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Brief vom 19. Mai 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


916.


[265]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 19 May 1718 (N. 77).
Hertzallerliebe Louise, gestern fuhr ich nach Paris, meinen sohn, fraw undt kinder zu besuchen undt auch eine neüe commedie zu sehen, so nicht viel besunders ist. Es seindt schönne sachen drinen; der tittel ist Artaxarte,[1] gar tugendtsame, eine pa[r]thische historie. Wie ich in die loge trat, gab man mir Ewer liebes schreiben vom 7 dießes monts. Freylich bin ich gern hir, den da habe ich ruhe; zu Paris lest man einem weder ruh, noch rast, undt wen ich es auff gutt pfaltzisch sagen soll, so geheyt man mich gar zu übel zu Paris; dießer bringt einem ein placet, der ander plagt einem, umb vor ihm zu reden; dießer fordert eine audientz, jenner will eine andtwort haben; sume, es ist nicht außzustehen, wie ich dort geplagt werde, es ist arger, alß nie, bin mitt freüden wieder weggefahren, undt man ist gantz verwundert, daß ich von dießen hudleyen nicht gantz charmirt bin, undt ich gestehe, daß es mir gantz unerträglich ist. Ohne gritlich-sein kan ich nicht zu St Clou sein; den ich habe gar zu viel verdrießliche grillen im hirnkasten. Aber ich will mein bestes thun, niemandts damitt beschwehrlich zu fahlen. Daß große wie kleine ihre last in dießer welt haben, ist kein wunder; den sie seindt ja nur menschen wie andere auch, also alles unterworffen, waß den menschen in der welt begegenen kan. Aber waß sie ahm ärgsten haben, ist, daß sie allezeit mitt so viel leütte umbringt sein, daß ihre unglücke nie heimblich, noch verborgen sein können, undt müßen denen, so weniger seindt, alß sie, zum spectacle dinnen. Die printzes von Wallis jammert mich woll von grundt meiner sehlen. Ich gestehe, ich begreiffe nichts ahns konigs von Engelandts conduitte. Ich glaube nicht, daß die printzessin den printzen gegen den mylord Neucastel[2] auffgestifft hatt; aber gesetzt, sie hette es gethan undt nicht genung betracht, daß es dem konig in Engellandt verdrießen mögte, so ist doch der fehler nicht so groß, daß er nicht könte durch eine abbitt [266] undt soumission außgelöscht werden. Der printzessin werde ich kein wordt sagen, waß Ihr mir da sagt, liebe Louisse! Ihr dörfft nicht fürchten, mein leben cittire ich niemandts. Aber dießes entschuldiget den könig nicht, seines e[i]ntzigen sohns entschuldigungen nicht ahnzunehmen undt ihm einen englischen mylord vorzuziehen, ja so gar barbarisch mitt ihm umbzugehen, ihm nicht allein nicht zu verzeyen, sondern auch verhindern, daß er in 4 monat seine liebe kinder nicht hatt sehen dörffen; daß finde ich zu hart. Maistresse de garderobe heist man dame d’atour hir, daß gibt hir den tittel von madame, alß wen sie geheüraht wehren. Man muß hoffen, daß sie auch mitt der zeit (ich will sagen die freüllen von Gemingen) auch ihre pension vom könig bekommen wirdt; den es ist nicht möglich, daß dieße troublen allezeit dawern können, undt wirdt es wider gutt, wirdt man woll die, so übel tractirt sein worden, recompensiren mußen. Ich halte die freüllen Gemingen vor glücklicher, dame d’atour, alß kinderhoffmeisterin, zu sein; da hatt man mehr ruhe bey, aber kinder zu erziehen, da hatt man nichts, alß mühe undt sorgen, bey, undt lachen einem noch offt dazu auß. In meinem sin ist keine widerlichere nation, alß die englische; sie seindt zu boßhafftig undt zu neydisch, umb daß man sie lieb könt haben. Wen Ihr mir die ferngläßer schickt, so schreibt mir dabey, waß es kost! Den ich will nicht gern ohnnohtige unkosten machen. Ich bin fro, daß viel frembten zu Franckforth sein; den ich [denke,] daß dießes was verenderung vor Eüch sein wirdt. Mitt großen schmertzen undt geschwollen backen ist es keine lust, unter die leütte zu gehen; aber daß muß woll wieder auffhören. Ich glaube, daß Eüch der herr Zachman oder seine fraw Eüch schreiben werden; den ich habs ihnen sehr reprochirt, daß sie es bißher nicht gethan. Die hundt sein gewiß nicht vor meinem sohn, den er ist gar kein jäger. Es wirdt spät, ich muß eine pausse machen. Dießen nachmittag werde ich außschreiben.
Donnerstag, umb 1/4 auff 4 nachmittags.
Ich habe bißher gewahrt undt nicht wider ahngefangen, zu schreiben, umb zu sehen, ob ich nichts neües erfahren würde, undt unterdeßen bin ich in den gallerien spatziren gangen, hab mehr spatzirt, alß ich in 2 jahren gethan, bin auch recht müde, werde doch noch umb 5 in caleschen in den gartten spatziren fahren. [267] Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Mai 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 265–267
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0916.html
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