, alß in closter,
wie madame de Berry undt ihre fraw mutter thut; ich bin gern
bey gantze chris[t]liche gemeinen. Ein andermahl werde ich auff daß
überige von Ewern lieben schreiben andtwortten, nun aber, umb
[253]
ruhe zu haben, nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von
hertzen lieb behalte.