Seitenbanner

Brief vom 18. September 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


951.


[380]
St Clou den 18 7br 1718, umb 7 uhr morgendts (N. 11).
Hertzallerliebe Louise, hiemitt komme ich, mein versprechen halten undt auff Ewer liebes schreiben vom 30 Aug., no 67, [381] folgendts zu antwortten, welches meine Pariser reiß letztverwichenen donnerstag verhindert hatt. Aber ich will Euch erst verzehlen, waß ich zu Paris gethan. Ich kam dort umb 11 ahn, ging gleich zu meinem sohn, welchen ich, gott sey danck, lustig undt ohne fieber gefunden. Ich bliebe eine halbe stundt bey ihm, that hernach ein tour in mein cammer undt von dar zu madame d’Orleans undt umb 12 stieg ich wider in kutsch undt fuhr zur duchesse du Lude, spatzirte ein halb stündtgen in ihrem gartten, hernach gingen wir ahn taffel, wurde 5mahl auffgetragen; man kan nicht beßer undt delicatter zurichten, alß ihre köche thun. Alles war exellent, auch haben wir alle braff geßen. Wir waren 11 ahn taffel, 7, so mitt mir kommen wahren, die dame im hauß mitt ihren 2 niepce undt die marquise Dalluy.[1] Nach dem eßen spilten wir hocca biß halb 5; da fuhr ich wider ins Palais-Royal. Mein sohn kamme mir gantz ahngethan a la salle des garde entgegen. Man sichts ihm nicht mehr ahn, daß er kranck geweßen; aber wen er spricht, hatt er die sprach ein wenig schwacher, alß ordinarie. Umb 6 gingen wir in der seildantzer commedie,[2] welche all possirlich war; hernach fuhr ich wider her. Wie ich auß der commedie ging, bracht man mir meine brieffe von der post; dabey war daß Ewerige vom 2 7br, no 68, welches ich heütte auch pretendire zu beantwortten. Ich bekamme auch durch einen courier einen gar frischen brieff von meiner dochter; den er war nur 2 tag alt, den sie hatte mir ihn den 13ten geschrieben, welches ihr geburdtstag ist. Die confirmirte mir die geneßung ihres elsten sohns. Also kan ich dießen donnerstag vor einen von meinen glücklichen tagen rechnen. Nun komme ich auff Ewere liebe schreiben, werde bey dem frischten ahnfangen. Ich kan nicht begreiffen, warumb Ihr meine schreiben nicht richtig entpfangt; den ich fehle keine eintzige post. Es mag gar woll [sein,] daß die Parisser post dran schultig, den sie seindt sehr negligent, alle menschen klagen drüber. Es ist kein wordt war, daß ein heüraht zwischen dem printz de Piedmont [und] mademoiselle de Valois geschloßen ist.[3] Es stehet noch in weitten feldern, [382] wen sie bekommen wirdt; aber der monsieur le duc begehrt sie vor seinen zweytten bruder, den comte de Chareloy.[4] Daß mögte woll eher geschehen, alß mitt dem printzen de Piedmont. Es kan keine andere sein, so sich heürahten, alß mademoiselle de Valois, den die witib vom duc de Berry ist 6 jahr alter, alß der prince de Piedmont; die zweytte ist ja leyder eine none geworden; die hatt eine charge im closter, ist sacristine. Es ist mir lieb, daß man ihr etwaß zu thun gibt, daß verhindert lange weill undt verjagt melancolie. Damitt ich aber wieder komme auff waß ich habe sagen wollen, so ist meins sohns döchtergen, so nach mademoiselle de Valois ist, ist noch nicht 9 jahr alt, die hernach nur 4 jahr undt die letzte 3 jahr. Also secht Ihr woll, daß keine von dießen 3en so baldt kan geheüraht werden. Wen der heüraht mitt Piedmont fort gehen solte, würde ich keine freüde dran haben; den es würde gegen der königin in Sicillen willen geschehen, welche mir lieber ist, alß alle meine sohns dochter; den ich habe dieße tugendtsame königin so lieb, alß wen sie meine eygene leibliche dochter