Seitenbanner

Brief vom 2. Juni 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


920.


[278]
St Clou den 2 Juni 1718, umb 8 morgendts (N. 81).
Hertzallerliebe Louisse, dieße woche habe ich nichts von Eüch entpfangen; jedoch umb mein versprechen zu halten, Eüch, lieb Louise, alle posten zu schreiben, so fange ich jetzt ahn. Vielleicht bekomme ich dießen nachmittag etwaß von Eüch, daß werde ich beantworten, nun aber nur verzehlen, waß ich gethan, seyder ich Eüch nicht entretenirt habe. Montags kammen umb 12 uhr morgendts meine 2 enckeln, mademoiselle de Monpensier undt Beaujoloy, undt aßen mitt unß zu mittag. Nachmittags kam mein sohn her, bracht unß nichts neües, alß die verenderung in der müntz, nehmblich daß jetz[t] ein Louis d’or 36 livre gilt, ein halber 18 ℔ undt ein quart de Louis 9. Die viel gelt haben, werden viel drin gewinen; ich bin aber nicht von der zahl, den bar gelt undt ich seindt nicht lang beysamen. Mein sohn fuhr umb halb 4 wider weg, umb mitt seiner dochter zu eßen; den er hatte noch nicht geßen gehabt. Umb halb 6, nachdem ich meine brieffe ahn die 2 königinen außgeschriben hatte, von Spanien, so zu Bajonne wohnt, undt die von Sicillen, fuhr ich ins bois de Boulogne zu einem freüllen, so lange jahren bey mir hofffreüllen geweßen (hette schir jungfer [279] gesagt nach dem alten brauch[1]) undt Chausseray[2] [heißt]; bey bey der bliebe ich biß nach 7 undt spatzirte in ihrem kleinen gärtgen, sprachen von alten zeitten. Dinstag schrieb ich biß umb 6 ahn printzes von Wallis, 3 damen von Paris kammen mitt mir eßen, madame de Coligni, madame de Nesle undt madame de Soulier. Dieße letzte ist eine dame von Provence, so meinen geweßenen chevallier d’honneur, den marquis de Solier, geheüraht hatt. Madame de Coligny ist eine witwe, des marquis de Lassé dochter, die war in Port-Royal retirirt, wie ich alß hinging, madame de Beuveron[3] zu sehen, also eine alte kundtschafft; sie hatt viel verstandt undt ist ahngenehm. Madame de Nesle ihr man ist vom hauß Mally; sie ist deß ducs de la Mailleray,[4] so man jetz[t] Mazarin heist, dochter undt ihre mutter ist der marechal de Duras dochter; sie war vor etlichen jahren schön, bekam aber die kinderblattern, wurde hernach greulich fett undt ist es noch, passirt doch noch vor eine beauté undt hatt mehr, alß einen, adorateur. Monsieur le duc ist sterbens-verliebt von ihr geweßen; sie hatt ihm aber den prince de Soubisse preferirt. Schreibe dieße historgen en passant, umb Euch zu amussiren. Ich hilte dießen damen schlegte geselschafft; den ich schriebe den gantzen tag biß 6, führte sie doch mitt mir spatziren. Mitwog, alß gestern, fuhr ich umb 12 a la Meutte, kam umb ha[l]b 1 ahn. Madame de Berry kame mir ahn der stieg entgegen; wir sprachen in ihren cabinet ein halb stündtgen mitt einander. Hernach gingen wir ahn taffel, wahren 9 ahn taffel, madame de [Berry], 4 von ihren damen, alß madame de Mouchi, madame de La Rochefoucaut,[5] madame de Laval undt madame de Brassac, undt mitt mir war kommen madame de Chasteautier, madame de Maré[6] undt die Rotzenheusserin. Nach dem eßen spilten die meisten hocca, die überigen a l’ombre-quadrille[7] biß nach 6. Da stiegen wir in kleinen, offenen calesche, madame de Bery, ich, madame de Chasteautier undt die fraw von Rathsamshaussen. In den zwey andern caleschen wahren die überigen damen. Wir führen im bois de [280] Boulogne spatzir[e]n, so madame de Berry zum parckt dinet. Es war daß schönste wetter von der welt. Wir spatzirten im gantzen holtz herumb; in der mitten fanden wir meinen enckel, den duc de Chartre, welcher her wolte, mich zu besuchen; wuste nicht, daß ich bey seiner fraw schwester war. Wir nahmen ihn in die calesch, madame de Chasteautier machte ihn platz, ging in die folgende calesch; madame de Berry behilt die Rotzenheusserin, umb ihr bang zu machen, umbzuwerffen, weillen sie selber führt. Wie wir im halb 8 wider in die Meutte kamen, funden wir meinen sohn dort, so kam, umb mitt madame de Berry zu nacht zu eßen. Ich aber stieg in meine kutsch undt fuhr wider her, kam umb 8ten ahn, schrieb 2 brieff, aß mein 2 maulvoll von kopffsalat undt ging hernach nach bett. Nun will ich auch eine pausse machen undt wartten, umb zu sehen, ob ich nichts von Eüch bekommen werde; bekomme ich nichts, werde ich ein kurtz endt machen; bekomme ich Ewern brieff aber, liebe Louisse, so werde ich exact andtwortten.
