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Brief vom 18. August 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


942.


[350]
St Clou den 18 Augusti 1718, umb 11 morgendts (N. 2).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe mich heütte ein wenig verschlaffen, bin erst umb 7 auffgestanden, habe doch schon viel gearbeydt; den ich habe ahn mein vettern, den h. landtgraffen von Cassel, geantw[o]rt auff ein schreiben, so ich gestern von I. L. entpfangen. Daß habe abcopirt; den wens affairen ahngeht, ist es gutt, zu wißen, waß man gesagt hatt; undt wie ich keinen teütschen secretari habe, muß es durch meine eigene handt geschehen. Daß ist verdrießlich; ich schreibe lieber 10 brieff, alß daß ich einen copire. Ich habe auch auff ein cantzelley-schreiben ahn dem erbprintzen von Württenberg geantwortet auß selbiger ursach, er hatt mich zu gevatter gebetten zu seinen neügebohrnen printzen. Daß hatt alle menschen verwündert; den man meinte die sach unmoglich, wie seiner gemahlin hoffmeisterin davon gesprochen hatte. Daß erinert mich ahn Benserade.[1] Wie monsieur de Langais,[2] so in dem congrés vor impuissant ware declarirt worden undt doch wider eine andere fraw genohmen hatte, so Ihr zu Hannover gesehen, undt sie schwanger wurde, sagte Langes zu Benserrade: He bien, voila pourtant ma famme grosse. Penserade andtwortete: He, monsieur, on n’a jamais douttes de madame vostre famme. So, fürchte ich, wirdt es meinem herrn gevattern, den erbprintz von Württenberg, auch gehen. Es ist aber zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben vom 2 Aug., no 59, komme. Ich werde Eüch aber dießen morgen nicht lang entreteniren können; den ich muß mich baldt ahnziehen. Wir haben hir seyder 3 wochen eine solche unaußsprechlich[e] hitze, daß alle menschen schir verschmacht[en.] 4 [351] maner, so vergangen woch bey dem waßer arbeytten undt keinen schatten hatten, seindt von der hitz gestorben. Ich meinte, man müste sich nur schämmen vor waß unehrlich ist; den vor waß gutt undt ehrlich oder gantz indifferent ist, davor schambt man sich nie, liebe Louise! Aber ich bin froh, wen Ihr etwaß in meinen briffen findt, so Eüch ein wenig divertirt undt lachen macht. Es seindt viel leütte, so gar keine delicatesse in der freündtschafft begreiffen können undt verliebt-sein mitt freündtschafft gantz confondiren; drumb kompts ihnen närisch vor, wen man delicatesse in amitié hatt. Der alte Matheis hatt ehre davon; den die brieff gehen nun gar richtig, liebe Louise! Mich deücht, daß Bussée kein teü[t]scher nahm ist, undt ich erinere mich nicht, ihn mein leben gehört zu haben, auch nicht, die person jemahlen gesehen zu haben. Aber es kan doch woll sein; den außer leütte, mitt welchen ich gar famillier geweßen, erinere ich mich von nichts, den ich habe gar ein schlim gedachtnuß. Wir haben hir einen cavalier bey dem printzen von Darmstat, so monsieur Reigné heist. Ich habe mein tag keinen Frantzoßen gesehen, so so perfecte teütsche reden undt maniren hatt, alß er. Ich habe gemeint, er wer ein Teütscher. Er spricht viel beßer teütsch, alß frantzösch; er ist all sein leben bey printz Louis von Baden geweßen biß ahn sein endt. Dießer mensch kompt mir all fein vor, hatt verstandt, undt ich will, wen ich ihn wider sehen werde, von den Bussée fragen. Es ist etwaß rares, leütte zu sehen, so lang bey hoff geweßen, ohne hoff zu leben können. In dießem augenblick bringt man mir Ewer liebes schreiben vom 6, no 60. Daß werde ich vor biß sontag, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, sparen. Ich habe es noch nicht geleßen, werde es in der promenade in der calesch leßen. Vom generalmajor Graffendorf erinere ich mich auch gar nicht mehr, der muß erst nach mir in die Pfaltz kommen sein. Die Hauben halte ich vor ein saxsisch geschlegt. Dießer nahm ist mir nicht unbekandt. Es ist war, daß der 2 Augusti meines sohns geburtstag, undt der 4 ist seines sohns. Vor alle gutte wünsche, so Ihr meinem sohn thut, dancke ich Eüch von hertzen, liebe Louise, wie auch alles, waß Ihr mir guts wünschet.
Donnerstag, umb halb 8 abendts.
