Seitenbanner

Brief vom 11. Mai 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


914.


[257]
St Clou den 11 May 1718 (N. 75).
Hertzallerliebe Louise, es ist heütte zwar kein posttag, aber wie ich morgen bey madame de Berry a la Meutte zu mittag eßen werde undt morgendts ahnfangen, endtweder ahn mein dochter oder ahn die printzes ahnfangen, zu schreiben vor übermorgen, also werde ich heütte ahnfangen, auff Ewer liebes schreiben vom 26 April zu andtwortten, damitt die post nicht fehlen mag. Abendts, wen ich wider von la Meutte werde kommen sein, werde ich meinen brieff außschreiben, nun aber auff Ewer liebes schreiben andtwortten. [258] Mein sohn hatt die ceremonie von seinem herrn vatter gelernt, so kein großes fest, alß ostern, weienachten, pfingsten, fehlte, so in undt auß der kirch zu fahr[e]n; also ist es mir gar nichts neües. Ich liebe die große ceremonien weniger, alß niemandts, ich will aber auch, daß ein jedes nach seinem standt lebt, ein fürst wie ein fürst, ein edelman wie ein edelman, ein könig wie ein könig undt so forthan. Die printzes von Wallis jammert mich woll von grundt der seelen. Wen man ursach hatt, seine kinder zu filtzen oder zu straffen, so mag mans thun; aber sie ewig zu zergen[1] undt alles zuwider zu thun, findt ich gar nicht fein, noch noble. Die zergerreyen seindt zu nicht nutz, geben nur erbitterung undt helffen zu nichts. Ich sage noch mehr, es erweist ein böß gemühte, lust zu nehmen, leütte verdruß ahnzuthun, ohne daß es zu waß helffen, nur umb zu quellen; daß lernt[2] daß evangell[i]um nicht, daß erweist nicht allein kein vatterliches hertz, sondern auch nicht die christliche liebe, so man dem negsten schuldig. Daß hatt er weder von herrn vatter, noch fraw mutter gelehrnt; kan mich recht verdrießen, den wegen seiner eltern mögt ich dießen könig gern lieb haben undt mitt solchen maniren kan ich es nicht, den sie seindt mir zuwider. Zudem so habe ich die printzes lieb undt kan nicht leyden, daß man sie so erschrecklich plagt. Ihr werdet auß meinen schreiben ersehen haben, daß ich eher, alß Ihr, gewust, wie es mitt dem freüllen von Gemingen gangen; aber vor 6 mont haben die Engländer hir sich schon verlautten laßen, daß es nicht außzustehen were, daß die englische königlich printzessinen durch keine englische dame erzogen würden. Der printzes Anne ist dieße sach sehr zu hertzen gangen, hatt mich auch gejamert. Ich habe den oberjägermeister [3] nicht gekandt, aber hergegen ist sein vatter, der Eberfritz,[4] undt sein mutter, daß Evel, mir woll bekandt geweßen, habe sie beyde liebe gehabt, insonderheit da[s] Evel.[5] Alle leütte, so so rechtmäßige betrübtnuß haben, wie die fraw von Veningen hatt, jammern mich von hertzen. Es ist abscheülich, so viel brüder in einem hauß zu [haben] undt daß so wenig erben überbleiben. Ich sehe woll, daß Ihr noch nicht wist, liebe Louise, daß [259] der Veningen sohngen mitt seinem vatter gestorben ist. Nun will ich meine pausse auff morgen machen. Ewer liebes schreiben ist völlig beantwortet. Morgendt abendts werde ich Eüch verzehlen, wie unßere malzeit a la Meutte abgeloffen ist.
Donnerstag, umb 8 abendts, 12 May.
Es ist eine gutte halbe stundt, daß wir von der Meutte kommen sein, wo wir ein magnifique mahlzeit gehabt haben. Ich habe aber nicht viel eßen können, den seyder meiner letzten aderläß ist mir daß eßen wieder gantz verleydt, weiß nicht, wens wider kommen wirdt, frag nichts darnach. Ich habe seyder gestern gar nichts neües erfahren. Nach dem eßen haben wir a la Meutte hocca gespilt; ich habe biß halb 7 gespilt undt nur 2 Louis d’or verlohren. Wie ich ins holtz bin kommen, habe ich mademoiselle de Valois zu pferdt begegnet, auff der brücken die 2 duchessen undt mademoiselle de Clermont, undt wie ich herkomen, habe ich hir im hauß mademoiselle de Monpensier undt den abgesanten vom keyßer gefunden, und die 2 duchessen seindt widerkommen; drumb schreib ich Eüch so spät, liebe Louisse! Ich weiß gantz undt gar nichts neües, werde also vor dießmahl schließen undt Eüch nur versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Mai 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 257–259
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0914.html
Änderungsstand:
Tintenfass