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Brief vom 11. August 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


940.


[345]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou, donnerstag, den 11 Aug. 1718, umb ein 4/1 auff 6 abendts (N. 100).
Hertzallerliebe Louise, es ist just eine halbe stundt, daß ich Ewer liebes schreiben vom 30 Julli entpfangen, habe aber nicht gleich schreiben können; den es ist seyder 4 tagen, seyder vergangen montag, eine so erschrecklich hitze, daß einer ersticken möchte. Ich habe so erschrecklich geschwitzt nach dem eßen, da ich ein wegen[1] entschlaffen, daß ich mich von kopff zu füßen habe anderst anthun müßen, kamen[2] undt pudern laßen; ich werde erst in dießem augenblick fertig. Aber jetzt komme ich auff Ewer liebes schreiben. Dancke zuforderst vor die teütsche gazetten, welche ich noch nicht geleßen; den ich habe noch der zeit nicht gehabt. Ey, liebe Louisse, denckt daran nicht mehr, daß ich vor Eüch in sorgen geweßen! Ihr befindt Eüch, gott lob, woll, also ist weytter nichts darauff zu sagen. Ich mogte Eüch schir zürnen, liebe Louisse, daß Ihr sagt, daß Eüch daß nicht wehre in sin kommen. Ich versichere Eüch ja so offt, daß ich Eüch lieb habe; so müst ich ja den allezeit lügen, wen ich nichts nach Eüch fragen solte. Daß ist mir ein schimpff, liebe Louisse! den ich piquire mich, allezeit gar wahr zu reden. Aber man leütt ins gebett. [346]
Donnerstag, den 11 Aug., umb 3/4 auff 8 uhr.
Da komme ich eben von der spatzirfahrt. liebe Louisse, undt ich will Eüch entreteniren, biß madame d’Orleans ahnkommen wirdt mitt ihren kindern. Darff ichs Eüch woll sagen? Ich glaube nicht, liebe Louisse, daß Ihr die affairen beßer verstehet, alß deß ducs de Schonburg seine ambtleütte; undt ich kan nicht glauben, daß Ihr verhindern könt, das sie ihr händtgen machen.[3] Weillen der graff von Degenfelt nun daß kindt im hauß ist, solte ich meinen, er könte ohngeheyßen sich der sachen ahnnehmen undt Eüch davon soulagiren. Ich verstehe, daß er sich drin mischen solte, wen er wider in Teütschlandt sein wirdt. Aber gestehts, liebe Louise! Ihr seydt ahn dem haußhalten gewohnt undt die zeit würde Eüch zu lang werden, wen Ihr gar nichts mehr zu thun hettet. Der herr graff von Degenfelt hatt groß recht, sich in seines schwigersvatters gunst zu erhalten; gebt es ahn, halte ich ihn vor gar geschickt. Ey, liebe Louise, macht mir keine complimenten! Wir seindt warlich einander zu nahe, umb zu complimentiren; unßere freündtschafft muß gehen, wie man hir sagt, sans dire, undt ohne erschrecklichen ursachen hört man nie auff, einander zu lieben. Ich wolte, liebe, daß ich so glücklich were, hette sein können, wie Ihr sagts,[4] guts zu thun können; aber so glücklich bin ich leyder nie geweßen, daß ist mir leydt genung. Ich hore gern, daß Ihr ruhig seydt. Gott, der allmächtige, erhalte Eüch dabey! Sich auff gott verlaßen, ist der groste trost; den wer sein eintzig vertrawen auff gott setzt, kan nie zu schanden werden. Ich will hoffen, daß Eüch Churpfaltz sein versprechen halten wirdt; den ich habe gehört, daß es gar ein ehrlicher herr ist. Hir in Franckreich wirdt der rheinsche wein undt insonderheit der Bacheracher [getrunken.] Unßer hertzog von Lotheringen dringt keinen andern. Aber da höre ich madame d’Orleans ahnkommen undt in den hoff fahren, muß also wider willen [enden.] Biß sontag, nachdem ich werde zum h. abendtmahl gangen sein, werde ich Eüch ferner andtwortten, aber nun nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte. Darauff kont Ihr, liebe Louisse, fest vertrawen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. August 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 345–346
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0940.html
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