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Brief vom 25. August 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


944.


[359]
St Clou den 25 Augusti 1718, umb 10 morgendts (N. 4).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich dießen nachmittag etwaß von Eüch entpfangen werde, will aber nun auff Ewer liebes schreiben vom 9 Aug. andtwortten, no 61. Ich wolte die post nicht gern beruffen, muß doch sagen, daß sie nun gar richtig geht. Man macht hir auch complimenten ahn die, so proces gewinen; allein ordinarie fragt man mehr darnach, alß ich nach dem gewinst von den meinen frage. Doch Ewer gutter wille ist mir allezeit ahngenehm undt bin Eüch verobligirt vor Ewere gutte wünsche. Heütte ist daß wetter abgekühlt; den es hatt die gantze nacht geregnet. Man hatt es von nöhten gehabt; den seyder 3 wochen haben wir hir keinen regen gehabt, auch war die hitze so unertraglich, daß ich die gantze woche von 6 hembter deß tags habe endern müßen. Es war weder lüfftel noch düfftel, wie Lenor alß sagt; ich glaube, man were verschmacht, wen es lenger gewehrt hette. Ob zwar die große hitze sehr ungemächlich ist, so muß ich doch gestehen, daß ich sie viel lieber habe, alß die geringste kälte. Ich habe gehört, daß schir alle alte bedinten von unßerm heydelbergischen hoff in die marck Brandenburg undt ahm berlinischen hoff gegangen sein. Deß Hechts erinere [ich] mich gar nicht mehr. Unßere Pfältzer haben doch gutte gemühter, ihre landtsleütte zu lieben. Nichts ängstiget einen mehr, alß wen man meint, daß man jemandts bey sich sterben sicht oder im schlag fahlen. Aber es ist nicht zu verwundern, daß man sich übel bey der großen hitze befindt; gar viel leütte sein, so es nicht außstehen können, mich machts gar nicht übel. Aber war die fraw von Mentzingen vielleicht nicht zu eng eingeschnürt daß sie wider woll worden, wie man sie außgeschnürt hatt? In Teütschlandt denckt man noch ahn taillen, aber hir gar nicht; man sicht auch, die warheit zu bekenen, nirgendts keine schönne taille mehr. Ich bin gantz persuadirt, daß Alberonie,[1] so ein boßer schelm ist, den armen könig von Sicillien [360] gantz betrogen hatt. Dießer könig ist der erste nicht, den der cardinal betrogen hatt; seinen eygenen herrn[2] hatt er verrahten, umb monsieur de Vandosme[3] zu gefahlen; dießen hatt er der printzes des Ursin[4] auffgeopffert; die princes des Ursin hatt er der neuen königin[5] sacrificirt undt nun betrigt er den könig von Sicillien. Waß weytter wehren[6] wirdt, soll die zeit lehren. Es ist, gott lob, lang, daß ich keine lettre d’advis bekommen. Man weiß nun, wo sie alle herkommen, kommen alle auß einem laden undt von einer damen, so meine nahe baß ist, nehmblich die duchesse du Maine.[7] Man kan keine [schlimmere finden,] alß daß par ist. Ich kan nicht begreiffen, wie madame la princesse, so die beste fürstin ist, so man sehen mag, eine so gar böße dochter zur welt gebracht hatt; madame du Maine hatt kein teütsch bludt in ihren adern. Der hoffart undt ambition machen sie so verteüffelt; ihr man undt die Maintenon undt andere böße rahtgeber helffen auch dazu; sie meinen, es geschehe dem duc du Maine daß groste unrecht, daß er nicht regent ist, noch nach deß königs todt zu pretendiren hatt, könig zu werden; daß gibt ihnen einen solchen haß vor meinen sohn, daß er es nicht bergen kan. Mein sohn ist der beste mensch, er kan niemandts haßen, alle leütte dawern ihn gleich. Es ist war, liebe [361] Louise, daß es erlaubt ist, sich vor böße leütte vorzusehen; allein wen man es nicht thut, erweist dieße verblendung eben, daß ein unglück vorhanden. Er, mein sohn, kan seiner gemahlin threnen nicht außstehen, undt dießen bruder hatt sie lieber, alß man undt kinder, unter unß gerett. Aber es ist nun zeit, daß ich mich ahnziehe, bin schon gar offt interompirt worden; le diable au contretemps verliehrt sein recht nicht bey mir. Mich deücht, die welt wirdt schlimmer, alß sie nie geweßen; in allen famillen ist uneinigkeit; ich glaube, daß man deßwegen zu Franckfort prophezeyet hatt, daß der jüngste tag zukünfftig jahr kommen solle. Unßere printzes von Wallis hatt eine neüe betrübtnuß; der konig in Englandt hatt die 3 printzesinen, seine enckel, in die kost bey madame Portlandt gethan. So baldt die neüe pomade divine fertig wirdt sein, werde ich Eüch schicken. Es ist mir recht leydt, daß die arme leütte von Bacherach so übel vom wolckenbruch seindt tractirt worden; den ich drinke lautter Bacheracher. Die zu Creütznach jammern mich auch, müßen große schrecken undt angst außgestanden haben. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig undt exact beantwortet, bleibt mir nur überig, zu versichern, daß ich Eüch, liebe Louisse, von hertzen lieb behalte.
Donnerstag abendts umb 8 uhr.
Ich habe madame de Berry dießen nachmittags eine vissitte geben; wir seindt umb 7 abendts wider komen. Wie ich in kutzsch gestigen, hatt man mir meine brieffe von Paris bracht, welche ich nicht habe leßen können, alß seyder ich wider kommen. Ich habe daß Ewerige alleweill geleßen vom 13 Aug., no 62; dancke Eüch sehr vor die artige cartten, welche mich den gantzen weg durch amussirt haben. Jetzt habe ich sie meinem enckel, dem duc de Chartre, gelehnt, umb sich mitt zu amussiren. Dießen abendt kan ich ohnmoglich auff Ewer liebes schreiben andtworten; den morgen wirdt unß madame d’Orleans quittiren, muß also dießen abendts haußehre thun undt mitt I. L. hocca spillen. Adieu! Biß sambstag werde ich auff Ewer liebes schreiben andtwortten; den biß sontag werde ich nach Paris. Ich ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. August 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 359–361
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0944.html
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