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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou, donnerstag, den 11 Aug. 1718, umb ein 4/1 auff 6 abendts (N. 100).
Hertzallerliebe Louise, es ist just eine halbe stundt, daß ich
Ewer liebes schreiben vom 30 Julli entpfangen, habe aber nicht
gleich schreiben können; den es ist seyder 4 tagen, seyder
vergangen montag, eine so erschrecklich hitze, daß einer ersticken
möchte. Ich habe so erschrecklich geschwitzt nach dem eßen, da
ich ein wegen
[1] entschlaffen, daß ich mich von kopff zu füßen habe
anderst anthun müßen, kamen
[2] undt pudern laßen; ich werde erst
in dießem augenblick fertig. Aber jetzt komme ich auff Ewer
liebes schreiben. Dancke zuforderst vor die teütsche gazetten, welche
ich noch nicht geleßen; den ich habe noch der zeit nicht gehabt.
Ey, liebe Louisse, denckt daran nicht mehr, daß ich vor Eüch in
sorgen geweßen! Ihr befindt Eüch, gott lob, woll, also ist weytter
nichts darauff zu sagen. Ich mogte Eüch schir zürnen, liebe Louisse,
daß Ihr sagt, daß Eüch daß nicht wehre in sin kommen. Ich
versichere Eüch ja so offt, daß ich Eüch lieb habe; so müst ich ja
den allezeit lügen, wen ich nichts nach Eüch fragen solte. Daß ist
mir ein schimpff, liebe Louisse! den ich piquire mich, allezeit gar
wahr zu reden. Aber man leütt ins gebett.
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Donnerstag, den 11 Aug., umb 3/4 auff 8 uhr.
Da komme ich eben von der spatzirfahrt. liebe Louisse, undt
ich will Eüch entreteniren, biß madame d’Orleans ahnkommen wirdt
mitt ihren kindern. Darff ichs Eüch woll sagen? Ich glaube nicht,
liebe Louisse, daß Ihr die affairen beßer verstehet, alß deß ducs
de Schonburg seine ambtleütte; undt ich kan nicht glauben, daß
Ihr verhindern könt, das sie ihr händtgen machen.
[3] Weillen der
graff von Degenfelt nun daß kindt im hauß ist, solte ich meinen,
er könte ohngeheyßen sich der sachen ahnnehmen undt Eüch davon
soulagiren. Ich verstehe, daß er sich drin mischen solte, wen er
wider in Teütschlandt sein wirdt. Aber gestehts, liebe Louise! Ihr
seydt ahn dem haußhalten gewohnt undt die zeit würde Eüch zu
lang werden, wen Ihr gar nichts mehr zu thun hettet. Der herr graff
von Degenfelt hatt groß recht, sich in seines schwigersvatters gunst
zu erhalten; gebt es ahn, halte ich ihn vor gar geschickt. Ey,
liebe Louise, macht mir keine complimenten! Wir seindt warlich
einander zu nahe, umb zu complimentiren; unßere freündtschafft
muß gehen, wie man hir sagt, sans dire, undt ohne erschrecklichen
ursachen hört man nie auff, einander zu lieben. Ich wolte, liebe, daß
ich so glücklich were, hette sein können, wie Ihr sagts,
[4] guts zu thun
können; aber so glücklich bin ich leyder nie geweßen, daß ist mir
leydt genung. Ich hore gern, daß Ihr ruhig seydt. Gott, der
allmächtige, erhalte Eüch dabey! Sich auff gott verlaßen, ist der
groste trost; den wer sein eintzig vertrawen auff gott setzt, kan nie
zu schanden werden. Ich will hoffen, daß Eüch Churpfaltz sein
versprechen halten wirdt; den ich habe gehört, daß es gar ein
ehrlicher herr ist. Hir in Franckreich wirdt der rheinsche wein undt
insonderheit der Bacheracher [getrunken.] Unßer hertzog von
Lotheringen dringt keinen andern. Aber da höre ich madame
d’Orleans ahnkommen undt in den hoff fahren, muß also wider willen
[enden.] Biß sontag, nachdem ich werde zum h. abendtmahl gangen
sein, werde ich Eüch ferner andtwortten, aber nun nur sagen, daß
ich Eüch von hertzen lieb behalte. Darauff kont Ihr, liebe Louisse,
fest vertrawen.