Wie ich ahm endt deß bladts war, hatt man ins gebett [352] geleütt, wo ich hingangen undt von dar gleich in calesch undt sein spatziren gefahren, da ich alleweill herkomme undt sitze bey dem hocca. Ich gebe dem banquier mein gelt zu setzen undt schreibe Eüch unterdeßen. Ich habe Ewer letztes schreiben in der kutzsch geleßen. Ich muß doch auff einen article andtwortten. Ihr fragt mich, ob ich mich deß Schützen noch erinere. O mein gott! es ist einer von den menschen von der welt, den ich ahm lengsten gekandt habe; den er war ja allezeit bey meinem bruder s. oder bey mir; er war der Tiberius in der commedie vom Sejanus,[3] war in allen comedien etwaß undt spilte woll. Sein endt hatt mich recht gejammert. Sein rival, de Dolné, war es deß Dolné sohn, so lang bey Ewer fraw mutter hoffmeister geweßen undt, nachdem ich weg, haußhoffmeister ahn Bettendorf stadt geworden? Nun ich diß gesagt, komme ich wider auff Ewer erstes liebes schreiben. Mein sohn ist der mensch von der weldt, der ahm wenigsten interessirt [ist.] Wir haben ihm nie persuadiren können, zu nehmen, waß ihm mitt recht zukompt,[4] sagt aber, er sey regent, vor dem konig zu sparen undt nicht, umb ihm despence zu machen. Es ist abscheülich, waß schulden der s. könig hinterlaßen, 2 mahl hunderttaußendt millionen,[5] daß muß mein sohn dem könig wider ersparen. Denckt also, ob er weydt springen kan! Meine einkünfften konnen in nichts vermehrt werden; waß einmahl zum desputat gegeben worden undt zum wittung, bleibt undt kan weder steygen, noch abnehmen; so wolte ich auch nichts nehmen, so meinen encklen enckeln eintracht[6] thun konte. Ich habe nach meinen standt zu leben; ist es nicht genung, liebe? Ich werde gewiß die helffte nicht mehr leben, so ich gelebt habe. Ich dencke nur, keine schulden zu machen, in überigen bin ich schon zufrieden. Ihr undt ich seindt nicht erzogen worden, unrecht gutt zu haben wollen, noch interessirt zu sein. Wie man erzogen wirdt, thut viel dazu. Zu meiner zeit war die gutte fraw von Harling gar nicht interessirt, daß muß ihr im alter kommen sein, wo der geitz ordinarie kompt. Ma tante, unßere liebe churfürstin, war gar zu auffrichtig, umb nicht von allen schelmen gehast zu werden; aber alle ehrliche leütte haben I. L. s. geliebet. Sie war Eüch zu nahe, umb daß Ihr nicht ahn sie attachirt sein sollet. So kein nar bin ich, liebe Louisse, mich mitt einen jungen [353] metgen zu beschlepen,[7] so mich alle augenblick betriegen undt doll machen würde undt außlachen. Nein, nein, daß ist mein sach nicht, liebe Louise! Ich will, so viel mir möglich ist, meine alte tagen in ruhen biß ahns endt führen. Wer hilfft, daß daß printzessgen von Siegen in ein closter kompt, muß ihre pension drin bezahlen, undt daß kan ich nicht thun, wen ichs gleich wolte. Es ist schwer, itziger zeit ein closter zu finden, wo die kinder waß gutts lehrnen konten. Die Carmelitten nehmen keine pensionaire, undt alle andere closter, wo pensionairen sein, seindt mitt solchen lastern undt desbeauchen gefühlt,[8] das einem davor graust, nur dran zu gedencken. Die printzes ist nicht reich genung, einen gutten heüraht in Franckreich zu thun, undt einen schlimen wolte ich ihr nicht rahten. Man hatt in Lotteringen stiffter, aber in Franckreich sein keine. Es seindt viel closter, so pensionaire nehmen, die fille Ste Marie, die Bernardinen, die Urselinen undt Benedictinen undt waß daß geschmeiß noch mehr ist. Ist[9] hore nichts vom fursten von Nassau, weiß nicht, ob er noch zu Paris ist oder nicht. Die fraw, so Charlotte heist, muß braff lügen können; den alles, waß sie Eüch gesagt, da ist kein wordt ahn war. Ich bin recht fro, daß die königin von Preussen courirt ist; wünsche ihr eine glückseelige endtbindung. Da bin ich woll gutt vor, daß der jüngste tag zukümfftig jahr noch nicht kommen wirdt. Es ist mir leydt, daß I. L. deß landtgraffen von Cassel krieg noch kein endt nimbt; den ich wünsch I. L. undt dern 3 herrn sohn alles guts. Mitt dem talck kan man sagen, wen es hübsch wirdt, daß gutt ding will weill haben. Adieu, liebe Louise, biß auff zukümfftigen sontag, da ich Eüch auff neüe versichern werde, wo mir gott leben undt gesundtheit verleydt, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. August 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 350–353
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0942.html
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