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Brief vom 16. Juni 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


923.


[290]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 9 Juni 1718[1], umb halb 6 a[be]ndts (N. 83).
Hertzallerliebe Louisse, wie ich umb halb 5 auß der kirch kommen bin, hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 4ten, no 44, gebracht, welches ich geleßen. Wie ich aber die feder nehmen wolte, umb zu andtwordten, sahe ich der printzes de Conti kutsch im hoff fahrn. Die ist auß politesse kommen, umb zu fragen, wie ich mich befindte, weillen ich gestern bey ihnen auff ihr maison de campagne, so nahe hir bey bey, nur eine halbe stundt von hir, zu mittag geßen. Wir wahren 19 personnen ahn taffel, sie haben unß eine starcke mahlzeit [gegeben,] mehr alß 30 schüßeln, undt alles gar gutt, ein marcassin oder wildt schweingen, auch ein guttes rehekalb, wovon ich ahm meisten geßen; den ich eße mein leben keine frantzosche ragouts, nicht auß der ursach, weillen sie ungesundt sein, sondern weillen weillen sie mir gar nicht geschmecken; finde es quettscherich. Es ist kein eintziger ragoust, ahn welchem ich mich habe gewehnen können.[2] Ich admirire die fraw von Rotzenhaussen, die frist die [291] ragoust mit lust. Ich eße nur ordinari schlegte speißen, calbfleisch, rindtfleisch, hammelschlägel, wilbret, wen ichs haben kan, aber nur schlegt gebratten mitt einer poiverade.[3] Aber wen ich teütsch eßen ertapen kan, eße ich von gantzen hertzen; aber daß ist waß rares.[4] Aber damitt ich wider auff mein recit komme, so will ich sagen, daß wir 5 viertelstundt ahn taffel geblieben. Nichts war schonner, alß daß obst; es wahren gantz wie naturlich abricossen, pfirsching, birn, apffel, alles von eyß; daß eße ich auch mein leben nicht.[5] Nach dem eßen gingen wir im salon, die musiq [zu hören.] Man sung 2 acten von Phaeton undt 2 von Armide.[6] Hernach umb 5 uhr spilten wir hocca biß halb 7; darnach fuhren wir spatziren. Es war daß schönste wetter von der weldt. Der gartten ist schön, hatt große alléen, viel springende fontainen undt große weiher. Wir spatzirten biß nach[7] bey 8ten, hernach fuhr ich wider her, kam umb 9 ahn, aß mein salatgen undt ging umb halb 10 zu bett. Dieße nacht umb halb 3 ist mir ohne wehe undt schmertz ein abscheülicher durchlauff ahnkommen, hatt aber, gott lob, nicht lang gewehrt undt ist ohne grimen undt schmertzen abgangen. Wir haben nichts neües hir, alß den todt von monsieur d’Armagnac,[8] welches mir von hertzen leydt ist; den er ist all sein leben mein gutter freündt geweßen, ob zwar zwey von seinen brüder meine ärgste feinde geweßen, nehmblich der chevallier de Loreine undt comte de Marsen,[9] Monsieur le Grand ist eben gestorben wie unßer könig s. mitt[10] hatt den kalten brandt ahn einen fuß gehabt, wovon vergangen montag gar woll undt christlich gestorben; hatt gar schön gesagt, er seye ein großer sünder geweßen, allein sein e[i]ntzigen vertrawen seye auff daß leyden undt sterben Jessu [292] Chri[s]ti; deswegen sterbe er getrost. Aber ich will nichts mehr von dießer trawerigen sach sagen; den es macht mir daß hertz zu schwer. Komme einmahl auff Ewer liebes schreiben. Mein brieff mag Eüch, liebe Louise, woll erfreüet haben, aber nicht geehret haben; den ich schreibe ahn manche leütte, so viel, viel weniger, alß Ihr, seindt; also ist es Eüch gar keine ehre, weder ehre, noch schande. Es ist den, wie ich sehe, der neüe stiel auch zu Franckfort; ich meinte, daß man noch den alten dort hette. Ich halte es vor gar billig, daß man mir unßern herrgott vorzicht. Es kompt eben apropo; den heütte kan ich auch nicht viel sagen, den madame d’Orleans kompt her, schon im vorhoff, wirdt etlich tag hir bleiben, muß haußehre thun, aber dießen brieff doch völlig in vollen hoca außschreiben. Von dem brandt zu Paris werde ich nichts mehr sagen, daß ist zu alt. Ahn scrupulose leütte können reü melancolisch machen, aber die kleingläubigen fragen kein haar darnach. Daß gott alle die bekahren[11] [möge,] so es von nohten haben, hirauff sage ich von hertzen amen. Mansleütte finden selten lust in waß in ehren geschicht. Waß in der teütschen zeittung von der printzes von Wallis [steht,] ist leyder nicht alles war. Es ist war, daß die printzes zu Kinsinthon[12] geweßen, aber hatt den könig nicht zu sehen bekommen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nur uberig; Eüch zu versichern, daß ich Euch, liebe Louisse, von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Juni 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 290–292
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0923.html
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