Donnerstag, den 2 Juni, umb ein viertel auff 5 nachmittags.
In dießem augenblick entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 21 May, no 40. Ihr müst eine große gedult haben, meine brieffe mehr, alß einmahl, zu überleßen. Monsieur Teray ists nicht leydt, daß ich keinen apetit habe; den er fürcht alß, daß ich zu viel eße. Ich glaube, daß der cressen- undt körbelsafft, so ich alle morgen nehme undt welcher gar einen schlimen geschmack hatt, auch viel dazu contribuirt, daß mir daß eßen verleydt ist. Dießer dießer safft purgirt mich alle morgen 4, 5 biß 6 undt 7 mahl; heütte ist es nur 5 mahl geweßen. Es gibt mir weder ungemach, noch schmertzen undt geht doch starck, treibt lautter gallen von mir, befinde mich viel beßer dabey, alß wen man mir medecin gibt; den es matt mich nicht die helffte so sehr ab. Ihr werdet auß dem ahnfang dießes brieffs ersehen, daß ich gestern wider bey madame de Berry geweßen. Die englische sach ist woll eine rechte wirwar. Ich bin in sorgen wegen unßerer printzes von Wallis; den in ihrem letztem schreiben vom 29 May stehet, daß I. L. einen großen husten bekommen, so ihre zeit so starck hergeführt, daß sie daß bett deßwegen halten muß. Sie hatte eben ihre zeit, wie der sturm von dem freüllen Gemingen kam; da erzürnte sich die printzes so erschrecklich, daß ihr die zeit gantz kurtz außblieb, ist doch [281] widerkommen, aber zu starck. Alleweill bekomme ich ein schreiben von der königin in Preussen. Ihr könig hatt die kinderblattern gehabt; es müßen aber woll nur die waßerblattern geweßen sein, den er ist schon gantz wider courirt undt gar nicht gezeichnet. Ich glaube [nicht], daß war ist, waß man in den holandischen gazetten vom chevallier de St George[8] gesagt hatt; den, wen es war were, würde man hir waß davon gehört haben, undt kein mensch hatt es hir gesagt. Ich glaube, daß der konigin in Englandt s. pension so starck war. Mein sohn gibt den armen bedinten von der konigin s. die continuation von ihren pensionen. Vor den krigsschaden gibt man keinem menschen nichts; es ging zu weit nauß; gar zu viel leütte haben deßwegen gelitten. Gibt man ahn einem, müste man ahn allen geben, undt der könig ist weit davon, in dem standt zu sein. Also habt habt Ihr woll recht, zu sagen, daß spanische schlößer sein, sehr in der lufft gebauet. Nichts ist gering in dem standt, wo der könig nun ist. Monsieur Zachman schweigt so still, weillen er sicht, wie ellendt die sachen hir sein. Mir mißfahlt es gar nicht, daß ein jedes daß seinige sucht, findt ich sehr raisonabel. Aber die zeitten seindt nie so schlim geweßen, alß nun. Wen ich es nicht so bey nahem sehe, kame es mir unglaublich vor. Bey Monsieur[9] konte ich gehertzt reden; den ich konte sagen: Ich gebe meinen part, aber mitt meinen sohn habe ich nichts gemein; er hatt fraw undt kinder (par tout les diable, hette ich schir gesagt), wo ich nichts zu sagen habe, leyder. Ich höre die märger von gegespensten recht gern, habe gar keinen glauben dran; ordinarie findt man die gespenster, so steine werfen. Es ist mir leydt, daß La Hontan seine intention nicht volbracht, die geisterhistorien zu schreiben. Ich würde es gewiß gekaufft haben. Aber da kommen viel leütte, ich muß eine pausse machen. Da kompt der herr undt die fraw Schleünitz[10] undt ihre dochter undt monsieur Martine,[11] monsieur Chamilliart[12] undt andere mehr, muß also wider willen eine pausse machen. Dießen abendt werde ich schließen. [282]
Donnerstag, den 2 Juni, umb halb 8.
Da komme ich wider auß dem walt; es ist daß schönste wetter von der welt, weder zu warm, noch zu kühl, kein staub; den es hatt die gantze nacht gedonnert undt geregnet. Da kompt madame d’Orleans ahn, kan also in eyll nichts mehr sagen, alß daß Ihr mir einen gefallen thun werdt, von den gläßern zu schicken undt dabey zu schreiben, waß es kost, werde es mitt danck bezahlen. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Juni 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 278–282
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0920.html
Änderungsstand:
Tintenfass