wehre, undt wie sie ihr leben keine andere mutter gesehen hatt im hauß, alß mich (den sie war nur 6 mont alt, wie ihre fraw mutter gestorben), also helt sie mich gantz vor ihre fraw mutter, hatt auch da[s]selbe vertrawen zu mir, alß wen ich es were. Daß verobligirt mich ja auch, sie alß mein kindt zu lieben, wünsche ihr also alles vergnügen undt kein hertzenleydt, undt eines von den grösten hertzenleydt von der welt ist, einen eintzigen sohn wider seinen willen verheüraht zu sehen; daß vergifft einem daß gantze leben, ich weiß es nur zu woll;[5] also kan ich dießen heüraht ohnmöglich wünschen. Freylich hatt der Alberonie den könig von Sicillen grob betrogen;[6] es ist einer von den bösten schelmen, so man in der welt finden kan, undt einer von den ärgsten feinden von meinem sohn, ein ittallienischer wüster, desbauchirter bößewicht, so in der welt mag gefunden werden, hatt weder trew, noch glauben. Viel meinen, daß er den armen duc de Vandosme, der seine fortune gemacht, vergifft [383] hatt der printzes des Ursin zu gefahlen.[7] Die hatt er hernach weggejagt der königin in Spanien zu gefallen. Nun hatt er dieße alte böße hexs wider in gnaden ahn spanischen hoff gesetzt. Auß dießem allem secht Ihr, waß es vor ein feines bürschen ist. Er verdint woll, gedemütigt zu werden. Ich muß Euch doch, liebe Louisse, ein poßirlich dialogue verzehlen zwischen mylord Stair undt dem spanischen ambassadeur, der prince de Chelamar.[8] Dießer hatte durch gantz Paris außgebreydt, daß kein wordt wahr were, daß die englische flotte die spanische geschlagen;[9] er undt der spanische ahnhang zu Paris hatten daß so fest versichern,[10] daß niemandts dieße zeittung mehr glauben wolte, biß deß admiral Being[11] sohn ahnkommen mitt der volligen relation undt liste von allen kriegsschiffen, so in die lufft gesprengt, gefangen undt endttrunen sein. Wie mylord Stair dieße zeittung hatte, sagte er zum prince Chelamare: He bien, monsieur, que dittes vou pressentement de vostre flotte? Je dis, sagte dießer abgesante, que la flotte est arivée heureussement a Cadix. Mylord Stair sagte: Je ne vous parle pas de celle de Cadix, je vous parle de celle de Messine. Et moy , sagte der pr. de Chelamare, je vous parle de celle de Cadix, ou tout les gallions sont arives richement charges,[12] konte kein andere andtwort auß ihm kriegen. Komme jetzt wider auß[13] Ewer liebes schreiben. Ich fürcht, es seindt keine gar gutte ursachen, so Eüch verhindern, nicht so baldt noch nach Heydelberg zu reißen. Ich weiß dem itzigen churfürsten zu Pfaltz undt seiner fraw dochter recht danck, Heydelberg zu lieben. Mich deücht, der [384] churfürst solte Eüch woll ins schloß logiren, weillen Ihr ja drinen gebohren undt erzogen seydt. Schreibt mir, bitte ich, wie deß churfürstens liverey nun ist, ob sie wie I. G. unßers herrn vattern s. ist, oder anderst! Weillen der magistrat die chur- undt fürstliche personnen tractirt, wirdt es gewiß auff dem rahthauß geschehen; den daß zolhauß bey dem Neckerthor, noch die 3 pavillionen seindt nicht mehr dort, noch der ahnfang vom schloß, so zu meiner zeit war. Es freüdt mich, daß daß gutte Manheim wider freyheit erworben hatt. Ewere schriefft ist nicht so rein, alß ordinaire, aber doch eine hübsche handt, undt Ihr schreibt hübscher, alß ich, ob wir gleich denselben schreibmeister gehabt haben.[14] Ewer handt gleicht deren von Ewerer fraw mutter sehr. Es ist mir leydt, liebe Louise, daß Ihr wider augenwehe habt; müst Euch vor viellen schreiben undt leßen hütten, den nichts ist den augen schlimmer. Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben völlig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß erste [vom] 30 Aug. Ich war ahn madame Dangeau fraw schwester, der fürstin von Ussingen, geblieben. Es ist mir lieb, daß sie mitt mir zufrieden ist; allein waß ich ihr wegen Ewer habe sagen laßen, meritirt keine dancksagung. Madame Dangeau solte mitt unß bey der duchesse du Lude eßen; alle[i]n sie hatt mir durch baron Roswurm[15] sagen laßen, sie gehe auffs landt, weillen sie mich nicht allein bey der duchesse du Lude sehen könne. Sie ist recht leüttescheü. Ich kene ihr nur einen großen fehler, nehmblich daß sie die alte böße zot[16] nicht kent, oder nicht kenen will vor so boßhafft, alß sie ist. Hirüber haben wir manchen disputte. Der teüffel ist nicht ärger, alß daß alte weib ist. Sie hatt gearbeydt, meinen sohn absetzen zu machen; aber dießmahl ist durch gottes hülff mein sohn schlauer geweßen, alß dießer alte teüffel; sie ist vor zorn kranck geworden. Aber der teüffel muß noch ein stück mitt ihr vorhaben; den sie ist courirt. Mich deücht, liebe Louisse, daß es doch ahngenehmer ist, estimirt undt geliebt zu sein, alß gehast. Meine freündtschafft kan Eüch nicht fehlen; wir seindt einander zu nahe; also ist es doch auch gutt, mehr freündt zu haben. Die princes von Wallis schreibt mir [385] mitt rechter amitie von Eüch, versichert sehr, daß sie Eüch recht lieb hatt, worauff ich ihr geantwort, worauff ich I. L. versichert, daß Ihr auch ein recht warhafft attachement vor sie habt. Ich habe sey[der] der königin in Preussen kranckheit 2 schreiben von I. M. entpfangen; sie ist gantz gesundt wider. Ich fürcht[e] sehr, der arme Weissenbach, wo ihn die lungensucht nicht auß der welt führt, wirdt entlich zum nahren werden. Wie ich von der mutter hore, so hatt daß freüllen von Rotzenhaussen gar keine inclination vor ihn, thät also woll, sichs auß dem sin zu schlagen. Die hitze ist nun gantz vorbey hir, morgendts undt abendts recht kühl, aber den gantzen tag daß ahngenehmste wetter von der welt, weder zu warm, noch zu kalt. Gestern nachmittags hatte ich eine audientz des desputtes de Languedoc; hernach fuhr ich a la Meutte zu madame de Berry, so zum fuß zur ader gelaßen. Man kan ihr nicht mehr ahm arm laßen, sie furcht, kranck zu werden, weillen starck kopffwehe … Aber es were kein miracle, wen sie kranck würde; erstlich ist sie umb halb 2 zu mittag, umb 7 setzt sie sich ins badt, wo sie zwey stundt in sitzt, undt freßen drin wie wölff, umb 10 eßen sie wider zu nacht. Daß kan in meinem sin auff die länge kein gutt thun. Ich fürchte, die duchesse de Berry wirdt sich ein ellendes alter über den halß ziehen. Es ist nun über 11, also zeit, daß ich mich ahnziehe, umb in kirch zu gehen. Ewer 2 liebe schreiben seindt beyde vollig beantwortet, bleibt mir also nichts mehr überig, alß Eüch zu versichern, hertzallerliebe Louisse, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalten werde.
P. S.
Sontag, umb 6 abendts.
In dießem augenblick komme ich von der promenaden, wo man mir Ewer liebes schreiben vom 6. 7br, no 69, überlieffert, welches ich in wehrender promenaden geleßen. Es ist heütte daß schönste wetter von der welt. Dießen abendt kan ich Eüch nicht drauff andtwortten, muß es auff donn[e]rstag versparen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. September 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 380–385
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0951.html
Änderungsstand:
Tintenfass